Gescheitert ist der Leipziger Wettbewerb um das Freiheits- und Einheitsdenkmal nicht, weil die Zustimmung der Bürger fehlte oder die Stadtverwaltung keine Lust hatte, die Bürger zu fragen. Gescheitert ist er am Ende, weil Leipzigs Verwaltung dann doch versucht hat, das Ergebnis irgendwie nach "Volkes Meinung" hinzubiegen. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Leipziger wirklich entscheiden zu lassen, findet die Linkspartei.
Schon im März kündigte sie an, ein Bürgerbegehren starten zu wollen. Am Montag, 14. April, hat sie dies dann ganz offiziell getan.
Ziel ist es, einen Bürgerentscheid mit der Fragestellung “Sind Sie dafür, dass in der Stadt Leipzig ein aus Bundes- und Landesmitteln finanziertes Freiheits- und Einheitsdenkmal errichtet wird?” zu initiieren. Eine entsprechende Anzeige hat die Linkspartei am Montag dem Oberbürgermeister übergeben. Um einen solchen Bürgerentscheid durchführen zu können, sind knapp 22.000 Unterschriften notwendig.
Die Leipziger Linke will aktiv um die Unterschriften der Bürgerinnen und Bürger in Verbindung mit dem Wahlkampf zur Kommunal- und Europawahl am 25. Mai werben. Ein Gedanke, der schon mal bei der politischen Konkurrenz für Aufregung sorgt.
“Bislang war es Konsens unter Demokraten, zu denen sich die Linke auch selbst zählt, dass mit der Erinnerung an die Friedliche Revolution kein Wahlkampf gemacht wird. Diesen Konsens hat die Linkspartei verlassen”, findet FDP-Stadtrat René Hobusch. “Die von der Linkspartei jetzt angestrebte Befragung der Bürger hätte viel früher stattfinden müssen. Heute ist sie nur ein Feigenblatt, um das Denkmal zu verhindern, es selbst aber so nicht sagen zu müssen. Das ist beschämend und unanständig.”
Er ist sich sicher: “Die SED-Nachfolger unter Führung eines ehemaligen Stasi-IM wollten das Denkmal nie wirklich. Es jetzt auf diese Art und Weise in den Wahlkampf zu ziehen, gehört sich einfach nicht. Dass für diese schäbige Parteiaktion dann auch noch Kommunikationskanäle der steuerfinanzierten Stadtratsfraktion genutzt werden, setzt dem Ganzen die Krone auf.” Die Stadtratsfraktion der Linkspartei hatte auf die Parteiaktion am Montag um 9.44 Uhr via Facebook aufmerksam gemacht. “Die Linke täte gut daran, die Arbeit von Partei und steuerfinanzierter Fraktion sauber voneinander zu trennen.”
Die Linkspartei hatte schon 2009 einen Bürgerentscheid zum Denkmalbau gefordert. “Eine Chance hat das Denkmal nur, wenn auch die Mehrheit der Leipziger dazu steht”, sagt Sören Pellmann, Vorsitzender der Linksfraktion. “Das war damals unsere Position und ist es auch heute noch. Auch die Standortfrage ist ja nicht wirklich geklärt.”
Bereits jetzt gibt es zahlreiche Orte in Leipzig, die an den Herbst 1989 erinnern, betont die Linke. Diesen bereits heute existierenden Erinnerungspunkten ist vor allem gemein, dass sie sich an authentischen Orten auf die 89er Ereignisse beziehen. Deren historische Bedeutung für den Wandel in der DDR sei unbestritten.Demgegenüber werfe bereits die Idee eines Freiheits- und Einheitsdenkmals auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz mehrere Fragen auf, die sowohl in der Stadtgesellschaft intensiv diskutiert wurden, als auch historische Problemstellungen in sich bergen. Nicht nur umstrittene Vorstellungen der künstlerischen Umsetzung und die fragliche Authentizität des vorgesehenen Platzes würden hierzu zählen, sondern auch die problematische Verknüpfung zweier zwar zusammenhängender, aber keinesfalls identischer historischer Ereignisse bzw. Prozesse.
So hatte es ja auch die Bürgerumfrage zum Freiheits- und Einheitsdenkmal ergeben: Hauptaussage sollte die Friedliche Revolution sein – mit den Aspekten 9. Oktober und Zivilcourage. Erst unter “ferner liefen” kam die deutsche Einheit – noch vor dem Spruch “Keine Gewalt”, der nun im Wettbewerb am Ende aus Verwaltungssicht sogar favorisiert wurde.
Da fühlte sich nicht nur die Linke im falschen Film. Und kommentiert diese Verbiegung des Wettbewerbs so: “Es besteht die Gefahr, dass die brisanteren 89er Umbrüche auf dem Weg zur deutschen Einheit im Oktober 1990 sehr einseitig betrachtet werden könnten. Dies würde sie historisch auf ein Ergebnis hin kanalisieren und nicht wenigen Leipzigerinnen und Leipzigern, viele davon Zeitzeugen, die Identifikationen mit einem derartigen Erinnerungsort erschweren.”
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Die emotionale Distanz zu einem solchen Vorhaben vergrößere sich, wenn der Ruf nach einem Denkmal nicht breit genug getragen werde, stellt die Linke fest. Solle das Vorhaben Identität und historisches Wissen vermitteln, so müsse das Denkmal von der Bevölkerung akzeptiert werden und das Konzept räumlich wie historisch stimmig sein.
Als Vertrauensperson und ihre Stellvertreterin wurden die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion im Stadtrat Dr. Skadi Jennicke sowie Dr. Roland Wötzel vom Stadtparteitag am 22. März benannt. Dr. Roland Wötzel gehört zu den so genannten Leipziger Sechs. Der SED-Reformer rief gemeinsam mit Kurt Masur im Oktober 1989 zu Gewaltfreiheit auf, betont die Linke. Zu den Leipziger Sechs gehörten neben den drei SED-Funktionären Wötzel, Meyer und Pommert der Kabarettist Bernd-Lutz Lange, Gewandhauskapellmeister Kurt Masur und der Theologe Dr. Peter Zimmermann.
Wenn das erforderliche Quorum erreicht wird, so die Linke, soll der Bürgerentscheid in Verbindung mit der Landtagswahl am 31. August dieses Jahres stattfinden.
Zur Bürgerumfrage von 2011: www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/unsere-stadt/leipziger-freiheits-und-einheitsdenkmal/werkstattphase-2011/buergerumfrage/
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