Es wird wohl in diesem Herbst zu keiner Stadtratsentscheidung zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal kommen. Grund dafür: Die Sieger des Wettbewerbs, M+M aus München und ANNABAU aus Berlin, haben eine Rüge eingereicht. Dasselbe hat auch der Zweitplatzierte, realities:united aus Berlin getan. Der Grund: der seltsame, 2013 zwischengeschaltete Schritt eines besonderen "Bewertungsgremiums" und die Undurchsichtigkeit der neuen Bewertung.

Diese hatte ja bekanntlich das Wettbewerbsergebnis völlig auf den Kopf gestellt. Durch einen neuen Modus der Punktvergabe gingen auf einmal die bislang Drittplatzierten, Anna Dilengite, Tina Bara und Alba D’Urbano aus Leipzig mit ihrem Entwurf “Herbstgarten” in Führung.

Ursprünglich war das Wettbewerbsergebnis mit 60 Prozent in der Bewertung berücksichtigt, 40 Prozent sollten dann in den Verhandlungen über die Umsetzung ermittelt werden. Doch im Frühjahr 2013 hatte sich die Stadtverwaltung entschieden, den Wettbewerb nur noch mit 40 Prozent zu bewerten und die Bewertung der überarbeiteten Preisträgerentwürfe selbstständig mit 20 Prozent zu werten. Das wäre vielleicht noch sinnvoll gewesen, wenn auch wieder die ursprüngliche Wettbewerbsjury dabei gewesen wäre und vor allem auch die Kriterien selbst abgearbeitet worden wären. Doch das “Bewertungsgremium” bestand nur noch zur Hälfte aus den ursprünglichen Jury-Mitgliedern. Eine Bewertung nach den Überarbeitungskriterien erfolgte auch nicht. Stattdessen fand die Punktevergabe sogar anonym statt.

Im Ergebnis konnte also jedes Mitglied dieses Gremiums Punkte nach Gutdünken vergeben – was dann auch geschehen ist. Von 0 Punkten bis 10 Punkten war alles dabei.Wenn Künstler ein Recht haben in so einem Wettbewerb, dann ist es das einer transparenten und nachvollziehbaren Entscheidung. Und natürlich das eines geregelten Wettbewerbs. In diesem Falle nach den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2008). Im Magazin “competition” geht Myrta Köhler nicht nur auf die ganze Zwiespältigkeit des zweiten Verfahrensschrittes mit dem obskuren “Bewertungsgremium” ein (das es im geregelten Wettbewerbsverfahren nicht gibt), es kommt auch der Rechtsanwalt Malte Müller-Wrede zu Wort, der die Erfolgschancen einer Wettbewerbs-Rüge im Fall des Leipziger Einheits- und Freiheitsdenkmals erörtert. Und er sagt deutlich: “Die vermeintliche ‘Konkretisierung’ durch die Einführung eines Unterkriteriums ‘Qualität des weiterentwickelten Entwurfs’ konterkariert gerade das eigentliche Zuschlagskriterium ‘Ergebnisse des Wettbewerbs’.”

Auch er kann sich nicht “des Eindrucks erwehren, dass dieses ‘Zwischenverfahren’ nur dazu dient, die ursprünglich festgelegten Gewichtungen der Auftragskriterien in das genaue Gegenteil umzuwandeln.”

Was natürlich von einem tief sitzenden Misstrauen der federführenden Leipziger Verwaltung auch gegenüber den demokratischen Gremien zeugt, die aufgrund des Wettbewerbsergebnisses ein Urteil fällen sollen. Denn umgekippt ist die Stadtverwaltung ja nach den Ergebnissen im Online-Forum zum Wettbewerb, als man sich vom medialen Druck einer Leipziger Tageszeitung treiben ließ, die schon in den ersten Tagen nach Bekanntgabe der Preisträger den drittplatzierten Entwurf zum Leserliebling kürte. Entsprechend war dann auch der heftige Zuspruch zum drittplatzierten Entwurf im Online-Forum. Was dann auch sichtbar wurde bei der Auswertung der Altersangaben: Es war die etwas ältere Klientel, die in dieser Phase kund tat, sie wolle unbedingt den Herbstgarten. Auch weil die Losung “Keine Gewalt” so schön sei. Und so treffend.

Dass die jüngeren Forumsteilnehmer das völlig anders sahen, kam dann zumindest in der Auswertung zum Tragen. In der Vorlage des Kulturdezernats hieß es damals: “Wenngleich der 1. Preis wohl am nächsten an den Wünschen der Jugendwerkstatt liegt und die meiste Zustimmung durch die Gruppe der 40-49-jährigen fand, findet er bei den älteren Gruppen eine breite Ablehnung. Diese favorisiert wiederum das utopische Idyll des Apfelgartens des 3. Preises.”

Aber genau von diesem Votum der über 60-Jährigen scheint sich die Verwaltungsspitze beeindrucken zu lassen. Dass sie damit das geregelte Wettbewerbsverfahren verließ, könnte jetzt zu einigen Komplikationen führen, die auch den ersten Spatenstich für ein Leipziger Einheits- und Freiheitsdenkmal am 9. Oktober 2014 in Leipzig in Frage stellt. Aber man kann ja ein Apfelbäumchen pflanzen. Als Zeichen der Hoffnung. Oder der gewünschten Idylle.

Handlungsempfehlungen des Architektenverbandes zu den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2008): www.bda-bund.de/fileadmin/mediaFiles/Bundesverband/pdfs/RPW_2008.pdf

Den Denkmal-Dialog samt Auswertung findet man hier: www.denkmaldialog-leipzig.de

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