Am Donnerstag, 13. Februar, gab es etwas, was so in der Geschichte des Leipziger Stadtrates Seltenheitswert hat: Parteiübergreifend unterschrieben die Fraktionen eine Resolution, die sich gegen den verordneten Personalabbau an Leipzigs Hochschulen wendet. So weit, so sensationell. Nur eine Fraktion machte nicht mit: die CDU-Fraktion.

Sie schickte nachher, als die anderen alle unterschrieben hatten, ihre Stellungnahme aus. Die Vorsitzende der CDU-Fraktion, Ursula Grimm, habe “die sogenannte ‘Parteiübergreifende Resolution für die Wissenschaft in Leipzig’ nicht unterzeichnet.”

Ursula Grimm selbst gibt sich überzeugt, dass die Adresse falsch ist: “Die Staatsregierung ist der falsche Adressat für diese Resolution. Die Hochschulautonomie wurde von allen begrüßt und schließt ein, dass die Universität selbst über Eröffnung, Schließung von Instituten etc. entscheidet.”

Das Problem am 2013 unterzeichnete “Hochschulfreiheitsgesetz” ist, dass die Hochschulen darin ein selbstverwaltetes Budget zugestanden bekommen, das nicht einmal ausreicht, um den aktuellen Betrieb voll durchzufinanzieren. Und die Anweisung des Wissenschaftsministeriums, an Sachsens Hochschulen 1.042 Dozentenstellen zu streichen, ist mit Sanktionen gekoppelt. Die Hochschulen, die die Vorgaben nicht einhalten, müssen mit finanziellen Restriktionen rechnen. Das hat mit Hochschulautonomie, wie Ursula Grimm es nennt, nichts zu tun.

Aber sie versucht trotzdem zu erklären, warum eine Änderung der sächsischen Hochschulpolitik jetzt eine Einmischung wäre: Zu recht wäre die Empörung groß, wenn die Staatsregierung über den Kopf der Uni hinweg Professuren schaffen oder abschaffen würde. Entscheidungsgrundlage sei – so stellt sie richtig fest – der Finanzrahmen, über den zwischen der Universität und der Staatsregierung ein Vertrag abgeschlossen wurde und an den sich beide Seiten zu halten haben. Dieser Vertrag sei von der Rektorin der Universität unterzeichnet worden, stellt sie fest, “also akzeptiert.”

Das sah der Prorektor der Uni Leipzig, Prof. Matthias Schwarz, am 31. Januar völlig anders, als das Rektorat der Universität selbst zu den aufgezwungenen Stellenstreichungen Stellung nahm. “Die Einschnitte tun uns weh. Sie sind gravierend, sie werden künftig noch tiefer gehen – und man kann hier nicht ernsthaft von autonomen Entscheidungen unsererseits sprechen”, erklärte Schwarz. Echten Spielraum beim Stellenabbau gebe es faktisch nicht mehr.

Das nennt man umgangssprachlich: die Pistole auf die Brust gesetzt.

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So kann man normalerweise keine Politik machen – eine verantwortliche Bildungspolitik schon gar nicht. Doch die sächsische Regierung macht genau so Politik: mit der Hand am Geldhahn. Und die verantwortliche Ministerin Sabine von Schorlemer – parteilos, aber von der CDU ins Amt geholt – verteidigt diesen Kurs.

Und das Verblüffende: Selbst die Leipziger CDU-Fraktionsvorsitzende deutet sich die Wirklichkeit so um, wie sie das Dresdener Kabinett gern gesehen haben will. Ursula Grimm: “Die Universität schließt jetzt Institute, um mit großer Außenwirkung öffentlichen Druck auf die Staatsregierung aufzubauen. An diesem Spiel mit falschen Karten werden sich die CDU-Stadträte nicht beteiligen.”

Ignoriert die Fraktionsvorsitzende nur die Wirklichkeit? Oder ist das schon der alte Geist einer Staatspartei, die immer Recht hat, egal, was sie tut? Und die auf Kreisebene vollmundig verteidigt, was “die da oben” beschlossen haben? Wenn das so ist, wäre es tragisch.

Es würde auch bedeuten, dass aus der Leipziger CDU niemand den Mumm haben wird, die CDU-geführte Landesregierung zu kritisieren oder zu korrigieren, auch dann nicht, wenn der eigenen Stadt nachhaltig Schaden zugefügt wird.

Anders der Ton, den eine der Unterzeichnerinnen der Resolution anschlägt, Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen im Stadtrat Leipzig: “Die Kürzungen durch den sächsischen Hochschulentwicklungsplan gefährden die Entwicklung und die Autonomie der Universität Leipzig. Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen initiierte Resolution, die durch den Oberbürgermeister und die Fraktionsvorsitzenden der Stadtratsfraktionen unterzeichnet und an den Ministerpräsidenten und die Wissenschaftsministerin übergeben wurde, macht deutlich, wie wichtig die Hochschulen mit allen ihren Instituten für die Stadt Leipzig sind. Der Oberbürgermeister und die unterzeichnenden Fraktionsvorsitzenden schließen sich damit den Protesten gegen die Institutsschließungen an. Ich halte diese Solidarisierung zudem für ein wichtiges Signal in Richtung der Studierenden!”

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