Es ging am gestrigen 22. Januar im Leipziger Stadtrat eigentlich nur noch mal um den letzten Austausch der juristischen Argumente. Vier Fraktionen, SPD, Grüne, CDU und FDP waren nach ihren eigenen Prüfungen zur Erkenntnis gelangt, dass es kein Bürgerbegehren über eine Veränderung in den Abstimmungen bei Veräußerungen kommunalen Eigentums geben könne. Fragen, die letztlich, sollten die Initiatoren des Bürgerbegehrens Wort halten, irgendwann vor Gericht wieder auftauchen werden. Doch die juristischen Mühlen mahlen langsam. Die politischen Konsequenzen des Beschlusses treten rascher ein.

“Wir sind nicht nur enttäuscht, sondern regelrecht wütend über die Entscheidung des Stadtrates” so Florian Bokor noch am gestrigen Abend. Bokor saß schon mal Probe auf der Besuchertribüne, sein Ziel ist ein Einzug in den Stadtrat im Mai 2014. Für ihn sind mit der Ablehnung der Zulässigkeit der Fragestellung in der “Privatisierungsbremse” die Wünsche “von mindestens 25.000 Leipzigern ignoriert und weggewischt worden. Dieses Verhalten entspricht nicht unseren Vorstellungen von Politik für die Einwohner Leipzigs.”

Die Entscheidung des Stadtrates am gestrigen Abend könnte so wohl nicht nur für die positiv votierenden Linken, sondern auch für die Piraten ein Wahlkampfthema werden.

“Eine solch bürgerfeindliche Entscheidung wird bei den kommenden Stadtratswahlen Konsequenzen haben”, ist sich auch Sebastian Czich, vom Kreisvorstand der Leipziger Piraten sicher. “Daher rufen wir auch speziell alle Unterstützer des Bürgerbegehrens auf, auf unseren Wahllisten zu kandidieren und mit uns ihre Vorstellungen umzusetzen.”

Auch für den Vorschlag der Grünen, die mit einem Änderungsantrag auf eine Einzelfallprüfung hinsteuern, zukünftig bei etwaigen Verkäufen vorab einen Bürgerentscheid aus dem Stadtrat heraus zu initiieren, ist hier wenig Interesse spürbar. “Ebenfalls nicht nachzuvollziehen ist der Änderungsantrag der Grünen, bei jedem anstehenden Verkauf zunächst ein neues, auf den Einzelfall bezogenes Bürgerbegehren zu prüfen. Es zeigt sich: wir müssen ins Rathaus, um solchen Unsinn generell aufzuhalten.” so Czich.

Das Thema bewegt die Gemüter, viele Bürger hätten es gern gesehen, wie ein Bürgerentscheid darüber ausgeht, ob zukünftig der Stadtrat nur noch mit 2/3-Mehrheit über den Verkauf kommunalen Eigentums beschließen kann. Die Erfahrungen mit dem versuchten Stadtwerkeverkauf, den Verkäufen von Perdata und HLkomm sitzen tief, eine Veräußerungsabsicht des Wassergutes Canitz wird befürchtet.
Was nach dem Beschluss unmittelbar zu einer weiteren, heftigen Bewegung direkt aus der Bürgerschaft heraus führte. Die neu gegründete Gruppierung namens “Bündnis für Leipzig” rief noch am Abend des 22. Januar dazu auf, zu einer Gründungsveranstaltung am Mittwoch, den 29.01.2014, 19:00 Uhr in den Saal des Volkshauses (Karl-Liebknecht-Straße 30) zu kommen.

In einer ersten Reaktion formuliert das Bürgerbündnis: “Mit Empörung und Enttäuschung reagierten zahlreiche BürgerInnen auf die Ablehnung des Bürgerentscheids durch den Leipziger Stadtrat. Die bequeme Art, dem juristisch unausgewogenen Verwaltungsstandpunkt zuzustimmen, zeugt von fehlendem Gestaltungswillen und lässt den Respekt vor der berechtigten Sorge der LeipzigerInnen um ihr kommunales Eigentum vermissen. Den Willen von 26.000 UnterzeichnerInnen des Bürgerbegehrens Privatisierungsbremse zu ignorieren, werten wir als weiteren undemokratischen Anschlag auf die politische Kultur und auf das Ansehen unserer Stadt. Der Ausverkauf des Leipziger ‘Tafelsilbers’ soll auch nach der trickreichen Veräußerung von HL Komm und Perdata und trotz diverser Lippenbekenntnisse des Oberbürgermeisters weitergehen wie bisher.”

Hier planen nun also Leipziger Bürger eine offene Bürgerliste für die Stadtratswahl im Mai ins Leben zu rufen, wenn sie weiter formulieren: “Es wird Zeit für Transparenz und echte Demokratie jenseits von Parteidoktrinen, Fraktionszwängen, Vorteilswirtschaft und Verwaltungsfilz! Deshalb rufen wir auf: Engagiert Euch! Lasst uns gemeinsam mit einer eigenen Liste zur Kommunalwahl antreten!”

Nach der Stadtratssitzung ist damit schon jetzt vor der nächsten und der Kommunalwahl am 25. Mai 2014. So versucht man seitens des Bündnisses teils selbst zu kandidieren und ruft andererseits dazu auf, eine Kandidatur zu wagen. Die Erstunterzeichner des Aufrufes an die Leipziger sich um einen Stadtratssitz zu bewerben sind nicht wirklich Unbekannte. Sie lauten: Dirk Feiertag, Maren Müller, Sandra Schenck, Frederik Grüneberg, Prof. Dr. Sabine Winkelmann, Gabriele Smole und Wolfang E. A. Stoiber.

Der Wahlkampf 2014 um die Sitze im Leipziger Stadtrat verspricht spannend zu werden.

Zum Artikel vom 22. Januar 2014 auf L-IZ.de

Der Stadtrat tagt: Kein Bürgerentscheid zur “Privatisierungsbremse”

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