Im September gab's im Leipziger Stadtrat eine bildungspolitische Stunde. Das hohe Gremium war sich durchaus bewusst, dass man Schul- und Bildungspolitik nicht einfach dem Freistaat überlassen kann. Der damalige Vorsitzende des Leipziger Stadtschülerrates Georg Heyn forderte im Rahmen dieser bildungspolitischen Stunde mehr Zusammenarbeit zwischen der Politik und den Schulen.

Das betrifft natürlich all jene Berührungen zwischen Schule und Wirklichkeit, wo dringend Hilfs- und Unterstützungsangebote gebraucht werden. Man denke nur an die Sozialarbeiterstellen, die mit Hilfe eines Bundesprogramms geschaffen wurden – und die die Stadt Leipzig jetzt in Eigenregie finanziert. Denn dringend gebraucht werden diese Ansprechpartner insbesondere an Leipzigs Mittelschulen. Sie sind die Ansprechpartner für all die Lebenskonflikte, die viele Jugendliche mit in die Schule nehmen – für die es aber im Lehrplan keinen Raum gibt und beim zusammengesparten Lehrpersonal keinen Puffer.

Aber die Kommune ist auch dringend gefragt, wenn es um das Gestalten der Übergänge aus der Schule ins Berufsleben geht. Übergänge, die gerade für leistungsschwächere Schüler mit einem wahren Hürdenlauf verbunden sind.

Aber Schulen sind auch keine Inseln abseits der Realität. Sie sind – auch wenn die Kultusminister gern so tun – kein unpolitischer Raum. Im Gegenteil: Sie sind ein Ort, an dem die ersten politischen Erkenntnisse reifen. Spätestens dann, wenn die Bundeswehr auftaucht und ihre Kamellen erzählt oder gesellschaftlich brisante Themen zum Stoff im Unterricht werden. Sei es die Armut in der Welt, die Artenvielfalt, die zunehmende Rohstoffverknappung, der Umgang mit fremden Kulturen und Religionen.

Doch wenn es darum geht, Politiker in die Schulen zu lassen, tun sich Schulen in Leipzig schwer. Regionalpolitik findet dort scheinbar nur statt, wenn wieder ein neues Schulgebäude eingeweiht wird – mit Dankeschön-Adressen an die Geldgeber. Aber eine Begegnung mit der aktuellen Politik scheint in Leipzigs Schulen eher unerwünscht.”In der Regel scheitern Angebote von Stadträtinnen und Stadträten, aber auch Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern des Land- und Bundestages, im Rahmen des Unterrichts über die politische Arbeit zu informieren, an den Schulen”, stellt Linke-Stadträtin Skadi Jennicke fest. “Zu vermuten ist, dass auf die Schulleiter und Lehrkräfte Druck ausgeübt wird, Schule als Ort des Lernens politisch neutral zu halten. Dem ist in keiner Weise zu widersprechen. Im Namen der Neutralität jedoch jeglichen Impuls, über die Arbeit als gewählter Vertreter zu berichten, im Keim zu ersticken, dürfte zu weit gehen. Immerhin vertreten die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger auch die Interessen der Schülerinnen und Schüler und sind im besten Fall neugierig auf deren Ansichten und Problemlagen.”

Immerhin ein hochaktuelles Thema. Im Mai sind Kommunalwahlen. Da könnten Schulen durchaus auch einmal Kommunalpolitik in der Praxis zeigen.

“Abgeordnete und Vertreter politischer Gremien können selbst am besten lebendig und praxisnah von ihrer Motivation, ihren Ziele und dem oftmals schwierigen Prozess der Willensbildung erzählen”, findet Jennicke. “Es geht der Linken keineswegs darum, Schülerinnen und Schüler vordergründig politisch zu agitieren, sondern sie an die demokratischen Strukturen heranzuführen und deren Komplexität zu vermitteln.”

Eigentlich auch ein Thema für die Erwachsenen, von denen viele nicht wirklich wissen, wie Politik in ihrer Stadt funktioniert. Da ruft so mancher nach mehr Beteiligung – weiß aber nicht mal, wie Parteien, Fraktionen und Stadtrat sich zusammenfinden und funktionieren.

Bundestagsangehörige laden regelmäßig zu Besuchen in den Bundestag ein, um ihren Wählern so einen kleinen Einblick in ihre Arbeit zu geben. Aber auf kommunaler Ebene tut es eigentlich genauso Not.

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“Vor diesem Hintergrund hat die Fraktion Die Linke einen Antrag eingereicht, der den Oberbürgermeister auffordert, gemeinsam mit dem Stadtschülerrat, dem Stadtelternrat und der Regionalstelle der Sächsischen Bildungsagentur Möglichkeiten zu schaffen, Schulen als Orte politischer Willensbildung zu stärken”, erläutert Dr. Skadi Jennicke das Anliegen. “Ziel ist, eine aufgeschlossene Atmosphäre des wechselseitigen Austauschs zu schaffen und Berührungsängste abzubauen. Selbstverständlich bleiben die Regelungen, wonach ‘politische Werbung an Schulen’ sechs Wochen vor Wahlen zu unterbleiben hat, davon unberührt.”

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