Am Freitag, 25. Oktober, stellte die Fraktion der Grünen im Leipziger Stadtrat ihre Positionen zum Haushalt 2014 der Stadt Leipzig vor. Dieser ist ja sowieso schon ein Novum, denn OBM Burkhard Jung (SPD) und Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) hatten erstmals einen Entwurf für den neuen Haushalt vorgelegt, der noch eine Finanzierungslücke von 40 Millionen Euro aufwies.

Vorhergegangen war noch im Sommer eine Diskussion um ein befürchtetes Finanzierungsloch von 90 Millionen Euro. Doch auch mit einem Minus von 40 Millionen ist der Haushalt nicht genehmigungsfähig. Vielleicht sind es auch nur noch 30 Millionen. In der Verwaltung ist man ja nach wie vor am Suchen nach möglichen Reserven. Und den Stadtrat hat Bonew ganz explizit aufgerufen, selbst weitere Einsparmöglichkeiten zu benennen. Dem hat sich freilich am Donnerstag, 24. Oktober, die CDU-Fraktion entzogen. “Das alte Sprichwort ?Not macht erfinderisch’ scheine für den Oberbürgermeister und die Verwaltungsspitze nicht zu gelten. Man gewinne hier eher den Eindruck, die Finanznot macht lethargisch”, erklärte die CDU-Fraktionsvorsitzende Ursula Grimm und kritisierte vor allem OBM Jung für diesen Vorstoß.

Am Freitag, 25. Oktober, gab’s dafür heftige Kritik von der SPD-Fraktion. “Ich bin mir nicht sicher, ob die Aussagen der CDU-Fraktion von Lustlosigkeit oder mangelndem Verantwortungsbewusstsein zeugen. Wahrscheinlich ist es schlicht eine Mischung aus beidem. Gestaltungsanspruch definieren wir jedenfalls gänzlich anders als die CDU. Für uns gehört es zur seriösen kommunalpolitischen Arbeit, auch in finanziell schwierigen Zeiten Themen zu setzen und Vorschläge zu machen, wie man auch aus einem knappen Budget das Bestmögliche machen kann”, erklärte Fraktionsvorsitzender Axel Dyck.

Und ganz ähnlich sehen es die Grünen. Sie sehen die Aufgabe der Ratsfraktionen eher darin, wieder Gestaltungsspielraum zurückzugewinnen. “Dafür sind wir gewählt worden”, sagt Fraktionsvorsitzender Norman Volger. Deswegen müsse man wegkommen von diesem jährlichen “Bedarfeanmelden” der Ämter und Ressorts, die dann in zähen Verhandlungen erst wieder auf ein realistisches Maß herungergehandelt werden müssen. Die Grünen haben deswegen ein ganzes Antragsbündel vorgelegt. Zentraler Bestandteil ist ein Beschlussvorschlag zur “Strategischen Haushaltsplanung”. Dazu gehört die Definition einer Mittelfristigen Haushaltsplanung für die Verwaltung.

Für alle Ressorts werden schon im Vorjahr die Budgets definiert, mit denen sie ihre Aufgaben zu erfüllen haben. Um diese Budgetwerte einzuhalten, müssen sie mit einem Maßnahmenplan selbstständig dafür sorgen, dass die Budgetziele frühzeitig angesteuert und auch eingehalten werden. Das würde die Verwaltung auch dazu zwingen, wieder längerfristig und nicht nur von Haushalt zu Haushalt zu denken, heißt es in der Begründung. Denn echte Umstrukturierungen brauchen nun mal meist einen längerfristigen Horizont.

Der Effekt für den Stadtrat dabei: Er muss nicht mehr auf all die zuweilen nebulösen “Anmeldungen aus den Ämtern” warten, die jedes Jahr für neue Diskussionen sorgen. Er könnte die Ressorts an den vereinbarten Budgets messen, könnte sehen, ob die Ziele erreicht wurden.

Und wenn es dennoch Mehrbedarfe gibt, müssten die einzelnen Ämter diese zusätzlichen Bedarfe erläutern.

“Das wäre ein Paradigmenwechsel”, sagt Volger. “So könnte der Stadtrat das Heft des Handelns wieder zurückgewinnen.” Derzeit ist es eher so, dass die Verwaltung die Linien vorgibt und den Stadtrat in seinen Gestaltungsmöglichkeiten ausbremst.

Zum Gestalten gehört natürlich auch Gestaltungsmasse. Woher nimmt man die unterjährig, wenn das ganze Geld eh schon verplant ist?

Also beantragen die Grünen auch eine neue Haushaltsposition “Strategische Rücklage”, die mindestens 2,5 Prozent des Haushaltsvolumens umfasst. Mit diesem Geld – ungefähr 30 Millionen Euro – könnte der Stadtrat dann auch noch Entscheidungen finanziell untersetzen, ohne dass dabei Schulden gemacht oder im normalen Betrieb anderswo Lücken aufgerissen werden.

Derzeit ist es eher so, dass die Fraktionen in der Haushaltsplanung ihre “Wünsche” anmelden dürfen. Selbst ein positives Stadtratsvotum heißt dann nicht, dass sie tatsächlich auch umgesetzt werden. Oft genug, kritisiert Volger, werden Stadtratsentscheidungen auch einfach nicht umgesetzt, ohne dass es von der Verwaltung eine Begründung gibt, warum.

Dazu gehört für ihn auch das im Juni vorgelegte Vorschlagspaket zur Verwaltungstrukturreform, von Bürgermeister Andreas Müller (SPD) freudestrahlend entgegengenommen. Und hinter dem fröhlichen Verbalausflug zum “Bockwurstbeschluss” von OBM Burkhard Jung steckte damals auch ein Stück Verbissenheit. Denn zustande kam der Beschluss mit knapper Mehrheit von einer Stimme, als der OBM “auf eine Bockwurst” gerade mal den Sitzungssaal verlassen hatte.

Doch die Grünen sehen nicht ein, warum dieser mit 250.000 Euro finanzierte Reformvorschlag einfach wieder in den Schubladen verschwinden soll oder die Verwaltung irgendwann vielleicht mal einen Vorschlag macht.

Sie beantragen gleich im Haushalt 2014 eine Umsetzung von ersten Teilen der Strukturvorschläge im Gegenwert von 2 Millionen Euro. In den Folgejahren sollen weitere 4 Millionen Einsparpotenzial gefunden werden. “Wir wollen Ergebnisse sehen”, sagt Grünen-Stadtrat Ingo Sasama, den das Thema Verwaltungsreform seit 1999 umtreibt. “Wir haben immer wieder gedrängt und haben Vorschläge gemacht. Das Problem, das wir jetzt haben, war seit Jahren abzusehen. Aber die Verwaltung hat einfach nicht gehandelt.”

Da er sich seit Jahren mit der Materie beschäftigt, fallen ihm gleich einige Baustellen ein, wo Straffungen und Neuorganisationen dringend an der Zeit sind. So das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, das dem Finanzdezernat zugeordnet ist und auch 24 Jahre nach der Friedlichen Revolution noch in voller Ausstattung arbeitet. “Ich frag mich, welche Vermögen da heute noch geregelt werden oder ob die Arbeit mittlerweile nicht von zwei, drei Sachbearbeitern miterledigt werden könnte. Warum muss das ein selbstständiges Amt sein?”

Auch bei der Statistik sieht er Straffungs- und Bündelungsbedarf. Und er hinterfragt auch, ob Leipzig tatsächlich noch ein eigenes Verwaltungsdezernat braucht. “In anderen Großstädten sind Haupt- und Personalamt gebündelt und direkt dem OBM zugeordnet”, sagt Sasama. Betont aber auch, dass dies jetzt noch kein Antrag der Grünen zur Abschaffung des Verwaltungsdezernats ist. “Mit welchen Maßnahmen die Verwaltung die Reform untersetzt, könnte uns eigentlich egal sein. Das ist deren Aufgabe. Aber da muss jetzt was kommen”, sagt Sasama.

Aber auch das Personal selbst könnte zu den Sparanstrengungen beitragen, finden die Grünen. Ganz freiwillig. Dazu mehr morgen an dieser Stelle.

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