Zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution sollte zwar der Grundstein gelegt werden zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal. Aber dazu wird es wohl nicht kommen, nachdem am Wettbewerb für das Denkmal so denkwürdig herumgebastelt wurde. Am 4. Februar gab das Oberlandesgericht den klagenden Wettbewerbssiegern M+M/ANNABAU in wesentlichen Teilen ihrer Klage Recht. Das endgültige Urteil wird am Dienstag, 25. Februar, erwartet.

Schon am 7. Februar aber stellte die Leipziger CDU-Fraktion eine ganze Reihe Fragen an die Leipziger Stadtverwaltung. Am 12. Februar gab’s die Antworten mündlich im Stadtrat – mit Hinweis auf die noch ausstehende Verkündung am 25. Februar. Aber jetzt gibt es auch die schriftliche Version. Mit ein paar hübschen Auslassungen und Eventualitäten. Für alle Liebhaber des feinen Stils hier zum Nachlesen:

Thema: Wie geht es weiter mit dem Freiheits- und Einheitsdenkmal?

1. Frage: Der vom Gericht kritisierte undurchsichtige Umgang mit den drei preisgekrönten Entwürfen zeigt, dass es für die Überarbeitungsphase eines transparenten Verfahrens und klarer Überarbeitungskriterien bedarf. Diese Kriterien sind vom Rat zu beschließen. Beabsichtigt die Stadtverwaltung, in diesem Sinne klare Überarbeitungskriterien zu erarbeiten und in den Rat einzubringen? Wenn ja: bis wann wird dies erfolgen? Wenn nein: warum nicht? Welche Zeitschiene gilt, nach dem Stillstand der letzten Monate, nunmehr generell für das weitere Verfahren von Überarbeitung über Zuschlagerteilung bis zur Realisierung?

Antwort: Zunächst einmal muss ich klarstellen, dass das Urteil des Vergabesenats des Oberlandesgerichtes Dresden zur mündlichen Verhandlung vom 04.02.2014 noch nicht vorliegt. Das Gericht hat einen Verkündungstermin für die Entscheidung auf den 25.02.2014 festgesetzt. Alle Medienberichterstattungen sind lediglich Interpretationen von vor Gericht Gehörtem.

Über den weiteren Umgang mit der Weiterentwicklungsphase kann erst nach Vorliegen des Urteils entschieden werden. Zur Erläuterung des bisherigen Verfahrens: Die Vorgaben zur Weiterentwicklung der Entwürfe wurden in einem sogenannten Pflichtenheft zusammengestellt. Das Pflichtenheft wurde den drei Preisträgern rechtzeitig vor Beginn der Weiterentwicklungsphase übermittelt und ihnen gegenüber erörtert. Die gestellten pflichtig umzusetzenden Aufgaben leiten sich aus den Vorgaben der Jury vom Juli 2012 ab. Darüber hinaus wurden Hinweise aus der Öffentlichkeitsbeteiligung (Gästebuch der Ausstellung der Entwürfe, Meinungen aus dem Onlinedialog, Veranstaltung mit Jugendlichen) übermittelt, deren Umsetzung freiwillig ist.

Die Stadt Leipzig geht davon aus, dass für den Fall der Wiederholung der Bewertung der weiterentwickelten Entwürfe das Pflichtenheft weiter Bestand hat. Die Aufgaben lassen sich nur aus dem bisherigen Verfahren ableiten. Es können keine neuen Aufgaben entwickelt werden. Neu und von dem Bewertungsgremium, das aus den Reihen der Jury des Wettbewerbs zu bilden ist, festzulegen, wäre die Bewertungsmatrix. Aber auch hierfür müssen die schriftlichen Ausführungen des OLG abgewartet werden.

Sobald die rechtlichen Auseinandersetzungen abgeschlossen sind, kann zum weiteren Verfahren die Abstimmung mit dem Bund und dem Freistaat Sachsen erfolgen. Wird an dem Verfahren festgehalten, muss als nächstes der Stadtrat die Verwaltung mit der Aufnahme des Verhandlungsverfahrens mit den drei Preisträgern beauftragen. Die notwendige Vorlage ist im Entwurf erstellt und kann entsprechend dem aktuellen Stand jederzeit angepasst werden.

Das Verkehrs- und Tiefbauamt schätzt zurzeit vom Beginn der Entwurfs- und Genehmigungsplanung bis zur Realisierung 36 Monate inklusive einer angenommenen einjährigen Bauzeit.
2. Frage: Der bisherige Umgang der Verwaltung mit dem Thema Freiheits- und Einheitsdenkmal erweckte zunehmend den Eindruck, der Verwaltung gehe es weniger um das Denkmal an sich, sondern vor allem um Fördermittel für eine nach Fertigstellung des City-Tunnels ohnehin notwendig werdende Platzgestaltung. Die Mittel von Bund und Land sind aber bekanntlich nicht zur Gestaltung einer innerstädtischen Brachfläche gedacht. Wie wird in den notwendigen Überarbeitungskriterien klargestellt und abgesichert, dass die Wettbewerbsaufgabe ein als solches wahrnehmbares Denkmal zu Ehren eines historischen Ereignisses ist, und eben keine Platzgestaltung? Wie wird in diesem Sinne die räumliche Einordnung überarbeitet?

Antwort: Hier noch einmal: Die Wettbewerbsaufgabe wurde in der Auslobung beschrieben. Sie kann innerhalb des Verfahrens nicht verändert werden. In dem Pflichtenheft wurden allgemeine, für alle Entwürfe bindende Anforderungen u.a. wie folgt vorgegeben: Eindeutige Definition/Abgrenzung der Einbindung des Denkmals in den umgebenden öffentlichen Raum und Sicherstellung dessen Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit im Stadtraum; Verkehrssicherheit/ungehinderte Platzquerung (Fußgänger, Radfahrer, behinderte) sowie Barrierefreiheit sind zu gewährleisten; Nachhaltigkeit und Vandalismusresistenz.

Aber lassen Sie mich noch einmal an die Standortfindung erinnern.

Der Wilhelm-Leuschner-Platz fand seinerzeit Akzeptanz, da er für das Kunstwerk als einziger die Möglichkeit bietet, dass es sich voll entfalten kann. Vor allem von den Vertretern der Bürgerbewegung war stets daran erinnert worden, dass sich in den Tagen der Friedlichen Revolution das Volk den öffentlichen Raum zurück erobert hat. Das sollte sich auch in dem Denkmal widerspiegeln.

3. Frage: In Verbindung mit der räumlichen Einordnung steht die Frage des Ankaufes privater Grundstücke, die aufgrund der bisherigen Dimensionierung der in Rede stehenden Entwürfe notwendig sein könnte. Die Stadt hat jedoch auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz hinreichend eigene Grundstücke, so dass Ankäufe privater Flächen unnötig und auch öffentlich nicht vermittelbar sind. Außerdem bedeuten Ankäufe weitere zeitliche Verzögerungen. Wie wird mit der Überarbeitung der räumlichen Einordnung gewährleistet, dass dieses Denkmal allein auf städtischen, und damit auch sofort zur Verfügung stehenden Flächen errichtet wird?

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Antwort: Seit der Auslobung gilt folgende Vorgabe, die in dem Pflichtenheft erneut hervorgehoben wurde: “Private Flächen dürfen nicht in Anspruch genommen werden bzw. das Denkmal muss auch ohne Inanspruchnahme der privaten Flächen seine Wirkung vollständig entfalten.”

4. Frage: Das Gerichtsurteil zeigt eindeutig, dass der bisher federführende Kulturbürgermeister mit dieser politisch sensiblen Aufgabe überfordert ist. Welche Konsequenzen zieht der Oberbürgermeister aus dieser offensichtlichen Überforderung? Wird er das weitere Verfahren zum Freiheits- und Einheitsdenkmal selbst in die Hand nehmen (vergleichbar der Zuständigkeitsregelung für die Eigenbetriebe Kultur)?

Antwort: Sie können sicher sein, dass in dem bisherigen Verfahren der Oberbürgermeister nicht nur über jeden wesentlichen Verfahrensschritt informiert wurde sondern dass er auch jeweils darüber die Entscheidung traf und trifft. Er muss nicht übernehmen, ich muss nichts abgeben. Wir arbeiten als Team. Außerdem wird ständig das Einvernehmen mit dem Bund und dem Freistaat Sachsen hergestellt. Wegen der komplizierten Materie wird seit Ende 2012, ebenfalls im Einvernehmen mit dem Bund und dem Freistaat Sachsen, zur Klärung besonderer Fragestellungen eine Rechtsberatung in Anspruch genommen, deren Kosten zu 100 % gefördert werden.

5. Frage: Nach der bisherigen Vorgeschichte lässt es sich nicht mehr ausschließen, dass das jetzige Vergabeverfahren mit den 3 Siegerentwürfen zugunsten eines kompletten Neustarts abgebrochen wird, ähnlich wie dies auch in Berlin erfolgte. Wie hoch wären in einem solchen Fall die Kosten, die auf die Stadt zukämen? Würden die Bundes- und Landesmittel auch für ein völlig neues Wettbewerbsverfahren (ähnlich wie in Berlin) zur Verfügung stehen?

Antwort: Die mit dem Bund abgeschlossene Finanzierungsvereinbarung sieht vor, dass die Stadt Leipzig bei Abbruch des Verfahrens bis dahin ausgegebene Fördermittel zurückzahlen muss. Zurzeit wären das ca. 450 T?. Schadenersatzforderungen der Preisträger wegen Nichtrealisierung wären ebenfalls von der Stadt Leipzig zu zahlen. Dabei ist von einem 6-stelligen Betrag auszugehen.

Inwieweit der Bund von den getroffenen Vereinbarungen abgeht, kann nur mit der neuen Staatsministerin für Kultur und Medien, Frau Grütters, besprochen werden. Auch der Freistaat Sachsen ist einzubeziehen.

Die Leipziger Situation lässt sich allerdings mit der Berliner nicht vergleichen. Die in Berlin im ersten Wettbewerb praktizierte offene Ausschreibung, die sich an die gesamte Öffentlichkeit richtete, erfolgte in Leipzig nicht. Wir haben ein zweistufiges Verfahren mit einer weltweiten Bekanntmachung und einer Aufforderung zur Entwurfsabgabe nach einem Auswahlverfahren durchgeführt.

Die knapp 10-minütige Stadtratsrede von Bürgermeister Michael Faber am 12. Februar 2014 in unserer Mediathek: www.l-iz.de/Mediathek/Audios/2014/02/Audio-Stadtrat-Freiheits-und-Einheitsdenkmal-53857.html

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