Gute Noten bekommt die scheidende Bundesfamilienministerin Kristina Schröder für ihre Familienpolitik keine. Auch nicht für ihr "Bildungs- und Teilhabepaket". Wichtige Bausteine waren - wie die Schulsozialarbeiterstellen - befristet und laufen schon zum Jahresende wieder aus. An anderer Stelle hat sie in funktionierende Systeme eingegriffen und mit einem bürokratischen Aufwand sogar mehr Ärger gemacht als Freude. Stichwort: Schülerbeförderung. Darüber streiten sich seit dieser Woche in Leipzig auch SPD und Linke.

In der Ratsversammlung am Mittwoch, 18. September, war es Thema. Die SPD-Fraktion hatte eine Anfrage zur Umstellung der Finanzierung der Schülerbeförderung über das Bildungs- und Teilhabepaket gestellt. Die SPD-Fraktion hatte dazu Schreiben von Eltern bekommen, deren Anträge auf Förderung abgelehnt wurden. Und abgelehnt wurden eben nicht nur ein paar.

“Nach Aussage der Verwaltung wurden lediglich 15,3 Prozent der Anträge vom Sozialamt positiv beschieden, beim Jobcenter liegt die Quote sogar bei unter einem Prozent. Insgesamt wurden bisher 2.172 Anträge bearbeitet. Die Bewilligungsquoten liegen weit unter denen der Vorjahre”, stellt nun Christopher Zenker, Mitglied im Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule für die SPD, betroffen fest.

Seit Beginn des Schuljahres 2013/14 werden Leistungen für die Schülercard für die Kinder von Beziehern von Arbeitslosengeld II, Wohngeld und jenen, die einen Zuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz bekommen, aus dem Leistungspaket “Bildung und Teilhabe” finanziert. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die einfache Entfernung zwischen Wohnort und der besuchten Schule für Schüler bis einschließlich der 9. Klasse mehr als 2 Kilometer bzw. 3 Kilometer für Schüler ab der 10. Klasse beträgt.

“Die hohen Ablehnungsquoten halten wir für unrealistisch und damit für ungerechtfertigt. Wir raten Eltern, die eine Ablehnung erhalten haben, in Widerspruch zu gehen. Vor allem dann, wenn der Ablehnungsgrund war, dass nicht die nächstgelegene weiterführende Schule bzw. eine freie Schule besucht wird. Der Widerspruch muss jedoch begründet sein”, so Zenker.

Die Stadtverwaltung führt in der Anfrage die Gründe aus, die einen Widerspruch rechtfertigen: Das können zum Beispiel das besondere Profil einer Schule sein oder die Tatsache, dass bereits ein Geschwisterkind jene Schule besucht, dass ein Wohnortwechsel ohne gleichzeitigen Schulwechsel vorliegt, oder, dass die nächstgelegene Schule nicht behindertengerecht ausgestattet ist. Ein weiterer Grund, der leider auch immer öfter vorkommt, ist die fehlende Aufnahmekapazität der nächstgelegenen Schule.”Die Umstellung auf das Bildungs- und Teilhabepaket ist scheinbar bisher nur suboptimal in der Verwaltung und im Jobcenter verlaufen”, meint Zenker ganz, ganz vorsichtig. “Sozialamt und Jobcenter müssen schnellstmöglich korrigierend eingreifen und die Antragsbearbeitung überarbeiten. Wenn rechtlich möglich, sollte neben der Einkommenssituation nur noch die Entfernung zwischen Wohnort und besuchter Schule als Bewilligungsgrundlage herangezogen werden, da Eltern entweder gezwungen sind, oder aus Gründen des Profils, eine andere als die nächstgelegene Schule zu wählen. Dies würde massiv Bürokratie abbauen und Eltern und Verwaltung entlasten.”

Keineswegs überrascht von diesem amtlichen Chaos, das schon von vornherein mehr auf Verhinderung als auf Förderung angelegt war, zeigt sich der Stadtrat der Linken Jens Herrmann-Kambach. “Nach Schreiben von betroffenen Eltern hat nun offenbar auch die SPD-Fraktion bemerkt, dass die Bearbeitung der Anträge auf Unterstützung bei der Schülerbeförderung völlig unbefriedigend ist”, sagt er in Reaktion auf den sehr vorsichtigen Vorstoß der SPD. “Darauf habe ich bereits bei Beschlussfassung zur Änderung der Schülerbeförderungssatzung in der Ratsversammlung im Juli hingewiesen – leider ohne Resonanz und auch ohne Unterstützung durch die SPD. Eine Nachbesserung der Satzung im Sinne der Betroffenen wäre besser gewesen als nun im Nachhinein lediglich den Widerspruchsweg zu empfehlen. Die Familien brauchen jetzt die Unterstützung und können sich lange Streitereien mit den Ämtern nicht leisten. Ich erwarte, dass die Verwaltung ihre eigenen Aussagen bei der Beantwortung der SPD-Anfrage zum Anlass nimmt, um schnell und unbürokratisch Abhilfe zu schaffen und dass die SPD-Fraktion ihren Bürgermeister in die Pflicht nimmt.”

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