Wie plündert man eine Stadt? Das wusste nicht nur ein Mann wie Friedrich der Große. Das wissen auch heutige Politiker. Auch in Sachsen. Die radikale Kürzung der sächsischen Haushalte seit 2010 ist nichts anderes als ein großes Plünderungsprogramm, das den sächsischen Kommunen die Gelder entzieht, mit denen eigentlich längst so etwas wie Vermögensaufbau hätte finanziert werden müssen. Was hat das mit der Leipziger "Privatisierungsbremse" zu tun? Eine ganze Menge.
Auch wenn es scheinbar nur um ein bisschen Leipziger Eigentum geht. Nicht wirklich dolle viel, wenn es um die Rettung jährlicher Haushalte geht. Die aufklaffende Finanzierungslücke von 40 Millionen Euro für 2014 ist nur der erste Sturmbote. Keine Steuerprognose verheißt Besserung für die Folgejahre. Im Gegenteil: Was passiert, wenn es 2015 schon 50 Millionen sind, 70 Millionen im Folgejahr? Logische Summen, wenn die Zuweisungen von Bund und Land immer weiter so abschmelzen. Eher steht 2015 schon eine 65 Millionen da, im Folgejahr eine 90 Millionen. Der Grund ist simpel. Er heißt Inflation.
Die ist immer da, auch wenn sich Politiker gern in Realitätsverweigerung üben. Doch wer den Leipziger Haushalt kennt, weiß, dass tatsächlich nur rund ein 10-Prozent-Anteil überhaupt noch freiwillig und steuerbar ist. Der Rest ist durch gesetzliche Vorgaben gesetzt und muss bezahlt werden. Die kleine Quizfrage: Wie schnell ist der freiwillige Rest aufgefressen, wenn allein der Inflationseffekt jedes Jahr bei einem 1,3-Milliarden-Euro-Haushalt 25 Millionen Euro beträgt?
Zur Erinnerung: In den 40 Millionen Euro Defizit, über die jetzt gegrübelt wird, stecken 25 Millionen Euro durch die höheren Tarifabschlüsse. Das allein ist schon – aus finanzieller Sicht – ein reines Ergebnis von Inflation. Aber wer die immerfort steigenden Kosten für Leipziger Bauprojekte sieht, merkt auch dort: Es wird immer teuer. Eigentlich müssten die Einnahmen der Stadt jedes Jahr um mindestens 25 Millionen Euro steigen, um nur den Status quo zu erhalten. Tun sie aber nicht. Tun sie auch deshalb nicht, weil der Freistaat Sachsen mit seinen Kürzungshaushalten auch viele Ausgaben gekürzt hat, die jetzt allein von den Kommunen berappt werden müssen. Ausgaben, die sogar immerfort steigen – wie die Gelder für die Lehrmittel in den Schulen.
Und dieselbe Staatsregierung, die die Kommunen im Freistaat am langen Arm verhungern lässt, lässt keine Gelegenheit aus, die Kommunen zum Verkauf kommunalen Eigentums zu animieren – oder zu nötigen. Nachzulesen in mehreren Genehmigungen der Landesdirektion zum Haushalt der Stadt Leipzig. Noch immer ist ungeklärt, wie es mit dem Wasserwerk Canitz weiter gehen soll.
Und sie hält nun – wie am 8. November vermeldet – das Begehren für die Leipziger “Privatisierungsbremse” für unzulässig. Just das Instrument, mit dem sich die Leipziger zumindest im Stadtrat eine gewisse Barriere gegen den Ausverkauf ihrer Stadt aufbauen könnten. Denn ihre Verwaltung ist keine Barriere. Leipzigs Verwaltung spielt ein eigenes Spiel, das mit Lavieren vielleicht am besten beschrieben ist. Man laviert so lange, bis die neuen Tatsachen neue Konsequenzen nötig machen. Oder bis gar nichts mehr geht.
Wenn das Innenministerium dekretiert, die “Privatisierungsbremse” sei nicht rechtmäßig, stimmt die Stadtverwaltung zu. Schweren Herzens. Oder haben sich da nur zwei abgesichert, die beide dasselbe Spiel spielen und denen der Reichtum Leipzigs ziemlich schnuppe ist?Die “Privatisierungsbremse” verstoße “gegen § 39 der Sächsischen Gemeindeordnung, nach dem der Gemeinderat Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit fasst”, hatte das Rathaus mitgeteilt. Tut sie das wirklich, wenn sie das Quorum im Fall der Veräußerung städtischen Eigentums auf zwei Drittel erhöht? Regelt der Paragraph in der Gemeindeordnung nicht eher etwas anderes, nämlich die grundsätzliche Beschlussfähigkeit von kommunalen Parlamenten? Für einfache Beschlüsse reicht die einfache Mehrheit.
“Diese Regelung könne weder durch die Geschäftsordnung des Gemeinderates noch durch Einzelfallbeschluss umgangen werden”, zitierte die Stadtverwaltung. Ja, aber in welche Richtung? Meint der Paragraph nicht im Ursprung, dass das Quorum 50 Prozent + 1 nicht unterschritten werden dürfe?
Das Gegenteil dessen also, was die “Privatisierungsbremse” eigentlich will, die Erhöhung des Quorums, damit nicht im allgemeinen Halali all das verkauft wird, wofür die Bürgerinnen und Bürger jahrelang brav gezahlt und gearbeitet haben. Denn wer zugeschaut hat, weiß, wie schnell unter psychischem Druck und Panikmache im Leipziger Stadtrat solche knappen Mehrheiten entstehen. Die Panikmache hat auch beim Verkaufsbeschluss zu den SWL-Anteilen 2007 geholfen, der dann erst durch das Bürgerbegehren gestoppt wurde.
Und der psychische Druck wurde auch 2011/2012 aufgebaut, als es um den Verkauf von HL komm und Perdata ging.
Was wird das nächste sein? Die drohende Last der 300 Millionen Euro aus den Wasserwerke-Zockereien ist nicht vom Tisch.
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“Ferner sei die Zulässigkeit fraglich, weil die angestrebte 2/3-Mehrheit für Veräußerungen möglicherweise in die rechtlichen Verpflichtungen der Gemeinde zur wirtschaftlichen Vermögensverwaltung eingreifen könnte”, hatte sich die Stadtverwaltung vom Innenministerium bestätigen lassen. Auch so ein Punkt, in dem das Recht der Leipziger auf just diese “wirtschaftliche Vermögensverwaltung” und den Schutz dieses Vermögens in Frage gestellt werden soll. Es steht das Wort Gemeinde da. Aber denkt Leipzigs Verwaltung und insbesondere die Leipziger Verwaltungsspitze hier nicht schon seit Jahren Gemeinde = Verwaltung? Es sei also das Hoheitsrecht der Verwaltung, in die “Privatisierungsbremse” einzugreifen?
Warum glaubt Leipzigs Verwaltungsspitze, dass sie mit den wirtschaftlichen Vermögenswerten der Stadt gut umzugehen weiß? Die Personalpolitik in Leipzigs kommunalen Unternehmen spricht Bände. Aber sie wird auch erklärlicher, wenn man diese willige Bereitschaft der Stadtspitze spürt, den Privatisierungsbegehren der Landesregierung entgegen zu kommen. Denn die sächsische Landesregierung geht mit dem sächsischen Vermögen ja nicht anders um. Wo sie kann, privatisiert sie. Sie lebt die alte und durch nichts begründete Philosophie, dass man durch Privatisierung den Staatshaushalt entlastet. Das Gegenteil ist der Fall. Das Staatsvermögen wird verkauft. Da sich Bund und Treuhand nicht anders benehmen, ist das Ergebnis für jeden Bürger erlebbar: Gebühren und Abgaben steigen, auch die Steuern werden wieder steigen. Und es wird wieder nicht reichen. Also wird noch mehr privatisiert.
Der Vorstoß von Innenministerium und Verwaltung ist eher ein Versuch, die Möglichkeit zum Schnell-Verkauf städtischen Besitzes zu bewahren, statt das zunehmende Dilemma der Kommunalfinanzen zu lösen. Denn was passiert, wenn das Schnellverkäufliche weg ist? – Das Problem ist dann immer noch da: Ein städtischer Haushalt, der stagniert, während ihn die Inflation zum Kippen bringt.
Die “Privatisierungsbremse” würde die beteiligten Verwalter zwingen, sich wirklich um nachhaltige Lösungen zu bemühen und eben nicht das Tafelsilber zu verkaufen.
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