Das ging ja dann erstaunlich flugs: Kaum wurden die Pläne des Leipziger Liegenschaftsamtes publik, das 100 Jahre alte Leipziger Stadtbad auf der EXPO Real als Verkaufsobjekt zu präsentieren, fand die Verwaltung auch noch Zeit, eine Grünen-Anfrage vom 6. August zu beantworten. Die hatten nach dem lange schon versprochenen Nutzungskonzept für das Stadtbad gefragt.

Und das Dezernat Wirtschaft und Arbeit bestätigte nun, dass das Langerwartete auch vorliegt. “Der Verwaltung liegt ein Nutzungskonzept einschl. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vor. Die Einschätzung des Weges der Reaktivierung der Immobilie über eine Stiftung war nicht Gegenstand des Nutzungskonzeptes.”

Die Grünen wollten auch wissen, wie teuer die Erstellung des Nutzungskonzeptes war. Antwort: “Für die Erstellung des Nutzungskonzeptes wurden aus dem Haushalt des Liegenschaftsamtes 50.000,00 ? bereitgestellt. Die Kannewischer AG erhielt gemäß ihres Angebots vom 24.11.2010 auf Basis eines Vertrages eine Vergütung in Höhe von 49.861,00 ? brutto. Dieses Honorar beinhaltete die Vorlage des Nutzungskonzeptes, drei Besprechungen in Leipzig (Kick-off-Gespräch/Infobedarf, Zwischenpräsentation, Präsentation mit Schlussbesprechung) sowie sonstige Nebenkosten für Dienstreisen, Spesen, Telefonkosten, Vervielfältigungen, Beschaffung weiterer Unterlagen etc.. Darüber hinaus steht die Kannewischer AG noch heute für Gespräche zur Verfügung. Die Rechnung wurde am 30.11.2011 beglichen.”

Was ja dann schon die nächste erstaunliche Antwort enthält: Das Nutzungskonzept liegt seit zwei Jahren vor. Da dürften einige Stadtratsfraktionen jetzt ein bisschen unruhig werden. Warum wurden sie dazu nicht informiert? Wollte die Verwaltung eine Diskussion über das Thema verhindern? Was ja dann das nächste Thema berührt: Wollte die Stadt die Förderstiftung aus dem Boot haben? Immerhin hatte diese ja, um das Objekt bespielen zu können, eine Besitzüberlassung auf Zeit.

Das Wirtschaftsdezernat dazu: “Die Vereinbarung zur befristeten unentgeltlichen Besitzüberlassung an die Förderstiftung Leipziger Stadtbad endete zum 31.12. 2012 und wurde nicht verlängert. Stattdessen erhielt die Stiftung, auch unter Beachtung von Hinweisen des Rechnungsprüfungsamtes, ab 01.03.2013 einen Mietvertrag mit der Maßgabe, dass diese auf eigene Gefahr und Kosten das Objekt für Veranstaltungen und Events nutzt. Es wurde je Veranstaltung die Zahlung eines festen
Mietzinses neben der Begleichung eigener verbrauchsabhängiger Betriebskosten vereinbart. Der Vertrag gilt unbefristet und ist mit einer Frist von zwei Monaten kündbar.”

Und dann die wohl zentrale Frage der Grünen: “Warum wurde die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und das daraus folgende Nutzungskonzept bis heute nicht den städtischen Gremien und der Öffentlichkeit vorgestellt?”

Die Antwort des Wirtschaftsdezernats zeigt, wie eng man verwaltungsintern in Leipzig gern das Thema Öffentlichkeit begreift: “Das Nutzungskonzept der Kannewischer AG liegt seit August 2011 vor und kommt zu dem Ergebnis der Erforderlichkeit eines öffentlichen Investitionskostenzuschusses in Höhe von 10 Mio. ?. Die finanzielle Umsetzbarkeit des Konzeptes wurde in mehreren verwaltungsinternen Haushaltsabstimmungen beraten, jedoch wegen der dringlich zu finanzierenden Pflichtaufgaben der Stadt Leipzig (Kitas, Schulen) als gegenwärtig nicht umsetzbar festgestellt.”So weit, so gut. Aber warum wurde der Stadtrat nicht in Kenntnis gesetzt?

“Im Nutzungskonzept ist das rechtliche Konstrukt nicht betrachtet worden. Im Nachgang hierzu erfolgte deshalb ein Erfahrungsaustausch mit der Betreibergesellschaft des Stadtbades Gotha, der auch die umfangreiche Prüfung der Fördermittelproblematik zum Gegenstand hatte. Darüber hinaus wurden Überlegungen zur Unterbringung des Naturkundemuseums im Stadtbad angestellt. – All diese nachträglichen Untersuchungen haben Zeit beansprucht. Die Ergebnisse der Auswertung des Konzeptes und der dazu geführten Untersuchungen werden derzeit in einer Vorlage zusammengefasst, die dem Stadtrat in Kürze vorgelegt werden soll.”

Zwei Jahre und keine Zeit, den Stadtrat über die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens in Kenntnis zu setzen? Warten, bis eine Fraktion sich erinnert, dass da ein Auftrag vergeben worden war?

Oder spricht sich hier wieder dieselbe Verwaltungshaltung aus, die die Leipziger (und ihre Stadträte) auch bei anderen nicht ganz unwichtigen Großprojekten erlebt haben: Die wichtigsten (Vor-)Entscheidungen fallen alle verwaltungsintern. Eine Beteiligung öffentlicher Gremien ist gar nicht erwünscht. Und wenn man dann “Nägel mit Köpfen” gemacht hat, präsentiert man das Ergebnis mit Stolz, man denke nur an die Eiertänze um das Freiheitsundeinheitsdenkmal. (Mal als Zwischentext: Die Stiftung hat man dann wohl so ungefähr im Herbst 2012 aus der Rechnung gestrichen. Was auch ungefähr der Zeitpunkt war, als die “Überlegungen mit dem Naturkundemuseum” aufkamen – mit bekanntem Ergebnis.)

Also fragten die Grünen: “Wann kann damit gerechnet werden, dass die Verwaltung dem Stadtrat einen Vorschlag für die künftige Nutzung und Betreibung inklusive einer Sanierung vorlegt?”

Und das zuständige Dezernat antwortete: “Wie unter 4. mitgeteilt, wird derzeit eine Vorlage zu den Ergebnissen des Nutzungskonzeptes und dem weiteren Verfahren erstellt. Diese soll dem Stadtrat in Kürze vorgelegt werden.”

Das kann man auch so übersetzen: “Nu ja, wenn ihr schon so nachfragt, informieren wir auch mal …”

Und noch eine Grünen-Frage. Ist ja ein nicht ganz unbeliebtes Gebäude, das da für mindestens 500.000 Euro verkauft werden soll: “Ist hinsichtlich des weiteren Verfahrens eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen und wenn ja, auf welche Weise und wann?”

Das “Nuja” aus dem Wirtschaftsdezernat: “Die Öffentlichkeit wird über die zu 4. genannte Vorlage informiert werden. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit darüber hinaus wird im Rahmen eventuell nachfolgender Verfahren erfolgen.”

Was im Klartext ja wohl heißt: Die Sache ist gelaufen und entschieden. Die geliebte Öffentlichkeit kommt dann dran, wenn alles fertig ist. Und sowieso nichts mehr zu ändern. Das nennt man ein Déjà-vu-Erlebnis.

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