Am 16. April haben es Leipzigs Stadträte beschlossen: Ja, es wird in Leipzig 2015 erstmals einen Doppelhaushalt geben. Es war knapp, aber es hat gereicht. Bedenken wurden am Rednerpult einige geäußert. Jetzt muss gearbeitet werden. Der Auftrag gilt. Auch wenn es auf jeden Fall mehr Arbeit gibt beim ersten Mal. Und einfach wird es auch nicht, sagt Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU).

Im Januar 2014 hat er das Projekt erstmals im Ältestenrat des Stadtrates angekündigt. Damals noch mit der für ihn typischen forschen Zeitvorgabe: Beschlussfassung wie bei den Jahreshaushalten im Dezember, damit das Papier im Januar mit allen eingearbeiteten Änderungen an die Aufsichtsbehörde, die Landesdirektion Sachsen, gehen kann. “Das ist nicht zu schaffen”, war der Tenor aus dem Ältestenrat, der Versammlung der Fraktionsvorsitzenden. Schon gar nicht, wenn ein neu gewählter Stadtrat sich mit der Sache befassen muss.

Denn am 25. Mai sind ja Stadtratswahlen in Leipzig. Niemand weiß, wie der neue Stadtrat genau zusammengesetzt ist. Im September wird sich die Ratsversammlung erstmals zusammen setzen. Das ist der Termin, für den gewöhnlich der neue Haushaltsplanentwurf vorgelegt wird. Das wird so nicht zu schaffen sein. Auch weil Wahlen in der Region langsam unberechenbarer werden. Wahlanfechtungen bremsen nicht nur Bürgermeisterwahlen (wie in Markranstädt) oder OBM-Wahlen (wie in Leipzig) aus, sie sorgen auch dafür, dass Kommunalwahlen komplizierter werden, wenn die Ergebnisse knapper werden. Wie 2009 in Leipzig erlebt.

Deswegen ist auch der neue Plan, mit dem Torsten Bonew auf die Wünsche der Fraktionen eingeht und die Beratungsphase für den Doppelhaus 2015/2016 verlängert, ambitioniert.

Im Oktober soll der Entwurf nun im Stadtrat vorgelegt werden. Dann folgt die öffentliche Auslegung. Bis Dezember können die Fraktionen Änderungsanträge stellen, Bürger Einwände geltend machen. Im Januar soll’s die erste Lesung im Stadtrat geben, im März 2015 die Beschlussfassung. Oder besser: die Beschlussfassungen. Denn eines will Bonew nicht, sagt er: das Königsrecht des Stadtrates aushebeln. “Ich war selbst Stadtrat, ich weiß, wie das ist.”

Außerdem gäbe es in Sachsen auch offiziell keine Doppelhaushalte in den Kommunen. Im Unterschied zum Land, das seit Jahren mit Doppelhaushalten operiert. Der aktuelle umfasst die Jahre 2013 und 2014, der nächste wird 2015 und 2016 umfassen. “Was gar nicht geht”, sagt Bonew, “ist, einen Doppelhaushalt gegen den Doppelhaushalt des Landes zu machen.” Nur wenn beide synchron laufen, lohnt sich das Doppel. Dann könne man besser mit den Zuweisungen aus dem Sächsischen Finanzausgleichgesetz (FAG) und den bereitgestellten Fördermitteln planen. 2013 hätte er schon gern mit einem Doppelhaushalt losgelegt. “Aber da steckte die Verwaltung noch so tief in der Umstellung auf Doppik und SAP, dass daran nicht zu denken war.” Jetzt ergebe sich die zweite Chance. Und die sollte Leipzig nutzen, meint Bonew. “Wir haben uns auch extra in Dresden kundig gemacht, wie die es dort machen.”

Wird es dadurch leichter? – Nicht wirklich, gesteht Bonew zu. Schon jetzt ist absehbar, dass es ein ganz schweres Stück Arbeit wird, für 2015 und 2016 ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Man erinnert sich an den zähen Kampf 2013, als ein befürchtetes Defizit von 90 Millionen Euro am Ende nur noch eines von 16 Millionen war, als der Stadtrat im Dezember den Haushalt 2014 beschloss. “Die Erfahrungen sagen mir, dass ich nie wieder einen Haushalt mit Defizit vorlegen möchte”, sagt der Finanzbürgermeister. Denn die wirklich strengen Fragen stellt ihm dann die Landesdirektion. Die wohl den Haushalt 2014 im Mai wieder genehmigen wird – aber mit einem ganzen Bündel von Auflagen. Da kann man gespannt sein, was da drin steckt.

Leipzig kann zwar für die nächsten Jahre wieder mit moderat steigenden Steuereinnahmen rechnen, vielleicht auch mit leichten Entlastungen bei den Kosten für Pflege- und Sozialleistungen – aber Letzteres nur, wenn die Bundesregierung ihr Versprechen, die Kommunen an dieser Stelle zu entlasten, auch wirklich umsetzt.Dafür ist jetzt schon klar, dass allein die Personalkosten ab 2015 zusätzlich mit 16 Millionen Euro ins Kontor schlagen. In der Vergangenheit hat die Stadt die möglichen Tarifsteigerungen beim Personal meist eher zu gering kalkuliert. “Da haben wir jetzt 2,5 Prozent als Kostensteigerung für jedes Jahr reingeschrieben”, sagt Bonew. Und auch die Stellenpläne habe man sich angeschaut. Und rund 50 Stellen, die bisher nur befristet besetzt waren, wurden in feste Stellen umgewandelt. Man kann ja die Leute nicht einfach wieder entlassen, wenn ihre Arbeit nicht aufhört.

Über konkrete Zahlen für den Doppelhaushalt möchte Bonew noch nicht sprechen. Erste Schätzungen wird der erweiterte Fachausschuss Finanzen Ende Mai bekommen – nach der Stadtratswahl. Denn es sind ja die neu gewählten Stadträte, die über den ersten Doppelhaushalt der Stadt Leipzig entscheiden sollen. Im Juni folgt dann eine Bürgerwerkstatt “Haushaltsplanung”. Zwei solcher Werkstätten hat das Finanzdezernat schon im vergangenen Jahr veranstaltet. Und zwar nicht mit dem Dutzend der üblichen engagierten Bürger, die für gewöhnlich zu solchen Veranstaltungen kommen, sondern mit repräsentativ ausgewählten Bürgern aus allen Stadtteilen, Altersgruppen, Berufsfeldern. “Aus meiner Sicht ein voller Erfolg”, sagt Bonew. Und so soll es auch im Juni sein. Mehrere 100 Leipziger werden repräsentativ ausgewählt und eingeladen. “Mal sehen, wie viele dann auch mitmachen”, sagt Bonew. Im letzten Jahr waren es 60. Und das sei – so der Bürgermeister – eine beachtliche Größe, wenn man bedenke, dass der interaktive Haushaltsplanrechner der Stadt im ganzen Jahr nur 35 registrierte Nutzer hatte. “Da stimmten Aufwand und Nutzen einfach nicht mehr”, sagt Bonew. Deswegen sei der Rechner auch auf seine Weisung hin abgestellt worden.

Mehrere Redner am 16. April äußerten natürlich ihre Sorge, der Stadtrat würde mit dem Doppelhaushalt wesentliche Gestaltungsspielräume abgeben. “Die Sorge teile ich”, sagt Bonew. Betont aber auch, dass der Leipziger Doppelhaushalt im Grunde weiter aus zwei Haushalten bestünde. “Jeder wird einzeln für sich vorgestellt. Sie werden nebeneinander diskutiert. Und sie werden im März 2015 auch nacheinander beschlossen vom Stadtrat.” Der habe nach wie vor das Recht, jeden einzelnen Haushalt abzulehnen.

Beide Haushalte sollen ausgeglichen sein. “Das wird ganz schwer”, sagt Bonew. “Da liegt noch richtig harte Arbeit vor uns.”

Aber sollte der Stadtrat dem Doppelhaushalt zustimmen, gäbe es 2016 erstmals eine Phase, in der die Verwaltung nicht mit der Haushaltsaufstellung beschäftigt wäre. Jetzt sei es sogar so, dass mit Ende des alten Haushaltsjahres bis zur Genehmigung des neuen Haushaltes in Leipzig immer nur eine vorläufige Haushaltsführung möglich sei. Ab dem 1. Januar wären dann jeweils keine Neueinstellungen möglich und auch keine neuen Investitionen. Bis ungefähr Mai, wenn dann die Landesdirektion ihre Zustimmung zum Haushalt gibt. Und auch das Argument der fehlenden Haushaltskontrolle übers Jahr will Bonew entkräften, indem er die Berichtszeiträume für die Haushaltsführung verkürzt. “Mein Traum ist ja der Tagesrhythmus”, sagt er.

Was vielleicht gar nicht nötig ist.

Und damit die neu gewählten Stadträte nach dem 25. Mai nicht gleich überfordert sind, will das Finanzdezernat mit einem Bildungsträger zusammen Schulungen zum Haushalt anbieten. Soll man ja nicht denken, aber der ehrenamtliche Job als Stadtrat kostet nicht nur Zeit und Nerven, er zwingt auch zum Lernen.

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