Am 22. Januar wird der Leipziger Stadtrat über die Zulässigkeit des Bürgerentscheids zur Privatisierungsbremse befinden. So recht scheint bislang nicht klar zu sein: Ist das zulässig, dass der Stadtrat eine Zweidrittelmehrheit braucht, wenn er kommunales Eigentum zur Veräußerung frei gibt? Oder verstößt die Stadt damit gegen die Sächsische Gemeindeordnung? - Der Linke-Landtagsabgeordnete Dr. Dietmar Pellmann hat nachgefragt.

In ihrer Beschlussvorlage für die Stadtratssitzung am 22. Januar beruft sich die Verwaltung aber auf die Rechtsauskunft des Sächsischen Innenministeriums (SMI) sowie die Landesdirektion und versucht, den Stadtrat zur Ablehnung zu bewegen. Doch so einfach scheint die Lage nicht zu sein, denn die Landesdirektion Sachsen betont nach Auskunft des SMI eindeutig, dass sie nicht einschätzen könne, welche Rechtsauffassung sich im Stadtrat durchsetzen wird.

Das Innenministerium hatte seine Bedenken geäußert, da die “Bindungswirkung eines erfolgreichen Bürgerentscheids” dazu führen würde, “dass Beschlüsse, die eine Vermögensveräußerung zum Gegenstand haben, an eine Zweidrittelmehrheit gebunden wären.” Aber die Begründung ist nicht, dass diese Selbstbindung gegen das Gesetz verstieße, sondern weil der Absatz 6 aus § 39 der Sächsischen Gemeindeordnung damit eingeschränkt wird. In dem heißt es: “Der Gemeinderat stimmt in der Regel offen ab; er kann aus wichtigem Grund geheime Abstimmung beschließen. Die Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. Stimmenthaltungen werden für die Ermittlung der Stimmenmehrheit nicht berücksichtigt.”Der § 39 der Sächsischen Gemeindeordnung ist aus Sicht des SMI zwingend. So zwingend, dass er “weder durch Satzung, noch durch die Geschäftsordnung, noch durch Einzelfallbeschluss umgangen werden kann.”

Die Frage ist freilich: Ist eine Verschärfung der Abstimmungsregel ein Umgehen des Gesetzes?

Das kann und will auch die Landesdirektion so nicht sagen. Selbst das Innenministerium machte noch innerhalb der Pellmann-Anfrage einen Rückzieher. Er hatte direkt gefragt, ob die Staatsregierung sich über die Kommunalaufsicht nicht gar in die kommunale Selbstverwaltung einmische. “Der Fragesteller verkennt mit seiner Frage die bestehende Sach- und Rechtslage”, erwiderte Innenminister Markus Ulbig (CDU). “Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung alleine der Stadtrat (§ 25 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO).”

Wenn das noch nicht deutlich genug war, dann war es auf jeden Fall die zusammengefasste Antwort des Innenministers auf Pellmanns Fragen 3 bis 5. Da heißt es dann sehr deutlich, dass die Landesdirektion auch am 18. Dezember 2012 in einer E-Mail die Auffassung vertrat, “dass verschiedene Erwägungen für die Zulässigkeit eines solchen Bürgerbegehrens sprächen. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens wurden jedoch weiterhin darauf hingewiesen, dass über die Zulässigkeit des angestrebten Bürgerbegehrens gem. § 25 Abs. 3 SächsGemO alleine der Stadtrat entscheidet und die Landesdirektion Sachsen nicht einschätzen könne, welche Rechtsauffassung sich im Stadtrat durchsetzen werde.”

Der erwähnte Absatz 3 aus § 25 der Sächsischen Gemeindeordnung lautet so: ” Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet der Gemeinderat. Die Entscheidung ist ortsüblich bekanntzugeben. Ist das Bürgerbegehren zulässig, so ist der Bürgerentscheid innerhalb von drei Monaten durchzuführen. Nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens darf eine diesem widersprechende Entscheidung des Gemeinderats nicht mehr getroffen werden.”

Was ja wohl heißt, der Leipziger Stadtrat kann sich eine Selbstbeschränkung auferlegen.

Die Dokumente zum Bürgerbegehren: http://privatisierungsbremse.wordpress.com/kalender/

Die Anfrage von Dietmar Pellmann samt Antworten des Innenministers als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar