Da muss es nicht einmal um Schiffbarkeit im Neuseenland, freie Fahrt für Motorboote oder einen millionenteuren Ausbau des Elster-Saale-Kanals gehen. Zu oft fühlten sich die Bundesbürger in den letzten Jahren über den Tisch gezogen, wenn Politiker mit ihren Steuergeldern sinnlose Prestigeprojekte durchdrückten. Irgendwie mit dem Feigenblatt "Bürgerbeteiligung". Aber der Glaube an die Redlichkeit der Verantwortlichen schmilzt, zeigt eine neue Erhebung aus Leipzig.
Knapp drei Viertel der Deutschen zweifeln an der Wahrhaftigkeit der Bemühungen von Politikern und Unternehmen, durch mehr Bürgerbeteiligung die Akzeptanz von Projekten zu erhöhen.
“Das sind meistens nur Lippenbekenntnisse”, sagten 72 Prozent der Befragten in der neuen Studie zur Akzeptanzforschung, die von der Leipziger Unternehmensberatung Hitschfeld Büro für strategische Beratung am Dienstag, 25. Februar, veröffentlicht wurde. Demnach waren lediglich 28 Prozent der Deutschen der Meinung, dass solche Bekenntnisse “den echten Willen zeigen, die Bürgerinnen und Bürger an schwierigen Entscheidungen zu beteiligen”.
Tatsächlich hatte die Agentur noch ein wenig frecher gefragt: “Spätestens seit Stuttgart 21 reden viele Politiker und Manager von ‘Akzeptanz durch mehr Bürgerbeteiligung’. Was steckt Ihrer Meinung nach dahinter?”
Darauf sagten denn 72 Prozent: “Das sind meistens nur Lippenbekenntnisse.”
“Dieses tiefe Misstrauen zeugt davon, dass die bisherigen Bemühungen von Politik, Wirtschaft und Verwaltung um mehr Akzeptanz von der Öffentlichkeit nicht goutiert werden”, erklärt Geschäftsführer Uwe Hitschfeld. Wer Akzeptanz lediglich als ,Organisation von Zustimmung’ verstehe, greife zu kurz. “Bürgerbeteiligung darf nicht nur ein Hebel sein, um Projekte schneller durchzusetzen. Dies wird von den Betroffenen schnell entlarvt werden. Gerade im Hinblick auf die massiven Proteste, zum Beispiel gegen den Stromleitungsausbau, müssen sich Projektverantwortliche dieser Tatsache umso bewusster sein.”
Wobei auch da die politische Wirklichkeit noch komplexer ist, denn selbst Regierungschefs in Deutschland predigen öffentlich das Gegenteil dessen, was ihre eigenen Minister als notwendig sehen. Erst am 25. Februar berichtete die “Süddeutsche” über das Foulspiel des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), der gegen Stromtrassen durch Bayern polemisiert, während sein eigenes Wirtschaftsministerium diese Stromtrassen fordert.
Es ist nicht nur Bürgerbeteiligung, die fehlt, sondern die zum Teil öffentliche Verdrehung von Fakten durch Politiker, die in einem Zeitalter des zunehmend informierten Bürgers immer mehr als faules Spiel durchschaut wird. Durch solche Aktionen diskreditieren Politiker sich selbst – und damit leider auch die Demokratie, die sie an die Macht gebracht hat.
Wer im Zeitalter des Internet noch immer glaubt, er könne derart agieren, hat nicht wirklich begriffen, was eine Informationsgesellschaft ist und wie sie funktioniert. Auch wenn der Wahlbürger oft in widerstreitenden Informationen zu ertrinken droht. Wo er sich sogar falsch informiert oder getäuscht fühlt, wird er zunehmend misstrauischer. Und das trifft auch auf Sachsen zu, denn der bayerische Vorstoß wird vom sächsischen Wirtschaftsminister Sven Morlok mitgetragen, der damit die klientelorientierte Anti-Windkraft-Politik der sächsischen FDP fortsetzt.
Ein weiteres, noch deutlicheres Ergebnis liefert die Studie bei der Frage nach dem Einfluss von Informationen auf die Projektakzeptanz: 90 Prozent der Befragten stimmten dem Statement “Es ist gut für die Akzeptanz, wenn die Bürger auch bei schwierigen und komplizierten Projekten rechtzeitig und umfassend informiert werden.” zu. Uwe Hitschfeld: “Eine frühzeitige und umfassende Projektkommunikation ist der Schlüssel zur Vermittlung komplexer Projekte und somit die Grundlage für die Schaffung von Vertrauen und der Erringung von Akzeptanz.”
Aber dann wird es auch im Hause Hitschfeld schwierig. Denn wie kann man so eine umfassende Information sicherstellen? Hängt es nur am Medium?
Bei der Vermittlung von Informationen und Partizipation bedienen sich Projektverantwortliche zunehmend der Online-Medien und webbasierter Lösungen, wie E-Mail-Newsletter, Projekt-Webpräsenzen und Partizipationstools.
88 Prozent der Befragten halten es förderlich für die Akzeptanz, “wenn die Informationen zu einem Projekt über möglichst viele Medien und Wege – also nicht nur über das Internet – verfügbar wären”. Dies deckt sich mit früheren Beobachtungen von Uwe Hitschfeld: “Unser Büro hat bei der begleitenden Forschung zu Großprojekten bereits mehrfach festgestellt, dass das Internet – das schließt die sozialen Netzwerken ein – ein wichtiger Kommunikationskanal ist, aber nicht die Nummer eins bei der Informationsvermittlung sein darf. Vielmehr kommt es auf einen breit angelegten Instrumentenmix an.”
Das Informationsmedium Nr. 1, das das Internet nun einmal ist, muss um weitere Medien und Kanäle ergänzt werden – Bürgerinformationsveranstaltungen zum Beispiel.
Dass die Haltung der Befragten vom Alter abhängt, zeigt dann die genauere Statistik: Bei den unter 35-Jährigen sind es 35 Prozent, die allein das Internet nicht als ausreichend empfinden. Der Prozentsatz steigt bei den 45- bis 60-Jährigen auf 63 Prozent. Was auch zeigt, wie wenig auch die Projektträger bislang in der Lage sind, Informationen im Internet auch so barrierefrei darzustellen, dass sie allen leicht zugängig sind.
Das ist ein eigenes Thema.
Das auch mit dem Absender zu tun hat. Wer ist denn wirklich derjenige, der objektiv über ein Projekt berichten kann?
Eine wichtige Rolle bei der Informationsvermittlung kommt also dem Absender zu. Wer ist in der Pflicht, Informationen zu liefern?
Etwa 60 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass “in erster Linie die Politik und Verwaltung und nicht die Unternehmen und Projektträger über solche Projekte informieren” sollen.
“Wohin Versäumnisse in diesem Zusammenhang führen können, zeigen die jüngsten Proteste gegen den Leitungsausbau in Bayern. Hier hatten Bürgermeister, Gemeindeverwaltungen, Lokal- und Landespolitik trotz Kenntnis des Vorhabens vielerorts die Informationen nicht in ausreichendem Maße öffentlich gemacht”, betont Uwe Hitschfeld. Aber trotzdem taten sie es umfassender als nun der bayerische Ministerpräsident und der sächsische Wirtschaftsminister, die nun das wichtige Energiewende-Projekt massiv torpedieren, obwohl selbst in Bayern nur 12 Prozent der Einwohner gegen die Stromtrassen sind. Es kocht also wieder einmal jeder sein Klientel-Süppchen.
Da fühlen sich die Bürger zu recht veralbert.
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Umfassende Information über verschiedene Kommunikationskanäle ist unerlässlich, betont das Büro Hitschfeld. Doch dies allein reicht offenbar nicht aus. Nach Meinung von rund 80 Prozent der Befragten ist es gut für die Akzeptanz, “wenn die Bürger nicht nur informiert werden, sondern auch über die Planung und Umsetzung von Projekten mitentscheiden können.” Etwa den gleichen Zuspruch findet das Statement in der Studie, dass es gut für die Akzeptanz wäre, “wenn es mehr direkte Demokratie, zum Beispiel mehr Bürgerentscheide, gäbe”.
Uwe Hitschfeld: “Dies zeigt uns, dass die Menschen nicht nur über ein Projekt informiert sein und über seine Umsetzung mitbestimmen wollen – das ,Wie’. Häufig geht es um viel mehr, nämlich die Diskussion um die generelle Notwendigkeit von Projekten – das ,Ob’. Daraus resultiert das Erfordernis, dass Politik, Wirtschaft und Verwaltung Vorhaben mehr als heute in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext diskutieren müssen. Wir müssen in Deutschland davon abkommen, anhand von Einzelfällen das ,große Ganze’ erklären zu wollen.”
Die Studie ist abrufbar auf: www.hitschfeld.de
Direkt zur Auswertung: www.hitschfeld.de/htdocs/down/Studie_Akzeptanz_2014_2.pdf
Die “Süddeutsche” zum Maskenball des bayerischen Ministerpräsidenten: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/energiewende-seehofers-regierung-verstrickt-sich-in-widersprueche-1.1897477
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