Am 22. Januar lehnte der Leipziger Stadtrat das von über 26.000 Bürgern geforderte Bürgerbegehren zur Erschwerung der Privatisierung kommunalen Vermögens als unzulässig ab. Ein Beschluss, der kein endgültiger ist. Dass es Rechtsmittel gegen die Entscheidung gibt, wurde den Leipzigern freilich nicht via "Amtsblatt" erklärt. Das bekamen nur die drei Vertrauensleute schriftlich.

Am 12. Februar wurde den drei Vertrauensleuten des Bürgerbegehrens ein ablehnender Bescheid mit Unterschrift von OBM Jung zugestellt. Versehen war dieses Schreiben mit der Rechtsmittelbelehrung, binnen einen Monats Widerspruch bei der Stadt oder der Landesdirektion Sachsen dagegen erheben zu können. Am 15. Februar hatte die Verwaltung im Leipziger Amtsblatt den Beschluss des Stadtrates öffentlich bekannt gemacht, jedoch ohne solche Rechtsmittelbelehrung.

Der Leipziger Jurist Thomas Walter, zugleich Mitinitiator des Bürgerbegehrens der mit dem zuständigen Referenten für die Kommunalaufsicht, Herrn Tischer, die Formulierung des Begehrens vor einem Jahr abgestimmt hatte, hat nun als erster Rechtsmittel in Form eines Widerspruches gegen diese Entscheidung der Stadt eingelegt. Weitere Personen, darunter auch die Vertrauensleute werden in Kürze noch folgen, teilt er mit. Walter ruft alle Unterzeichner des Bürgerbegehren auf, sich ebenfalls diesem Rechtsmittel anzuschließen und damit gegenüber Stadtverwaltung und dem Stadtrat ein Zeichen zu setzen.

Seine Kritik setzt bereits an dem von der Verwaltung geübten Verfahren an. Erstens wisse die Mehrzahl der Bürger nicht, wie sie ihre Rechte gegen den ablehnenden Beschluss des Stadtrates verteidigen könnten. Da helfe auch nicht die Rechtsmittelbelehrung, die nur an die drei Vertrauensleute gerichtet wurden, denn es sei kaum zu erwarten, dass jeder der 26.000 Unterzeichner des Bürgerbegehrens von den drei Personen unterrichtet werden könne.

“Eine Rechtsmittelbelehrung hätte zumindest in die amtliche Bekanntmachung des Amtsblattes gehört”, so Walter.

Zum zweiten sei diese Rechtsmittelbelehrung inhaltlich umstritten. So gibt es seit 1997 die gefestigte Rechtsprechung des sächsischen Oberverwaltungsgerichtes, die eine Entscheidung des Stadtrates zu einem Bürgerbegehren nicht als Verwaltungsakt qualifiziert. Ein entsprechender Vorhalt von Walter vom 12. Februar 2014 wurde vom Rechtsamt der Stadt nicht kommentiert. Demnach müsste nicht der langwierige Weg des Widerspruchs bei Stadt und Landesdirektion beschritten werden, um erst danach beim Verwaltungsgericht klagen zu können.

Vielmehr würde nach der sächsischen Rechtsprechung dem Bürger direkt der unbefristete Klageweg zum Verwaltungsgericht Leipzig eröffnet, den die Fachleute eine “Kommunalverfassungsstreitigkeit” nennen. In diesem Verfahren ist der Bürger und Unterzeichner eines Bürgerbegehrens als Organ der Stadt anzusehen, der auf gleicher Augenhöhe seine Rechte gegenüber dem Stadtrat und der Verwaltung geltend machen kann und nicht im Über-Unterordnungsverhältnis wie im Verwaltungsaktverfahren der Verwaltung gegenübersteht. In dem sofortigen Klageverfahren, das auch in den nächsten Tagen beim Verwaltungsgericht Leipzig rechtshängig gemacht werden wird, wäre die Stadtverwaltung gezwungen, zeitnah zu der Klageschrift Stellung zu beziehen, was interessante weitere Diskussionen nach sich ziehen würde.

Walter vermutet, dass genau dies die Verwaltung vermeiden möchte und daher diese Besonderheit der sächsischen Rechtsprechung einfach unter den Tisch fallen lässt.

Da käme ihr das langwierige Widerspruchsverfahren bei einem Verwaltungsakt viel genehmer, denn so könne ohne weiteres den Kommunalwahltag verstreichen lassen, bis die Akten wieder aus dem Schrank geholt werden müssten. Eine lästige Diskussion im Kommunalwahlkampf wäre dann zu vermeiden, denn der Bürger könne sowieso nicht verstehen, mit welchen juristischen Spitzfindigkeiten er durch das Rathaus davon abgehalten werden solle, über eine so wichtige kommunalpolitische Frage selbst zu entscheiden, wie es einst erfolgreich im Jahre 2008 betreffend den Verkauf der Stadt- und Wasserwerke an einen französischen Energiekonzern geschehen war.

Neben diesen Rechtsmittel hat Walter sich auch an die Kommunalaufsicht der Stadt Leipzig bei der Landesdirektion gewandt und gefordert, dass diese nun von Amts wegen gegen den seiner Meinung nach rechtswidrigen Beschluss des Stadtrates vom 22. Januar 2014 vorgeht und diesen beanstandet. Pikant: Will die Landesdirektion nicht beanstanden, wird sie nun erklären müssen, wieso sich Ihre Rechtsauffassung gegenüber der von vor einem Jahr gewandelt haben soll. Am Ende, so glaubt Walter, werden die politischen Einflussnahmen seitens der etablierten Parteien so groß sein, dass die Landesdirektion es nicht mehr wagen wird, ihren unbefangen geäußerten Standpunkt vorn einst aufrechtzuerhalten. Dennoch sollte man einer Debatte nicht aus dem Weg gehen. Bleibt zu hoffen, dass die Gerichte das wieder richten, was die Verwaltung verbogen hat.

Interessenten für die Einlegung eines Rechtsmittels können sich unter dr.th.walter@t-online.de melden

http://privatisierungsbremse.wordpress.com/warum-ein-begehren
Der ablehnende Bescheid vom 11. Februar als PDF zum download.

Die Widerspruchsschrift vom 28. Februar als PDF zum download.

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