Vor der Kommunalwahl gibt sich die Leipziger NPD betont bürgernah. Fünf NPD-Kandidaten lassen ihre Bewerbungen um ein Stadtratsmandat nach Parteiangaben sogar von Bürgerinitiativen unterstützen. Der Haken: Drei der fünf genannten Gruppierungen existierten bis dato gar nicht, eine weitere, die Bürgerinitiative Gohlis sagt nein zur Moschee lässt damit wohl endgültig die Hüllen fallen.

Alexander Kurth ist sich sicher. Seine Bewerbung wird von der Bürgerinitiative “Gohlis sagt nein” unterstützt. Das ist zumindest auf einem Plakatmotiv zu lesen, das die NPD über “Facebook” verbreitet. Bislang fanden sich noch keine auf der Straße. Politische Schnittmengen zwischen der rechten Partei und der vorrangig im Netz agierenden, islamfeindlichen Initiative sind jedoch längst offenkundig. Beide positionieren sich gegen den Bau der geplanten Moschee in Gohlis, riefen gemeinsam zu Demonstrationen auf und agierten somit bereits zusammen.

Auf schriftliche Nachfrage hin teilt “Gohlis sagt Nein” in gewohnt anonymer Weise mit, die Initiative äußere sich erst am Mittwoch gegenüber der Presse. Dann möchten die Aktivisten OB Burkhard Jung vor der Ratsversammlung im Neuen Rathaus Unterstützerunterschriften überreichen. Eine Distanzierung von der Nutzung ihres Namens auf dem Plakat des NPD-Kandidaten Kurth erfolgt derzeit hingegen nicht.

Daniel Kaempf gibt an, von der “Bürgerinitiative Stötteritz” unterstützt zu werden. Die Bürgerinitiative MR Ost/Südost Stötteritz/Mölkau, so ihr vollständiger Name, engagierte sich ab 1998 für den Bau des Mittleren Rings. Kein klassisches NPD-Thema. Wenngleich ab 2015 wieder aktuell, findet sich dazu keine Silbe im Kommunalwahlprogramm der Leipziger Rechten.

Weil sich auf der Webseite der Bürgerinitiative keine rechtsextremen Inhalte finden, fragte L-IZ.de am Donnerstag schriftlich nach. Und erhielt bis heute keine Auskunft, ob die engagierten Bürger in Alt-Hooligan Daniel Kaempf einen Kommunalpolitiker sehen, der sich demnächst optimal für ihre Interessen einsetzen wird. Sollte dem nicht so sein, könnte der Partei eine Abmahnung drohen – wegen Verwechslungsgefahr.
Drei Kameraden werben mit Bürgerinitiativen aus Schönefeld, Paunsdorf und Grünau. Das Bizarre: Die auf den Plakatmotiven genannten Gruppen sind bisher nirgendwo in Erscheinung getreten. Also handelt es sich bei ihnen entweder um wahltaktisch aufgeblasene schwarze Löcher oder die NPD hat die Vereinigungen über Nacht aus dem Boden gestampft. Was bei “Bürgerinitiativen” kein Problem darstellt- eine Eintragung in Register wie bei Vereinen ist nicht nötig, im Notfall ist eine einzige Person bereits eine Bürgerinitiative und eine anonyme Facebookseite scheint offenbar manchem zu genügen, um als existent zu gelten. Zur Demonstration des Vorgehens hat sich am 12. April 2014 eine neue Bürgerinitiative gegründet. Die Bürgerinitiative “Leipzig freut sich” ist ab sofort auf Facebook für alle Demokraten zu finden. Freuen kann man sich dort über oder auf alles Mögliche. Freudiges Mitmachen ist seitens der Macher dabei ausdrücklich erwünscht.

Alles in allem also seitens der NPD eine offensichtliche PR-Aktion, um Rückhalt in der Bevölkerung zu simulieren.
Zwar gilt der Grundsatz, dass schlechte Presse besser ist als gar keine Presse. Aber in diesem Fall bedeutet schlechte PR zugleich negative Wahlwerbung. Dass der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel am Samstag vollmundig ankündigte, gegen SPD, Linke und CDU rechtliche Schritte einleiten zu wollen, da die drei Parteien in Leipzig ihre Wahlplakate einen Tag zu früh aufgehangen haben, passt in das Bild, das die NPD in der Messestadt produzieren möchte. Der Slogan lautet: Wir gegen alle und Viele stehen hinter uns.

Derzeit dürfte eher das Gegenteil gelten.

Denn längst wirken auch die Landtagswahl am 31. August und die internen Dauerquerelen in der Parteispitze bis nach Leipzig in die Kommunalwahl hinein. Während NPD-Generalsekretär Peter Marx vor einer Woche über einen Peniskuchen auf einer privaten Party im Beisein einer ehemaligen Pornodarstellerin stolperte und zurücktrat, belegen aktuelle Umfragen in Sachsen: Das kleinbürgerliche Protestpotenzial, welches die NPD unter Holger Apfels Kurs der “seriösen Radikalität” noch heftig umwarb, verteilt sich unter dem neuen NPD-Chef Udo Pastörs offenbar zunehmend auf andere Parteien.

Derzeit ist die sächsische NPD laut Prognosen zwischen 1 bis 4 Prozent und somit nicht mehr im kommenden Landtag, dafür könnte die AfD mit derzeit 6 bis 7 Prozent einziehen. Diese hatte bereits bei der Bundestagswahl in Sachsen 6,8 Prozent bei den auf die jeweiligen Parteien entfallenen Zweitstimmen eingefahren, während die NPD 2013 bei 3,3 landete.

Gründe genug also für die NPD auch bei der Stadtratswahl in Leipzig den Versuch zu unternehmen, sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben. Mit allen Mitteln.

Zur Peniskuchenaffäre auf Spiegel Online vom 6. April 2014
www.spiegel.de/politik/deutschland/npd-generalsekretaer-marx-tritt-nach-peniskuchen-affaere-zurueck-a-962626.html

Die Bürgerinitiative “Leipzig freut sich” auf Facebook
www.facebook.com/LeipzigFreutSich

Zum Artikel vom 22. März 2014 auf L-IZ.de
Die NPD und ihre Wahlkämpfer: Verbotene Fotos, Verstöße gegen Bewachungsverordnung, Besichtigung des Ratsplenarsaals

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