Der Eiertanz um den Leipziger Hochwasserschutz geht weiter. Eine klare Linie in der Leipziger Stadtpolitik fehlt. Damit auch die Gesprächsbasis, die man braucht, um mit der Landestalsperrenverwaltung (LTV) über jene Projekte zu sprechen, die zwingend notwendig sind - und den ganzen offenen Rest. Derzeit sorgt die Verstärkung der Deiche am Elsterhochflutbett für Schlagzeilen. "Angst vor Weihnachts-Hochwasser", titelte die LVZ am Samstag, 23. November.
Mit der Unterzeile “Wettlauf gegen die Zeit: Im Leipziger Süden werden die Deiche mit Hochdruck saniert”. Was dann beim Sprung in die Online-Ausgabe so verknappt wurde: “Leipzig in Angst vor neuem Hochwasser: Die Deiche sind in kritischem Zustand”.
Aus einer Angst, die eigentlich erst einmal nur den Chef der LTV im Bereich Leipzig, Axel Bobbe, umtreibt, wird gleich wieder ein Stück Panik gemacht. Die an die Panik erinnert, die während des Juni-Hochwassers geschürt wurde. Das ist ein eigenes Thema.
Ein anderes ist die gestörte Kommunikation zwischen LTV und Stadtverwaltung. Denn wo es keine einheitliche und fachlich fundierte Linie gibt und selbst der Oberbürgermeister nicht so recht weiß, worum es im Leipziger Gewässersystem und im Auenwald eigentlich geht, passiert es, dass eine LTV auch Dinge tut, für die sie keine Genehmigung hat. “Wir sind mit dem Umweltamt im Gespräch”, sagte Axel Bobbe im Oktober der L-IZ, als sie nachfragte, was da am Hochflutbett gebaut würde und wie es sich mit den Schotterwegen im Naturschutzgebiet verhalte.
Andreas Tappert, der das Thema jetzt für die LVZ aufbereitete, erfuhr nun, dass die LTV tatsächlich ohne Genehmigung losgebaut hatte. “Schuld daran, dass die Hochwasserschützer ihre Arbeiten erst jetzt durchführen, ist ein Veto aus dem Leipziger Rathaus”, schreibt er und zitiert: “‘Wir brauchen für unsere Arbeiten die Genehmigung der Naturschutzbehörde’, sagt Bobbe. ‘An der Mulde, an der Elbe und im Landkreis Leipzig haben wir diese Genehmigung bekommen und sind seit August am Arbeiten.’ Aus Leipzig sei statt einer Genehmigung ein Schreiben mit einer Strafandrohung für den Fall eingegangen, dass die LTV sofort loslegt. ‘Eine Genehmigung liegt erst seit Ende Oktober vor. Da haben wir die Arbeiten sofort ausgeschrieben.'”
Worum es eigentlich geht und warum für Panikmache wirklich kein Grund besteht, dazu äußert sich am heutigen 25. November Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKla e.V. ausführlich.
“Leipzig in Angst vor Weihnachtshochwasser”
Wolfgang Stoiber
“Leipzig in Angst vor Weihnachtshochwasser” titelte eine Leipziger Tageszeitung am 23.11. aufgeregt (um nicht hysterisch zu sagen) und demagogisch einen Artikel, in welchem der Leiter der Landestalsperrenverwaltung (LTV) ausführlich erklärt, auf Grund welch massiver Schwächen an Leipzigs Deichen der Stadt der Untergang droht – wenn es, wie oft, vor Weihnachten regnet.
“Kennt ihr die Geschichte, von der großen Wasserflut, die in der Seestadt Leipzig großen Schaden tut?: Der Damm bricht ein, der Damm bricht ein, der Damm bricht ein.” So lautet der Text eines Leipziger Kanons aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Scheinbar ist das Problem ein altes. Oder auch nicht: 2011 hat Axel Bobbe (Leiter der LTV) im Fachausschuss auf Basis einer Deichzustandsanalyse erklärt, dass die Deiche, auf denen keine Bäume stehen, grundsätzlich standsicher seien und keiner Überarbeitung bedürften, bis auf einige Schwachstellen, deren Sanierung in Planung sei. Die 7.000 zum Teil sehr alten und wertvollen Bäume, wurden genau mit dieser Begründung (Erhöhung der Standsicherheit) im selben Jahr an anderen, bewachsenen Deichabschnitten quasi im Handstreich gefällt.
Nun war das Hochwasser im Juni 2013 plötzlich und unerwartet höher als für die Deiche zuträglich (es gibt eben Dinge, die entziehen sich menschlicher Planung) und hat, gänzlich ungeplant, Schäden an den als standsicher erklärten Deichen hinterlassen, die genau diese Standsicherheit gefährden. Man kann sich natürlich fragen, ob die Fachleute diese Eventualitäten bei ihrer Analyse nicht hätten berücksichtigen müssen – muss man aber nicht. Fakt ist, eine Sanierung wurde in 2011 von der LTV selbst für unnötig erachtet, und im richtigen Leben kam es dann etwas anders.
Jetzt sind die Schäden da, ein hundertjähriges Hochwasser wie im Juni kann jeder Zeit, auch nach 6 Monaten, wieder kommen, und ein Schuldiger muss gefunden werden. Den kann Axel Bobbe auch benennen: die Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig. Die habe auf die beantragte Genehmigung mit Androhung einer Strafe reagiert, weil ohne Antrag auf naturschutzrechliches Einvernehmen einfach losgebaut wurde. Es war purer Zufall, dass es jemand gemerkt hat: Die Naturschutzverbände hätten bei der Erteilung des naturschutzrechlichen Einvernehmes bzw. der Erteilung der Befreiungen von Geboten und Verboten zum Schutz des LSG/NSG beteiligt werden müssen, was nicht geschehen ist. So steht es im Sächsischen Naturschutzgesetz.
Außerdem hätte es Alternativen gegeben, mit denen die LTV, gleichermaßen wirkungsvoll und dabei wesentlicher weniger rücksichtslos gegen die angrenzenden und nun massiv geschädigten Schutzgebiete, die Sicherheit der geschädigten Deiche wieder hergestellt könnte. Vermutlich hätten weder die Naturschutzbehörde der Stadt noch die ehrenamtlichen Naturschutzverbände Einwände gegen eine Sanierungsvariante mit statisch wirksamer Spundwand, jedoch ohne Deichverteidigungsweg gehabt, die (lt. Aussage Axel Bobbe) bei dieser Variante auch gar nicht nötig wären. Zumindest für den Bereich zwischen Brückenstraße und Lauerschem Weg (hier sind das NSG Lehmlache Lauer und geschützte Biotope betroffen) hätte diese die Schutzgbiete verschonende Variante geprüft und umgesetzt werden müssen, bei der selbst bei einer möglichen Überströmumg und Erosion von Teilen des Deiches die Spundwand noch stehen bliebe und so ein Deichbruch verhindert wird.
Womit wir wieder bei der Stadt Leipzig sind bzw. bei deren OBM, der ausgewiesener Maßen überhaupt kein Experte für Hochwasserschutz und deshalb auf Beratung zum Thema angewiesen ist. Man kann davon ausgehen, dass eine Beratung erfolgte – durch welche ausgewiesene und insoweit qualifizierte Fachkraft auch immer: OBM Jung besteht jedenfalls darauf, dass es zwingend überall in Leipzig Deichverteidigungswege geben müsse, als hinge einzig davon das Überleben aller Leipziger ab – wasserbaulicher Unfug und naturschützerisch an den betroffenen Stellen eine Katastrophe, wie immer bei Generalisierungen unabhängig von den jeweiligen Gegebenheiten. Dass da die Naturschutzbehörde der Stadt Skrupel hatte, eine Genehmigung zu erteilen, spricht eher dafür, dass sie sich der Folgen dieser Zustimmung sehr wohl bewusst war, am Ende dann aber doch nur zwischen Pest (fachlich qualifizierten Einspruch gegen die verlautbarten Versprechungen des OBM, dass es zukünftig überall Deichverteidigungswege geben werde in Leipzig) und Cholera (Zustimmung und damit Genehmigung von Maßnahmen der LTV, die neuerlich verheerende Eingriffe in Schutzgebiete zur Folge haben) glaubte wählen zu können. Den Preis dafür zahlt wie immer in solchen Fällen, wo Schuld und Zuständigkeiten zwischen den Verantwortlichen hin und her geschoben werden, nicht diejenigen, die tatsächlich verantwortlich sind, sondern die Natur.
Das AULA-Projekt des NuKla e.V.: http://leipzig-netz.de/index.php5/AULA
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