Wie heißt es so schön in Schillers "Lied von der Glocke"? - "Drum prüfe wer sich ewig bindet" - mit der kleinen, gern unterschlagenen Fortsetzung "ob sich das Herz zum Herzen findet." 70 Leipziger Stadträte dürften sich derzeit sehr an Schiller erinnert fühlen. In der Ratsversammlung am 16. April sind sie aufgefordert zu beschließen, Leipzig möge ab 2015 einen Doppelhaushalt bekommen.

So etwas, was das Land Sachsen schon hat und was den Landtag aller zwei Jahre zur Untätigkeit zwingt, denn alles, was die Finanzen des Freistaats betrifft, ist ja schon entschieden und festgelegt. Der sächsische Finanzminister nennt es Planungssicherheit. Die sächsischen Kommunen nennen es zumeist anders, denn sie leiden darunter. Ihnen fehlen die Gelder, um kurzfristig gegensteuern zu können. Und wenn der Finanzminister am Jahresende merkt, dass er wieder zu kräftig gespart hat und ein Millionenüberschuss übrig bleibt, dann spielt er Weihnachtsmann. Es nutzt den Kommunen nur nichts, denn ihre Investitionen müssen sie über Jahre planen.

Aber irgendwie ist Leipzigs Verwaltungsspitze überzeugt davon, dass ein Doppelhaushalt auch in Leipzig nottut. Befasst hat sich der Stadtrat mit dem Thema noch nicht. Bislang hat darüber nur die Dienstberatung des OBM gegrübelt – am 28. Januar und am 10. März. Und der Fachausschuss Finanzen hat sich zwei Mal damit beschäftigt: am 24. März und am Montag, 7. April, wieder.

Und am 16. April soll das Vorhaben beschlossen werden: “Die Ratsversammlung beauftragt den Oberbürgermeister zur Aufstellung des Doppelhaushaltes 2015/2016 und beschließt den entsprechenden Terminplan.” Der Terminplan ist umfangreich. Er sieht mehrere Sitzungen des Erweiterten Fachausschusses Finanzen zum Haushalt 2015/16 vor (Ende Mai und Ende September).

Auch eine Bürgerwerkstatt soll es geben. Bürgerbeteiligung wird ja ganz groß geschrieben neuerdings in Leipzig. Aber eher nicht zu prinzipiellen Fragen. Eher etwas später, wenn man sich verwaltungsseitig eine Art Zustimmungsgemurmel der Bürger abholen möchte – also nach der Stadtratsentscheidung am 16. April, irgendwann Mitte Juni steht im Terminplan.

Am 15. Oktober soll dann das erste Paket des Doppelhaushalts-Entwurfes an den Stadtrat übergeben werden (Band II, III, IV), der ausstehende Band I dann am 23. Oktober.
Vom 27. Oktober bis 9. Dezember soll dann die Öffentliche Auslegung des Haushaltsplanentwurfs 2015/16 folgen – in der Stadtkämmerei, im Stadtbüro und im Internet. Die Haushaltsberatungen, die sonst immer schon im Herbst begannen, rutschen dann in den Januar. Mit einer Ausnahme: Die Wirtschaftspläne für die Eigenbetriebe sollen schon im Dezember beschlossen werden.

Und während sich Verwaltung und Stadtrat in den vergangenen Jahren stets bemühten, den Beschluss zum Haushalt schon im Dezember zu schaffen, soll das Doppelpaket jetzt im März 2015 beschlossen werden.

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Wenn man bedenkt, dass sich die Landesdirektion in der Regel ein halbes Jahr Zeit nimmt, um das eh schon umfangreiche Paket zu prüfen, und die Genehmigung für den aktuellen Haushalt meist erst im späten Frühjahr erfolgt, ist ein Ratsbeschluss im März schon gewagt.

Und das Prozedere löst ein Problem nicht, mit dem die ehrenamtlich arbeitenden Leipziger Stadträte seit Einführung der Doppelten Haushaltsführung (Doppik) zu kämpfen haben: Sie finden kaum noch die Zeit, das mehrere 1.000 Seiten dicke Werk durchzuarbeiten. Zumeist widmen sie sich nur noch punktuell jenen Ausgabefeldern, die in ihr spezielles Ressort fallen.

Wirklich steuern können sie da wenig. Und im Herbst 2013, als der Haushalt 2014 beraten wurde, erlebten sie ja ein Novum: Alle Änderungsanträge wurden abgelehnt. Die CDU-Fraktion hatte erst gar keine gestellt. Aber just der CDU-Kreisverband begrüßt den Vorstoß von Finanzbürgermeister Torsten Bonew.

Doch mancher alte Stadtrat wird das “Lied von der Glocke” im Ohr haben. Denn es ist der alte Stadtrat, der jetzt den Beschluss fassen soll. Im Mai wird ein neuer gewählt – und der muss dann umsetzen, was der alte beschlossen hat.

Der Terminplan in der Übersicht:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/2516D15D21607CCAC1257C6D00414D1D/$FILE/V-ds-3573-text.pdf

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