Es könnte so einfach sein mit einer fairen Beschaffungspolitik einer Stadt: Man kauft einfach direkt bei Händlern und Anbietern vor Ort. Dann bleibt das Geld da und die Produzenten können gut bezahlt werden. Oder? - Am 16. Juli beschloss der Leipziger Stadtrat, dass sich die Stadt - nachdem sie sich schon als "Fairtrade Town" angestrengt hat, auch um den Titel "Hauptstadt des Fairen Handels" bewirbt.

Seit dem 26. September 2011 ist Leipzig “Fairtrade Town”. Um den Titel zu erringen, haben sich die Akteure einige Arbeit aufgehalst, denn dazu mussten sie Partner gewinnen, die fair gehandelte Produkte dauerhaft im Sortiment oder auf der Speisekarte haben. Eine Eisrallye mit Eis aus fair gehandelten Zutaten sorgt im Sommer besonders für Aufmerksamkeit.

Aber FDP-Stadträtin Isabel Siebert warnte nach der Stadtratsentscheidung vor einer Verzettelung. Denn es ist ja nicht der einzige Titel, um den Leipzig kämpft.

“So nachvollziehbar manches Siegel und manche Mitgliedschaft der Stadt auch sein mögen: Um es mit Leben zu füllen, werden Mitarbeiter gebunden. Sinnvoller als das 127. Etikett ist stringentes, nachvollziehbares und verlässliches Verwaltungshandeln im Dienste der Bürger. Wir tun uns mit dem Tanzen auf tausend Hochzeiten keinen Gefallen, sondern laufen Gefahr uns zu verzetteln”, erklärte sie.

“Anstatt sich das Etikett einer fairen Handelshauptstadt an die Brust zu heften, muss der Fokus auf der Förderung unserer regionalen Wirtschaft liegen”, erklärte sie. “Ohne die Steuern, die hier erwirtschaftet werden, können wir uns fair gehandelte Rosen, die aus Nigeria eingeflogen werden, nicht leisten. Daher sollte die Stadtverwaltung besser auf heimische Produkte und Dienstleistungen zurückgreifen. Das ist die beste und nachhaltigste Wirtschaftsförderung, die man machen kann. Gleichzeitig werden lange Transportwege vermieden und so ganz praktisch die Umwelt und die Stadtkasse geschont. Daher sagen wir: Konsequent regional statt vermeintlich fair.”

Das wäre ein Ideal. Wenn dem nicht oft genug das Beschaffungsrecht entgegen stünde. Und die Tatsache, dass auch regionale Händler oft auf Zulieferer aus anderen Ländern angewiesen sind. Exemplarisch wird das bei der Bekleidung: Ab 1990 hat nicht nur Sachsen fast seine komplette Textilwirtschaft eingebüßt – auch in den westlichen Bundesländern verschwand die einst breit aufgestellte Bekleidungsindustrie fast komplett und wanderte nach Asien aus – mit all den sozialen und ökologischen Problemen, die nun seit Jahren die Medien erschüttern.

Dem kann man wohl aktuell nur durch eine Änderung der Beschaffungsregeln begegnen. Es gehe um eine größere Aufmerksamkeit für das Thema. So sah es auch Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal, als er im Mai in der Dienstberatung vorschlug, Leipzig möge sich um den Titel “Hauptstadt des fairen Handels” bewerben.

Die Verwaltungsspitze stimmte zu. Der 2003 initiierte, alle zwei Jahre stattfindende Wettbewerb soll das lokale Engagement für den fairen Handel würdigen, in verstärktem Maße Öffentlichkeit für dieses Thema schaffen sowie noch mehr Bürgerinnen und Bürger zu global verantwortungsvollem Handeln motivieren. Ausrichter ist die “Servicestelle Kommunen in der Einen Welt” (SKEW) der im Auftrag der Bundesregierung tätigen Engagement Global gGmbH. Es werden Preisgelder in Höhe von insgesamt 100.000 Euro ausgelobt.

Sieger in den Vorjahren waren Rostock (2013), Bremen (2011), Marburg (2009), Düsseldorf (2007) und Dortmund (2005 und 2003). Aufgrund seiner vielfältigen Aktivitäten rund um das Thema fairer Handel hatte Leipzig 2013 bereits zum zweiten Male den Titel “Fairtrade-Town” erringen können. Für den Titel “Hauptstadt des fairen Handels” sind die Anforderungen aufgrund des Wettbewerbscharakters allerdings noch deutlich höher.

Mit dem Auftrag des Stadtrates wurde der Vorschlag nun zu einem Arbeitsauftrag für die Verwaltung.

Ein zentraler Baustein dabei: ein Konzept zur fairen und nachhaltigen Beschaffung in der Stadtverwaltung. Der liegt nun vor. Der Erste Bürgermeister und Beigeordnete für Allgemeine Verwaltung, Andreas Müller, erläuterte es in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters am Dienstag, 22. Juli.

Es soll nun den Fachausschüssen vorgelegt werden, bevor es in den Stadtrat kommt.

Ziel des Konzeptes ist es, die Beschaffung vorrangig an ökologischen und sozialen Bedingungen unter Berücksichtigung der finanziellen Ressourcen der Stadt Leipzig auszurichten. Dazu gehört, dass bei Ausschreibungen von Produkten, die aus Nicht-EU-Ländern importiert werden, verstärkt auf die Vorlage international anerkannter Siegel wie etwa des “Transfair”-Siegels hingewirkt werde. So formuliert es zumindest die Stadt in ihrer Mitteilung dazu. Es macht einen Unterschied, ob aus etwas “hingewirkt wird” oder ob es Grundbedingung bei einer Ausschreibung wird. Denn nicht alles, was man sich wirklich an fairem Einkaufsverhalten einer Stadt wünscht, ist auch mit geltendem Vergaberecht vereinbar.

Und so ist man erst einmal vorsichtig, was den vorgesehenen Produktkatalog betrifft, beschränkt vor allem auf Schnittblumen, Kaffee, Dienstbekleidung, aber auch Pflastersteine oder Produkte aus Holz.

“Im Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes setzt die Verwaltung bereits seit Jahren in großem Umfang Recycling-Papier ein, das mit dem ‘Blauen Engel’ zertifiziert ist, stellt den städtischen Fuhrpark mittelfristig auf schadstoffarme Wagen und Elektroautos um und nutzt das Carsharing”, teilt die Verwaltung in ihrer Mitteilung zum Konzept mit. “Seit 2008 nimmt Leipzig am European Energy Award teil. Damit sind auch die Beschaffung von energiesparender PC-Technik für die Verwaltung und die Schulen oder etwa der Bezug von Strom und Gas mit einem erheblichen Anteil an erneuerbaren Energien verbunden. Bei Produkten, deren Herstellung mit ausbeuterischer Kinderarbeit im Sinne der ILOL-Konvention 182 verbunden sein könnte – wie Sportartikel, Dienstbekleidung, Natur- und Pflastersteine, Holz- oder Agrarprodukte – müssen die Anbieter schriftlich die Einhaltung der entsprechenden internationalen Vereinbarungen gegen Kinderarbeit erklären. Zukünftig sollen neue Umwelttechniken (z. B. Euro 6 bei Spezialfahrzeugen) ebenso wie Mindestanforderungen an die Lärmemission von Bereifungen gefordert werden. Bei anstehenden Bauvorhaben sollen einheitliche Vorgaben zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten den Planern und Architekten vorgegeben werden.”

Der Stadtratsbeschluss:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/00D1D71E5FDD86E0C1257CE40020A11C/$FILE/V-ds-3815-text.pdf

Die Fairtrade-Towns:
www.fairtrade-towns.de/nc/startseite

Faitrade-Town Leipzig:
www.fairtrade-leipzig.de

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