Die Debatte um die Leipziger Finanzlage wurde jetzt ein halbes Jahr lang vom drohenden Minus im Jahr 2014 dominiert. Monatelang wurde gestrichen und gekürzt, so dass aus einem drohenden 100-Millionen-Euro-Defizit am Ende noch eins von rund 17 Millionen wurde. Völlig aus dem Rampenlicht geriet dabei die Tatsache, dass Leipzig auch schon 2013 droht, das Jahr mit einem Minus zu beenden.
Am 19. November stellte Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) in der Dienstberatung der Verwaltungsspitze seine “Analyse der Haushaltsdurchführung 2013 zum Stichtag 30.09.2013” vor. Aktuell beschäftigt sich der Finanzausschuss damit. Es sind eine ganze Reihe Faktoren, die die Pläne von 2012 im Lauf des Jahres überholt haben. Und die Wesentlichen sind auch die selben, die 2014 dafür sorgen, dass die finanziellen Spielräume der Stadt gesprengt werden. Das Minus ist nur in Teilen ein hausgemachtes – zum größten Teil resultiert es aus den Folgen der Bundes- und Landespolitik, die an den Geldern für die Pflichtaufgaben knausern.
Oder sie über Jahre falsch verteilen, wie es ja im Herbst eine SPD-Anfrage zum Thema “Kosten der Unterkunft” ans Tageslicht brachte.
30 Millionen mehr oder weniger im Haushalt, das bedeutet für Leipzig die Frage über Plus oder Minus. Im Juni hatte Bonew schon eine erste Analyse zur Haushaltsführung 2013 vorgelegt. Sie machte schon ein wenig deutlicher, warum er gleich wieder im April – kurz nach der Genehmigung des Leipziger Haushalts für 2013 durch die Landesdirektion – eine Haushaltssperre verhängte. Für den Ergebnishaushalt sah der Finanzbürgermeister im Juni einen drohenden Fehlbetrag von 20,75 Millionen Euro. Die Haushaltssperre selbst brachte eine Ergebnisverbesserung von 4 Millionen Euro. Dazu kamen eine leichte Verbesserung bei den Steuereinnahmen von 6,59 Millionen Euro und einige kleinere Posten aus den Dezernaten. Immerhin 15,73 Millionen Euro konnten bis zum September auf diese Weise zusammengekratzt werden.
Trotzdem wies Bonews Analyse für den September dann sogar ein Minus von 25,91 Millionen Euro aus. Und das hat mit weiter gestiegenen Aufwendungen genau dort zu tun, wo Leipzig schon längst unter den Lasten keucht: im Sozial- und im Jugendbereich.Und einen Posten nicht zu vergessen, den Bonew im Juni noch nicht benennen konnte. Denn wohin sich die Gerichtsentscheidungen in den diversen Prozessen um die Wasserwerke Leipzig und die Verbindlichkeiten aus den Heininger-Deals entwickeln würden, war noch nicht absehbar. Das Urteil des Landgerichts Leipzig über die LBBW-Verträge innerhalb dieser Deals fiel erst Anfang Juni. Die Wasserwerke sind zwar aus guten Gründen in Berufung gegangen. Doch der Richterspruch war auch ein Bugschuss. Bis dahin ging auch OBM Burkhard Jung noch davon aus, dass die Bildung von Rücklagen das falsche Signal wäre. Doch mit der Vorstellung der LVV-Bilanz im Juli trat man dann doch auf die Bremse.
Eine Folge davon: Für das Jahr 2012 bekommt die Stadt Leipzig auch erst einmal keine Konzessionsabgabe der Kommunalen Wasserwerke. 5,12 Millionen Euro, die 2013 fehlen, 2014 dann aber nachgereicht werden sollen.
Wesentlich bedenklicher aber ist mittlerweile, wie die Kosten im Jugend- und Sozialbereich steigen – und zwar schneller, als noch in der Haushaltsdebatte 2012 prognostiziert. Hier kann man in Zahlen sehen, wenn eine Stadt mit niedrigem Lohnniveau und ausgeweiteter prekärer Beschäftigung immer mehr Kinder bekommt. Die Stadt muss einspringen, wo den Eltern die notwendige wirtschaftliche Kraft fehlt.
Ergebnis: Die Aufwendungen für die “wirtschaftliche Jugendhilfe” steigen nicht nur um zusätzliche 6,1 Millionen Euro, wie noch im Juni erwartet, sondern um 9,7 Millionen. Wer hier erwartet, dass der zuständige Sozialbürgermeister wieder die Bremse zieht, der hat aus dem Tod der drogenabhängigen Mutter und ihres Sohnes im April 2012 in Gohlis nichts gelernt. Noch so einen Fall möchte in Leipzig wohl keiner erleben. Das Problem ist nur: Dafür gibt’s weder von Bund noch Land mehr Geld.
Aber auch das gesamte Thema der gestiegenen Geburtenzahlen kommt Leipzig teuer. Man kann zwar eifrig nach immer mehr Kindertagesstätten und Betreuungsplätzen rufen – doch wer bezahlt das? – Die Schaffung neuer Betreuungsangebote schlägt zusätzlich im Stadthaushalt auf. So steigt der Bedarf für die Träger freier Kindertagesstätten um fast 1 Million Euro zusätzlich, für Kindertagespflege um zusätzlich fast 200.000 Euro. Allein der Jugendetat wird damit 2013 um rund 13 Millionen Euro teurer als geplant.
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Und auch im Nachbarbereich steigen die Bedarfe. Der Löwenanteil ist dort allein vom Bund verschuldet, der am 1. Januar 2013 mal wieder seine Verordnung zu den Kosten der Unterkunft verändert hat und seinen Beitrag dazu von geplanten 35,8 auf 33,4 Prozent abgesenkt hat. Die Stadt Leipzig muss also fast 4 Millionen Euro mehr für die “Kosten der Unterkunft” berappen, obwohl die Zahl der Bedarfsgemeinschaften nicht gestiegen ist, sogar eher leicht gesunken, was den Fehlbetrag im September auf 3,5 Millionen Euro drückte.
Dazu kommt das Herumgeschustere der alten Bundesregierung an den Bildungs- und Teilhabeleistungen, die der Stadt Leipzig neue finanzielle Verpflichtungen in Höhe von rund 2 Millionen Euro bescherten. Das Sozialbudget verzeichnete also im September rund 5,6 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten.
Das Amt für Umweltschutz trägt 3,4 Millionen Euro zusätzliche Kosten bei.
Aber auch das Museum der bildenden Künste taucht in der Analyse mit einem erwarteten Einnahmeminus von 200.000 Euro auf. Die Ausstellung “Weltenschöpfer” entpuppte sich nicht als der erwartete Publikumsmagnet – statt 50.000 kamen nur 25.000 Besucher.
Mit den leichten Mehreinnahmen bei den Steuern verrechnet, steht am Ende für September ein prognostiziertes Minus von 25 Millionen Euro da. Dabei ist Finanzbürgermeister Torsten Bonew noch froh, dass die optimistische Annahme von 210 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen wohl tatsächlich eintreffen wird.
Nicht zu vergessen, dass Leipzig auch nach wie vor einen Schuldenabbau betreibt. 53,7 Millionen Euro wurden 2013 getilgt, so dass der Schuldenstand von 729,8 Millionen Euro im Dezember 2012 auf 676 Millionen im September gefallen ist. Mit 1.294 Euro Schulden pro Einwohner liegt Leipzig damit deutlich unter der vom Freistaat vorgegebenen Schmerzgrenze von 1.400 Euro pro Kopf.
Die Vorlage des Finanzbürgermeisters: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/ED1BE7533598FF02C1257C270026557B/$FILE/V-ds-3440-text.pdf
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