Im Dezember 2011 beauftragte der Stadtrat auf Initiative der FDP-Fraktion den Oberbürgermeister, sich gegenüber dem Freistaat dafür einzusetzen, dass die von Sachsen auszurichtenden zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Einheit im Jahr 2016 nicht in Dresden, sondern in Leipzig stattfinden. Hintergrund war, dass die durch NRW ausgerichteten Feierlichkeiten erstmals nicht in einer Landeshauptstadt stattfanden. 2011 wählte man Bonn als Austragungsort. Am 3. März wollte die FDP-Fraktion nun wissen, was aus ihrem Antrag geworden ist.

Am 23. April antwortete Kulturbürgermeister Michael Faber (Die Linke) schriftlich. Es wird wohl nix. 2012 hatte sich die Stadt Leipzig tatsächlich mit einer Anfrage an die sächsische Landesregierung gewandt und vom Chef der Sächsischen Staatskanzlei Johannes Beermann (CDU) die Auskunft bekommen, “dass es der Stadt Leipzig frei stünde, sich um eine derartige Veranstaltung zu bewerben. Man sähe einer Bewerbung durch eine derartige ‘Symbolstadt’ mit großem Interesse entgegen.”

Man wolle auch einen Anforderungskatalog ausarbeiten. Aber 2013 überlegte es sich die sächsische Landesregierung wieder anders und man teilte Leipzig mit, “dass man nach reiflicher Überlegung am bundesweit üblichen Modus festhalten möchte. Diesem zufolge werden die offiziellen Feiern zum 3. Oktober in der Landeshauptstadt des Bundeslandes durchgeführt, das im jeweiligen Jahr den Vorsitz im Bundesrat inne hat.” Leipzig habe sich also nicht formal beworben, teilt Faber nun mit.

Und er erwähnt in seiner Antwort auch, dass das eigentliche Festdatum in Leipzig traditionell nicht der 3. Oktober ist, sondern der 9. “Im Prozess der Vorbereitung machten viele Beteiligte deutlich, dass für Leipzig die Konzentration der Kräfte auf jenes Datum wichtig sei, das die Leipziger im Prozess der friedlichen Revolution wie kein anderes markiert: der 9. Oktober.”

Aber die FDP-Fraktion sieht nicht ein, warum das so sein soll.

Als “absolut unverständlich” bezeichnete Reik Hesselbarth, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Leipziger Stadtrat, die faktische Einstellung der Bemühungen um die Einheitsfeierlichkeiten im Jahr 2016. Die FDP liest aus Fabers Antwort noch heraus, “dass Dresden selbst die Feierlichkeiten ausrichten wolle.” Doch das steht so nicht drin. Verständlich, dass eine Nachfrage in der Staatskanzlei das so auch nicht bestätigte.
“Wenn die Staatsregierung zögert, ist das noch lange kein Grund die Arbeit einzustellen”, meint Hesselbarth, der seine Fraktion unter anderem im Fachausschuss Kultur vertritt. “Im Gegenteil: Genau dann ist es Zeit, die Ärmel hochzukrempeln und sich mit doppelter Kraft für Leipzig einzusetzen. Dafür wird auch ein Bürgermeister Faber bezahlt.”

“Angesichts des derzeitigen Aufgabenumfangs seines Dezernates kann ich auch keine Überlastung erkennen”, erklärt Hesselbarth mit Blick auf die derzeit noch beim Oberbürgermeister angesiedelte Zuständigkeit für die Eigenbetriebe Kultur, “aber im Kulturdezernat scheint das Verschlafen von Lösungen Methode zu haben. Das Naturkundemuseum dämmert vor sich hin, die Wartelisten in der Musikschule sind weiterhin extrem lang und dem Zoo werden immer neue Aufgaben übergeholfen, was ihn an den Rand seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bringt. Und wenn Bürgermeister Faber mal was Gutes für Leipzig tun könnte, bleibt auch das einfach liegen. Es wird Zeit, dass nicht mehr nach Gründen gesucht wird, warum etwas nicht geht, sondern nach Wegen, es möglich zu machen. Einheitsfeier und Lichtfest lassen sich durchaus kombinieren – bspw. in einer Woche der Freiheit.”

Und erstaunlicherweise findet auch ein Leipziger CDU-Kandidat, dass man den 3. Oktober 2016 in Leipzig feiern solle.

“Der Tag der Deutschen Einheit 2016 muss in Leipzig stattfinden”, erklärt Andreas Nowak, CDU-Direktkandidat zur Landtagswahl am 31. August. “Nachdem der Herr Faber schon unkontrolliert zum Thema Naturkundemuseum rumdilletieren durfte, gefährdet er nun die Austragung des wichtigen und aufmerksamkeitsstarken Nationalfeiertages in unserer Stadt. Dresden war im Jahre 2000 Veranstaltungsort. 26 Jahre nach der Deutschen Einheit wird es höchste Zeit, den Nationalfeiertag in unserer Stadt zu begehen. Anstatt sich als Cheflobbyist für Leipzig zu verstehen, legt der Herr Kulturbürgermeister lieber die Hände in den Schoß und wartet, bis der Einheitsfeiertag im Schlafwagen nach Dresden vergeben wird. Wer seine Ansprüche nicht anmeldet, der wird auch nichts erhalten.”

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Für Nowak ist völlig klar, dass der nächste sächsische Austragungsort Leipzig sein müsse. “Nur weil bisher in fast allen Fällen die jeweilige Landeshauptstadt Austragungsort war, muss das ja nicht bis in alle Ewigkeiten festgeschrieben werden. Nachdem Nordrhein-Westfalen vorgemacht hat, wie man einen historisch wichtigen Ort wie Bonn auswählen kann, ist Leipzig definitiv dran. Ohne die Leipziger Ereignisse im Herbst 1989 wäre die Deutsche Einheit nicht denkbar. Unsere Stadt verdient dieses Fest”, sagt Nowak. Wenn der Kulturbürgermeister es nicht schaffe, müsse der Oberbürgermeister die Bewerbung zur Chefsache machen. “Alles andere wäre völlig absurd. Es gibt einen gültigen Stadtratsbeschluss. Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung diesen mit ganzer Kraft umsetzt und für Leipzig bei der Staatsregierung wirbt. Ich werde mich unabhängig vom Ruhezustand des Kultur- und des Oberbürgermeisters bei der Staatsregierung dafür einsetzen, dass die Einheitsfeierlichkeiten 2016 in Leipzig stattfinden. Ein solches Fest nützt der ganzen Stadt. Es macht Leipzig deutschlandweit bekannter und ist eine echte Werbung für unsere Stadt und den Freistaat Sachsen.”

Wem jetzt nicht einfällt, wo der Tag der Deutschen Einheit 2004, 2005 oder 2006 gefeiert wurde: Das waren damals Erfurt, Potsdam und Kiel. 2000 war’s übrigens auch schon mal Dresden, hübsch eingebettet zwischen Wiesbaden und Mainz. Man sieht: Es ist ein Fest, das man unbedingt auch mal in Leipzig haben muss.

Die komplette Antwort von Michael Faber: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/F586120A59E2932CC1257CC300439C61/$FILE/Antwort_Anfrage_1091.pdf

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