Für Frederik Grüneberg ist es eine rasante Fahrt mitten hinein in die lokale Politik. Mit 21 Jahren widerspricht wirklich alles an ihm dem Urteil der Alten, die Jungen interessierten sich nicht mehr für Politik. Bei der Gründungsveranstaltung des "Bündnis Leipzig" bereits engagierter Versammlungsleiter, ist der Leipziger Politikwissenschaft-Student weiter auf Wahlkurs Richtung Stadtrat. Unfallfrei ist das bei Neugründungen nicht möglich. Grüneberg zum weiteren Weg und den Möglichkeiten des "Bündnis Leipzig" im L-IZ-Interview.

Maren Müller war eines der Gründungsmitglieder des “Bündnis Leipzig”, sah die Möglichkeit einer übergreifenden Bürgerplattform nicht mehr und tritt nun für die Piraten zur Stadtratswahl am 25. Mai an. Wie geht es beim Bündnis Leipzig weiter und wie seht Ihr die Entscheidung und Gründe von Maren Müller?

Das “Bündnis Leipzig” hat für den 26. Februar 2014 zu einer Kandidatenaufstellung um 18:00 Uhr im Volkshaus Leipzig (Karl-Liebknecht-Str. 30) eingeladen. Diese wird auf jeden Fall stattfinden. Jede Bürgerin und jeder Bürger Leipzig hat es somit noch selbst in der Hand, ob das “Bündnis Leipzig” eine Liste mit mindestens einer Kandidatin bzw. einem Kandidaten pro Wahlkreis aufstellen kann. Sie haben damit noch die direkte Möglichkeit an dieser überparteilichen Bürgerplattform teilzunehmen.

Wir werden diese Versammlung abwarten, ob der angestrebte Politikwechsel im Stadtrat durch unser unabhängiges “Bündnis” möglich ist oder ob wir unsere Ideen und Kandidaten in andere Wahllisten einbringen werden. Die Entscheidung von Maren Müller nicht unsere Kandidatenaufstellung abzuwarten und lieber jetzt schon mit all ihrer Energie sich um ihre Kandidatur zu kümmern, ist ihr persönlicher Entschluss, den wir respektieren werden, aber nicht begrüßen.

Ohne Absprache so einen Schritt zu machen und das als bisher tatkräftige Unterstützerin im Organisationsteam und als mögliche Kandidatin ist ein harter Schlag für das “Bündnis”, insbesondere weil die Piraten einen gemeinsamen Wahlvorschlag mit anderen Wählergruppen schon 2013 ausgeschlossen haben, somit scheinbar kein möglicher Kooperationspartner sind.

Es gab ein paar, aufgrund des Zeitdrucks verstehbare, Startschwierigkeiten bei der neuen Wahlalternative, welche Personen unterstützen Euch derzeit konkret, wer bereitet im Organisationsteam die kommenden Schritte vor?

Das “Bündnis” hat in den letzten Wochen einen sehr schwierigen Prozess durchgemacht. Am 29. Januar waren durch viele ehemalige oder aktuelle Parteianhängern, die die meisten Redeanteile hatten, es schwierig genug geworden, die formelle Gründung des Bündnisses zu schaffen. Wir verschoben also die Diskussion über unsere Inhalte auf den 12. Februar und planten bis dahin mit den Piraten, mit dem “Neuen Forum” und der WVL zu reden.

Es bildete sich ein Organisationskreis, der zurzeit aus Jan Nitzschmann, Sandra Schenck, Ralf Kohl und mir besteht. Leider fand nur ein Gespräch mit der WVL statt, das einen gemeinsamen Wahlvorschlag eher kritisch gegenüber steht, aber mögliche Kooperationen in Themen und im Stadtrat nicht abgeneigt sind. Auf dem Treffen am 12. Februar, das weit weniger Teilnehmer hatte als das erste Treffen, wurde schnell klar, dass die ursprüngliche Idee ein breites “Bündnis” zu schaffen, das auch kommunalpolitisch-interessierten und parteiunabhängigen Bürgerinnen und Bürger eine Möglichkeit zur Kandidatur und zu kontinuierlicher Mitarbeit bietet, nicht mehr durchzuhalten war.

Von den Unterstützern des Aufrufs zum “Bündnis” sind nur noch Sandra Schenck und ich übrig geblieben. Wir haben im Organisationsteam beschlossen, dass wir uns bis zum 26. Februar noch einmal mit Vertretern des “Neuen Forums” und der “WVL” treffen wollen, um mögliche Kandidaturen unserer Kandidatinnen und Kandidaten auf ihren Listen zu ermöglichen, falls eine eigene Listenaufstellung scheitern sollte. Wir sahen uns als “Bündnis Leipzig” nie als ein Ersatz des Neuen Forums und der WVL, sondern als Ergänzung dieser lokal verwurzelten Wählervereinigungen, damit wir eine eigene Fraktion im Stadtrat bilden können.
Ist die Idee des Verbundes mit WVL und Neuem Forum wirklich noch realisierbar oder stellt das Bündnis Leipzig nun eine ganz eigene Wahlliste auf?

Das “Bündnis Leipzig” bietet durch seinen bisher nicht mitgliedschaftlichen Organisationsstatus Vor- und Nachteile, die wir nun auch eingestehen müssen. Außerdem ist die sehr spontane unter Zeitdruck innerliche und äußerliche Strukturierung des “Bündnis” sehr schwierig. Unser zutiefst basisdemokratisches Verständnis lässt aber noch offen wie viele Teilnehmer die Kandidatenaufstellung am 26. Februar haben wird und wie viele potentielle Kandidaten es gibt.

Unser derzeitiger Kandidatenstand lässt aber eher die Gedanken zu, dass wir uns den offenen Listen der “WVL” oder des “Neuen Forums” anschließen werden. Dafür sind aber Gespräche mit diesen beiden Wählervereinigungen zu führen. Dieses wird das Organisationsteam übernehmen.

Ein weiterer Grund – neben dem Parteibeschluss der Piraten schon 2013 in Leipzig mit einer eigenen Wahlliste anzutreten – sich mit den Piraten Leipzig nicht einig zu werden, soll auch ein neues Mitglied Eures Bündnisses sein, welches früher einmal bei den Piraten gewesen ist. Was wisst Ihr über dieses Verhältnis?

Dieses neue Mitglied Dr. Thomas Walter ist natürlich eine Veränderung in unserer bisherigen Bündnis-Ausrichtung. Er steht aber bisher nur als einer der möglichen Kandidaten auf unserer Liste. Er ist auch kein Mitglied unseres Organisationsteam. Er kann sich wie jeder am 26. Februar dem Votum der anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern stellen, da wir eine offene Liste sind, die aber einen Verhaltenskodex sich gegeben hat.

Dass leider aber keine offenen Gespräche unseres Organisationsteam mit dem Kreisverband der Piraten stattfinden konnten, konnten wir auch nicht über eine mögliche Kooperation reden. Die Piraten haben nun am Wochenende ihre Liste aufgestellt und werden sie diese Woche auch einreichen, da sie als neu angetretene Partei auch die 240 Unterstützungsunterschriften sammeln müssen. Dass nun aber von unserer Seite eine Initiatorin zu den Piraten wechselt, ist natürlich auch in diesem Zusammenhang ein klares Statement, dass sie mit der bisherigen Kandidatenfindung und inhaltlichen Aufstellung unzufrieden ist.

Die Chance einer überparteilichen Plattform ist aber, dass auch Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und Ansätze sich unter einem Konsens zusammenfinden. Unser Konsens ist die basisdemokratische Ausrichtung, dass wir für wertschätzende Toleranz und offenes Miteinander stehen und dass sich allen Leipziger Bürgerinnen und Bürgern auch in der Legislaturperiode noch die direkte Möglichkeit bietet den Stadtrat darüber in Kenntnis zu setzten, wie die Mehrheit der Stadtbevölkerung zu einer bestimmten Entscheidung steht.

Das Fachwort dafür heißt Liquid Feedback und ist auch ein Bestandteil unseres “Verhaltenskodex”.
Wenn heute jemand zum Bündnis Leipzig kommt und fragt “Was wollt Ihr konkret” – wie lautet die Antwort?

Das “Bündnis Leipzig” steht für konsequente Bürgerbeteiligung. Das bedeutet schon in der Aufstellung unserer Kandidaten und Inhalte können sich alle Leipzigerinnen und Leipziger beteiligen. Es steht außerdem für einen Politikwechsel im Leipziger Stadtrat, wir sind nicht Parteidoktrinen oder ministerialen Direktiven unterworfen und werden die Bürgerinnen und Bürger in unsere Entscheidungsfindung einbeziehen. Die Umsetzung des Konzepts der Bürgerwerkstätten werden wir genauso wie eine höhere Anzahl an Bürgerentscheiden vorantreiben.

Gerade die Entscheidung zum Bürgerbegehren zur “Privatisierungsbremse” war nicht nur für mich die Initialzündung noch stärker in dieser Stadt aktiv zu werden. Direkte Demokratie über diese wichtigen Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens muss es geben! Mit der “Privatisierungsbremse” bin ich auch schon bei dem Thema für das sich das “Bündnis” auch stark einsetzen wird, nämlich für den Ausbau der öffentlichen Daseinsvor- und fürsorge von der Gewährleistung einer sozialen Infrastruktur von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, über Stärkung der wirtschaftliche Infrastruktur durch Ermöglichen und Förderung von mehr regionale Genossenschaften und öffentliche Unternehmen, bis hin zu Fragen des kostengünstigen bis fahrscheinlosen Zugangs zur öffentlichen Mobilität.

Ein wichtiges weiteres Thema ist auch die Transparenz und Aufklärung über Entscheidungsfindung und Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung und ihrer Gremien zu fördern. Dafür ist das Konzept einer Transparenzsatzung ein geeignetes Instrument. Darüber hinaus steht es jedem unserer Kandidatinnen und Kandidaten frei noch eigene Schwerpunkte zu setzten.

Meine thematischen Schwerpunkte sind zum Beispiel noch die Flüchtlingspolitik, die Aufklärungsarbeit über die Gefahren von Ultranationalismus und Rechtsextremismus, der Einsatz für Bildungschancen für jeden und Konzepte einer regional organisierten Solidarischen Ökonomie.

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