Die Frage ist berechtigt: Wo stünde Leipzig heute bei seinen Luftwerten, wenn alle Maßnahmen, die im Luftreinhalteplan der Stadt aufgeschrieben stehen, auch umgesetzt wären? Nicht nur die Grünen haben so ihre Zweifel, ob die Stadtverwaltung das Papier, das auch der EU vorgelegt werden musste, wirklich ernst nimmt. Linke-Stadtrat Jens Herrmann-Kambach hatte ein ganzes Fragenpaket dazu an die Stadtverwaltung gestellt.

Als Antwort bekam er ein Antwortpaket zurück. Das Paket wird ihn selbst so wenig zufriedenstellen wie die Leipziger selbst. Er hatte ja sogar sehr suggestiv gefragt: “Luftreinhalteplan – Aufstellung Pflicht – Umsetzung freiwillig?”

Die Antworten zeigen eine Art Bearbeitungsmentalität. Mehr aber auch nicht. Man macht, was notwendig ist, oft genug wirklich nicht mehr als das. Die Einzelmaßnahmen macht man von verfügbaren Budgets abhängig. Die zentrale Verantwortung hängt irgendwo in Abstimmungsgruppen und Kommissionen. Und manche “Maßnahme” steht nur irgendwie da – so nach dem Motto: Mal sehen, was kommt. Etwa: “Zur Maßnahme 1.2 “Förderung des ÖPNV” wird als Fazit unter anderem ausgeführt: “Die von der LVB unterbreiteten Verbesserungsvorschläge sollten innerhalb der Stadtverwaltung Berücksichtigung finden.” Inwieweit fanden die Vorschläge der LVB bisher Berücksichtigung innerhalb der Stadtverwaltung? Welche Vorschläge wurden umgesetzt und welche abgelehnt?, fragte Herrmann-Kambach. Die Antworten sind eher dürftig. Augenscheinlich machen die LVB keine Vorschläge, die umgesetzt werden.

Nicht einmal den, den die Grünen aufgegriffen haben, den LVB jetzt endlich mal Geld zum Kauf neuer Straßenbahnen zur Verfügung zu stellen.

Es ist so ein kleiner Punkt, der stutzen lässt. Es steht zwar überall “Maßnahme” zu den Einzelpunkten des “Luftreinhalteplanes”. Aber selbst zwei Jahre nach Fertigstellung wartet man vergeblich darauf, die ganze Liste wirklich mit Taten und Geldern untersetzt zu sehen. Das hatte ja vor einem Jahr auch schon die CDU festgestellt, die seinerzeit extra einen Antrag für mehr Baumpflanzungen in Leipzig gestellt hat.Wirklich viel passiert ist seitdem nicht. Ganze 166 neue Straßenbäume wurden zum Beispiel 2011 gepflanzt. Das ist nicht einmal ansatzweise das, was die Verwaltung in ihrem “Luftreinhalteplan” versprochen hat. Da stehen 5.000. “Glaubt die Verwaltung, dass sie so einfach davonkommt?”, fragt der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Norman Volger. “Die lesen doch in Brüssel den Luftreinhalteplan genauso wie wir. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die nicht wissen wollen, wie Leipzig das alles umgesetzt hat.”

Wie sehr sich die Verwaltung in der Umsetzung der Maßnahmen mit finanziellen Zwängen aus der Misere zu ziehen versucht, zeigt zum Beispiel die Nachfrage von Herrmann-Kambach zu ” M 1.4 – Unterstützung bei der Umstellung des kommunalen und gewerblichen Fuhrparks auf schadstoffreduzierte Antriebe/Fahrzeuge.” Dazu merkte er gleich kritisch an: “Im Fazit wird dargestellt, dass 2011 das städtische Förderprogramm zur Unterstützung der Umrüstung gewerblicher Fuhrparks auf schadstoffarme Antriebe nicht realisiert wurde.”

Achja, und warum nicht? – “Die Erarbeitung eines Förderprogramms war bereits im Luftreinhalteplan 2005 vorgesehen, konnte aber aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden”, antwortet die Verwaltung. “Mit dem Luftreinhalteplan 2009 wurde erneut ein Förderprogramm auch vor dem Hintergrund der Einführung der Umweltzone diskutiert. Aufgrund der beträchtlichen Kosten eines Förderprogramms und der finanziellen Haushaltslage wurde entschieden, die Auswirkung der Umweltzone über die im Übrigen erforderliche Erteilung von Ausnahmegenehmigungen abzufedern.”

Man hat also nicht nur die eine Maßnahme “aus finanziellen Gründen” unterlassen, man hat sie quasi im Gegenzug über die Maßnahme “Umweltzone” durch “Erteilung von Ausnahmegenehmigungen” ersetzt.

Da wird nicht nur der Linke-Stadtrat Kopfschmerzen beim Lesen bekommen.

Die Grünen zumindest sind sich gar nicht sicher, dass bei einer Überprüfung durch die EU nicht ein paar vielleicht sogar sehr teure Sanktionen auf Leipzig zukommen. “Und wenn es nur ein paar autofreie Sonntage sind”, sagt Volger. “Denn bekanntlich liegt Leipzig nach wie vor über den geforderten Grenzwerten. Trotz Umweltzone.”

Um zumindest einen weiteren Pflock einzuschlagen, beantragt die Grünen-Fraktion deshalb für den Haushalt 2014 die Gelder zur Pflanzung von 1.000 neuen Straßenbäumen. Was zumindest ein Anfang wäre, wenn Leipzig bis 2015 5.000 Stück davon neu zu pflanzen versprochen hat. 2015 ist übrigens eine Art Galgenfrist. Denn am 20. Februar 2013 hat die EU-Kommission der Stadt Leipzig die Frist, den NO2-Grenzwert zu unterbieten, bis zum 1. Januar 2015 verlängert. Es sind nicht nur die Feinstaub-Grenzwerte, die Leipzig regelmäßig überschreitet, sondern eben auch die Grenzwerte für Stickoxyde.

Das Antwortpaket für Jens Herrmann-Kambach zum Luftreinhalteplan: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/78BDFC182AB33B27C1257C0D0045CE47/$FILE/V-f-928-940_942-958-antwort.pdf

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