Juristische Fingerhakeleien um die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens "Privatisierungsbremse" gab es schon vor der Stadtratsentscheidung am 22. Januar dieses Jahres, in der die Stadtratsmehrheit das Begehren ablehnte. Der Jurist Thomas Walter, einer der drei Initiatoren des Begehrens, hat in der vergangenen Woche Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt - und alle Mitunterzeichner aufgerufen, das ebenfalls zu tun. Geht nicht, hieß es danach aus dem Rathaus.
Eine Widerspruchs- bzw. anschließende Klagebefugnis des einzelnen Unterzeichners bestehe nicht, vermeldete die Verwaltung. Das stünde laut Paragraph 25 der Sächsischen Gemeindeordnung nur den drei Vertretern zu, “die gesetzlich ermächtigt (sind), Mitteilungen und Entscheidungen der Gemeinde entgegenzunehmen und Erklärungen abzugeben”.
Dem widerspricht vehement der Leipziger Jurist und Mitinitiator des Bürgerbegehrens, Thomas Walter. Er legte die juristischen Fachbelege vor, wonach Rechtsprechung und Kommentarliteratur zweifelsfrei jedem unterzeichnenden Bürger das Recht einräumen, aus eigenem Recht gegen die Ablehnung des Bürgerbegehrens vorzugehen.
“Es ist daher falsch, die Gemeindeordnung so auszulegen, dass alle Rechte nur bei den drei Vertretern liegen sollen”, sagt Walter. “Es war vom Gesetzgeber auch nicht gewollt, dass Tausenden Unterzeichnern des Bürgerbegehrens das Prozess- und Kostenrisiko auferlegt werden soll, wenn die angeblich so weitgehend befugten Vertreter gerichtlich dagegen vorgehen. Daher bedarf es einer gesonderten Widerspruchs- und Klageentscheidung eines jeden unterzeichnenden Bürgers. Die Einlegung eines Rechtsmittels muss deshalb in der persönlichen Verantwortung eines jeden Bürgers bleiben. Mit der ordnungsgemäßen Einreichung des Begehrens bei der Stadt enden die Befugnisse der Vertreter.”Dies ergebe sich aus der Gesetzessystematik, betont er. Allerdings gebe es zum Umfang der Vertreterbefugnisse wegen einer Klagebefugnis für Alle keine eindeutige Rechtsprechung und Literatur, fügt Walter hinzu, was aber das Recht eines jeden Einzelnen zur Klage auch nicht beschneiden könne.
“Die Stadtverwaltung setzt damit nur die Politik fort, die Rechte des Bürgers unzulässig zu beschneiden, und beweist, dass alle ihre Anstrengungen nur darauf gerichtet sind, in Gutsherrenart über das Vermögen der Stadt ohne Zustimmung des Bürgers zu verfügen”, so Walter in einer Stellungnahme.
Durch falsche Rechtsbehauptungen, die nicht nur fahrlässig seien, werde hier der Bürger verkohlt. Einmal mehr beweise unsere Stadtregierung, wie wenig sie auf Bürgerbeteiligung Wert legt. “Alle Erklärungen der Vergangenheit hierzu sind nur als offenkundige Lippenbekenntnisse entlarvt. Damit wird die Politikerverdrossenheit in diesem Lande weiter geschürt”, kritisiert er. Zudem versuche die Verwaltung, für die Zukunft jedem Bürger Angst zu machen, sich an Bürgerbegehren zu beteiligen, weil er – in Konsequenz der Verwaltungsauffassung – damit rechnen müsse, in die Kostenhaftung bei Rechtsmitteln zu gelangen. Dieser zielgerichteten Unterdrückung des Bürgers müsse endlich Einhalt geboten werden.
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Nur zur Erinnerung: Das Bürgerbegehren zur “Privatisierungsbremse” wurde gestartet, damit für die Veräußerung städtischen Besitztums im Leipziger Stadtrat künftig eine Zweidrittel-Mehrheit gilt und auch wichtige kommunale Güter nicht mehr nur mit einfacher Mehrheit zum Verkauf beschlossen werden können. Der Fragetext im Begehren, das von 26.000 Leipzigern unterschrieben wurde: “Sind Sie dafür, dass die ganze oder teilweise Veräußerung von Immobilien, Kulturgütern, öffentlichen Einrichtungen, Eigenbetrieben der Stadt Leipzig oder Unternehmen, an denen die Stadt Leipzig unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, zu unterbleiben hat, es sei denn, der Stadtrat beschließt eine Veräußerung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln aller Ratsmitglieder?”
Als Erfahrung steht dahinter die Entscheidung des Leipziger Stadtrates zum Teilverkauf der Leipziger Stadtwerke im Dezember 2007, die durch einen Bürgerentscheid im Januar 2008 unterbunden wurde. Damals äußerten sich 87,4 Prozent der teilnehmenden Stimmberechtigten gegen einen solchen Verkauf, mit dem die angeschlagene Stadtholding LVV saniert werden sollte. Die Sanierungspläne waren damit nicht vom Tisch und wurden dann 2012 mit dem Verkauf der Stadtwerke-Töchter HL komm und Perdata in anderer Form doch noch umgesetzt.
Die Zwänge aber, die mittlerweile auf dem Leipziger Haushalt liegen, sind so groß, dass viele Leipziger fürchten, dass künftig wieder wichtige Leipziger Besitztümer verkauft werden, um Haushaltslöcher zu stopfen.
Zur Initiative “Privatisierungsbremse”: http://privatisierungsbremse.wordpress.com
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