Es hat immer auch irgendwas mit Deutungshoheiten zu tun, wenn sich Leipzigs Politiker über das Denkmal für aber irgendwie oft auch ohne die Leipziger äußern. Die Deutungshoheit über dieses magische Jahr 1989 bis hin zur Frage, wer da eigentlich was genau wollte? Was würden die Leipziger selbst wohl sagen, wenn man sie fragen würde, was sie von der Erinnerungsidee allgemein halten? Würden die Leipziger ein Denkmal wollen oder schaut man dem geschenkten Gaul doch schon lange genug in den Hals? Und baut halt, ermüdet von dem Hin und Her irgendwas für 6 Millionen.

Blickt man zurück auf den bisherigen Verlauf, war eigentlich schon jeder Vorschlag dabei: Die CDU fordert, das Denkmal zur Chefsache zu machen, Pfarrer Christian Wolff es als Kontrapunkt zum Völkerschlachtdenkmal außerhalb der Innenstadt zu errichten, der Landesverband Bildende Kunst Sachsen e.V. forderte Standing von OBM Jung und die LVZ jazzte entgegen des ersten Jurybeschlusses das Motiv “Herbstgarten” an Platz 1 und den gesamten Prozess vor Gericht. Dieses hat bereits signalisiert, dass ein so verlaufendes Verfahren kaum Bestand haben wird.

Um nur einige Stimmen der vergangenen Jahre zu nennen, denn eigentlich hat wirklich jeder – egal ob fachfremd oder Experte – schon etwas zum Freiheits- und Einheitsdenkmal beigetragen, in die Runde geworfen, vorgeschlagen. Übrig bleibt derzeit, dass im Ausschreibungsverfahren eine Umgestaltung des Wilhelm-Leuschner-Platzes gewollt war und das ganze Verfahren vom Verwaltungsgericht Bautzen mit höchster Wahrscheinlichkeit auf Anfang zurückgedreht wird. Begleitet wird das Chaos von immer neuen Deutungsversuchen, was das Denkmal so alles sei: Ein Denkmal für ganz Europa, Friedenszeichen, Ruheort, Erinnerung an die mutigen Leipziger.
Gefragt hat man den Leipziger Bürger letztlich nie. Der sieht das Schauspiel nun seit mehr als drei Jahren und reibt sich die Augen. Denn gebaut werden muss – das Geld ist vom Bund und Land Sachsen und ein Geschenk – erdacht und zweckgebunden für das Denkmal von CDU-Granden – eine Zurückweisung wäre unanständig in Zeiten knapper Kassen.

Der Leipziger Linken ist das zu wenig. Und obwohl sie natürlich auch weiß, dass es kaum möglich sein wird, ihren Vorschlag in die Tat umzusetzen, fordert sie nun, wo höchstwahrscheinlich das Vergabeverfahren neu gestartet werden muss, erneut genau das. Unter der Fragestellung “Sind Sie dafür, dass in der Stadt Leipzig ein aus Bundes- und Landesmitteln finanziertes Einheits- und Freiheitsdenkmal errichtet wird?” möchte sie einen Bürgerentscheid durchführen, eine Idee, welche sie schon länger verfolgt.

“Leider hatte der Stadtrat im Dezember 2012 nicht den Mut zu einem Bürgerentscheid, als nahezu alle anderen Fraktionen einen entsprechenden Antrag der Linksfraktion ablehnten”, so Leipzigs Linkenvorsitzender Volker Külow. Die Begründung dafür ist der bekannte Deutungsanspruch für das Denkmal. Wo Pfarrer Wolff die Friedenkomponente im Vordergrund sieht und die CDU immer ein wenig den Anschein erwecken möchte, die Wende wäre ihr alleiniges Werk, lautet die Deutung der Linken: Angesichts der berechtigten Forderung im offenen Brief “… der Bürgerinitiative Einheits- und Freiheitsdenkmal, in dem die politisch Verantwortlichen aufgefordert werden, `dieses unwürdige Wettbewerbsverfahren’ zu beenden” käme nur ein Bürgerentscheid in Betracht.

Denn, so die Linke: “Wer den Herbst 1989 verstanden hat, muss die Stadtbevölkerung ein Vierteljahrhundert über das Einheits- und Freiheitsdenkmal grundsätzlich abstimmen lassen.” Den Vorschlag will die Linksfraktion nun also erneut in den Stadtrat einbringen, um bei positivem Votum eine Abstimmung der Bürger gleichzeitig mit der Landtagswahl am 31. August 2014 zu realisieren.

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