Am 18. September, bei der Vorstellung des Entwurfs zum Haushalt 2014 der Stadt Leipzig, kündigte Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) auch die Abschaltung des Online-Haushaltsplanrechners der Stadt Leipzig an. Begründung: Die nun zu diskutierenden 40 Millionen Euro für den Haushalt 2014 wären mit dem Instrument so nicht darstellbar. Die Leipziger Agenda-Gruppe äußerte ihr Bedauern. Die Linksfraktion protestiert jetzt.
Laut und deutlich. Denn damit wird auch ein Versprechen nicht eingelöst, dass die Verwaltung dem Stadtrat gegeben hat: Nämlich genau das zu tun, was möglicherweise zeigt, wo überhaupt noch Sparpotenziale im Haushalt sind – durch Simulation von Ertrags- und Finanzhaushalt.
Der Haushaltsplanrechner war nicht nur ein wichtiges Projekt im Leipziger Agenda-Prozess, er war auch ein Schritt hin zu mehr Transparenz. Nicht einmal die Stadträte wissen wirklich, welches Geld wo ausgegeben wird. Der Haushaltsplanentwurf ist mehrere tausend Seiten dick. Man kann sich zwar zu all den kleinen Posten durchblättern, mit denen man sich schon mal beschäftigt hat. Aber das ergibt kein Bild davon, was in der Verwaltung tatsächlich gebraucht wird, ob die Personalstärke stimmt, ob einige Ressorts vielleicht sogar überflüssig sind, andere sogar unterbesetzt.
Was sind Pflichtaufgaben? Was davon muss die Stadt in dieser Form absichern? Was sind Kosten, die Bund und Land einfach mal an die Kommunen durchgereicht haben – ohne die nötige Finanzierung? Welche Gelder müssen in die Stadtholding LVV fließen? Und welche Effekte hat es, wenn jetzt auch schon wieder die Szene der freien Jugendträger blutet?
Und noch etwas könnte ein moderner Haushaltsplanrechner zeigen: Welche Einsparungen wirklich weh tun, wo es an die Substanz geht. Oder wo gar neue Kosten auf die Leipziger Bürger zurollen.
“Die Entwicklung der Bürgerbeteiligung bei Fragen des kommunalen Haushalts ist ein langwieriger und bisweilen mühseliger Prozess. Um ihn zu befördern, hat die Leipziger Agenda 21 vor Jahren einen speziellen Haushaltsrechner entwickelt, dessen Ziel es war, ‘für möglichst viele interessierte Bürgerinnen und Bürger Voraussetzungen für eine angemessene Information zum städtischen Haushalt zu schaffen und ein modernes Instrument zur direkten Mitsprache an der Plandiskussion
zu bieten.'” So zitiert der Linke-Stadtrat Steffen Wehmann. “Dies soll Voraussetzungen für eine öffentliche und transparente Haushaltsdiskussion schaffen und hat sich in den vergangenen Jahren bewährt.”Aber wenn der Rechner nun abgeklemmt ist – wer soll da auf welcher Grundlage noch mitdiskutieren? Die Einsparvorschläge aus Verwaltung und Fraktionen werden immer nur punktuelle sein. Sie ergeben kein Bild. Sie ergeben auch kein deutliches Bild davon, wo und warum der Leipziger Haushalt derart unterfinanziert ist, dass Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) im Frühling die Devise ausgab, 90 Millionen Euro an Einsparungen müssten gefunden werden.
“Vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage der Stadt hat sich nunmehr Finanzbürgermeister Bonew entschlossen, den Haushaltsrechner zu beerdigen, um 10.000 Euro einzusparen”, glaubt Steffen Wehmann einen anderen Grund fürs Abklemmen des Rechners gefunden zu haben. “Die Bürgerbeteiligung soll stattdessen durch eine Bürgerwerkstatt mit beschränkter Öffentlichkeit erreicht werden. Dies ignoriert nicht nur die bisherigen guten Erfahrungen mit dem Haushaltsrechner aus den vergangenen Jahren. Es widerspricht auch dem Beschluss des Stadtrates vom 19. Juni diesen Jahres.”
Darin heißt es unter anderem: “Die Verwaltung prüft Möglichkeiten, innerhalb des Haushaltsrechners ein elektronisches Werkzeug zur Simulation des Ertragshaushaltes und des Finanzhaushaltes für die Stadträte und die interessierte Öffentlichkeit zu erstellen. Eine erste Berichterstattung zum Status quo und eventueller Optionen für die Haushaltsplandiskussion 2014 erfolgt nach der Sommerpause 2013 im Fachausschuss Finanzen.”
Es war übrigens ein Antrag der Grünen-Fraktion, der auch recht deutlich zeigte, wie Transparenz für den Leipziger Haushalt tatsächlich auch für Nicht-Finanzexperten hergestellt werden könnte:
“Folgende Simulationsmöglichkeiten sollen möglich sein:
– Zentrale Simulationsebene ist die Budgetierung, also Ertragsrechnung (Aufwendungen und Erträge je Produkt summieren sich über die Ebenen der Produktgruppen und Produktbereiche zum Haushaltsergebnis)
– Die vertraglich bereits eingegangenen Verpflichtungen sowie die Pflichtaufgaben sind abzubilden.
– Die Werte aus der Budget bezogenen Mittelfristplanung aus dem vorherigen HH-Plan auf Produktebene werden abgebildet
– Zentrale Simulationsvariablen sind die Budgets auf Produktebene (Wird höher aggregiert, ist dies im Finanzausschuss zur Abstimmung zu stellen)
– Simulationshorizonte sind das aktuelle Planungsjahr sowie die Mittelfristplanung
– Die begrenzenden Vorschriften zur Ausgeglichenheit des Finanzhaushaltes sind abzubilden
– logische Zusammenhänge sind abzubilden (Schuldenstand zu Zinsaufwand, Hebesätze zu Steuereinnahmen, Personalstellen z. B. im Ordnungsamt zu generierten Strafzetteleinnahmen”
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Und die Verwaltung lehnte das Projekt auch nicht ab. Im Gegenteil: Insbesondere das Dezernat Finanzen stimmte zu. “Die Beschlussvorlage wird ergänzt um: Die Verwaltung schlägt vor, dass das im Dezernat II angesiedelte Projekt Finanzcontrolling entsprechende Möglichkeiten auslotet, die den Vorstellungen des Antragstellers entsprechen.”
Heißt also auch hier: Eine transparentere Darstellung auch aller Folgen möglicher Einsparungen wäre möglich. Genauso, wie die “begrenzenden Vorschriften zur Ausgeglichenheit des Finanzhaushaltes” sichtbar gemacht werden könnten. Also das, worauf dann die Genehmigungsbehörde wieder achtet. Wozu dann eben auch das so sächsische Neuverschuldungsgebot gehört. Das auch dafür sorgt, dass Kommunen ihre aufklaffenden Finanzierungslücken nicht mit neuen Krediten schließen dürfen.
Für Steffen Wehmann heißt es also: Nicht abklemmen den Haushaltsplanrechner, sondern genauso qualifiziert erweitern, wie es der Stadtrat am 19. Juni beschlossen hat. Wehmann: “Wir fordern Oberbürgermeister Jung und Finanzbürgermeister Bonew auf, im Zuge der weiteren Haushaltsdiskussion jenen Beschluss ohne Wenn und Aber im Interesse des Ausbaus der Bürgerbeteiligung in der Stadt umgehend umzusetzen.”
Der Grünen-Antrag: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/1C233E47083DCEE3C1257B0100431735/$FILE/V-a-395.pdf
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