Die Ratsversammlung wird sich am 23. November nur kurz damit beschäftigen: Der Lärmaktionsplan der Stadt steht dann nur noch als Informationsvorlage auf der Tagesordnung. Beschlossen hat ihn die Verwaltungsspitze schon am Dienstag, 17. September. Denn es ist, wie Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal sagt, eine Hausaufgabe der Stadt. Eine ganz alte.

Schon 2007 hätte die Stadt Leipzig den Lärm in der Stadt kartieren müssen, 2008 wäre der Lärmaktionsplan fällig gewesen. 2009 machte die Grünen-Fraktion Druck: Wann kommt das alles endlich? – Sie fragte zu recht. Leipzig ist keine leise Stadt. Auch Tausende Leipziger leiden unter Lärm. In der Bürgerumfrage fragt es die Stadt jedes Jahr ab. Die Ergebnisse sind jedes Mal deutlich: Vor allem Kfz-Lärm belastet die Leipziger stark. Und zwar über aller Jahrgänge hinweg. Junge Leute zwischen 18 bis 24 Jahren fühlen sich davon genauso belastet wie alte Leipziger zwischen 75 und 85.

Doch der Umfang dessen, was an Lärmkartierung und Lärmschutzstrategien alles dran hängt, hat augenscheinlich nicht nur Leipzigs Verwaltung überrascht. “Wenn ich da sehe, wie weit die anderen Großstädte so sind, dann sind wir hier in Leipzig auf einem guten Stand”, sagte Heiko Rosenthal am Donnerstag, 19. September. Eine Lärmkartierung findet der Leipziger mittlerweile im Internet – sogar schon in der Version 2.0, denn mittlerweile hat man die neuesten Berechnungen aus dem Jahr 2012 einbezogen. Die umfassen nicht nur das ganze Stadtgebiet, sondern auch erstmals den Fluglärm.

Der Lärmaktionsplan wieder, den die Stadtspitze am Dienstag beschloss, basiert auf den Lärmkarten, die seit 2009 im Internet zu sehen waren. Sie umfassten nur das zentrale Stadtgebiet, zeigten aber auch damals schon deutlich, dass die großen Hauptstraßen und vor allem die Autobahn im Norden der Stadt die stärksten Lärmquellen sind mit Belastungspegeln von 60, 65 und 70 Dezibel und teilweise noch mehr db (A). Sie leuchten auch in den neuen Lärmkarten knallrot bis violett.

Die Frage, die Leipzigs Verwaltung lange beschäftigte, war freilich die: Ab wann muss man handeln? Grenzwerte, die Kommunen zum Einschreiten zwingen, gibt es nicht. Nur Richtwerte. Für zwei davon entschied sich die Leipziger Stadtverwaltung: 70 db (A) am Tag und 60 db (A) in der Nacht. Das ist recht hoch. Heiko Rosenthal spricht ganz bewusst auch von der Spitze des Eisbergs.

Noch komplexer wird es, wenn über die möglichen Lösungswege diskutiert wird. 2011 durften die Leipziger sich ja intensiv mit der Lärmaktionsplanung beschäftigen. “Da wählten wir mit einer moderierten Online-Diskussion auch einen für uns neuen Weg”, sagt Rosenthal. “Und aus unserer Sicht einen sehr erfolgreichen.”

Heißt im Klartext: Viele Vorschläge aus dieser Bürgerbeteiligung flossen in den Lärmaktionsplan mit ein. Der dann über 100 Seiten dick – ab Oktober ebenfalls im Internet abrufbar sein soll.

Rosenthal betont aber auch: Weder Lärmkarten noch Lärmaktionsplan (LAP) geben den Bürgern jetzt irgendwelche juristischen Argumente in die Hand, mit denen sie nun weniger Lärm einklagen können. Der Lärmaktionsplan, so Rosenthal, ist jetzt eher eine strategische Richtlinie für die Verwaltung, an denen sie ihre Planungen orientiert. Bei Baumaßnahmen, so die Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau, würde man sowieso schon moderne Standards anwenden und eine Lärmminderung, wo möglich, mit einplanen.

“Auch das im Stadtrat am 18. September beschlossene Mittelfristige Straßen- und Brückenbauprogramm legt als Rahmenplan einen Grundstein zur Verbesserung der Lärmsituation, verbesserte Straßenbeläge mindern Lärm und durch bessere und mehr Radverkehrsanlagen fällt das Umsteigen vom Auto auf andere Verkehrsmittel leichter, was am Ende spürbar zur Verbesserung beiträgt.”Da sich der LAP mit anderen Plänen – wie dem STEP Verkehr und dem Luftreinhalteplan – direkt ergänzt, wären Lärmminderungsmaßnahmen bei jeder Bauinvestition schon Verwaltungshandeln. Trotzdem listet der LAP auch mehrere Maßnahmen auf, wie kurzfristig weitere Lärmminderung erreicht werden könne.

Dazu gehören 17 Vorschläge zur Einrichtung von Tempo-30-Zonen. “Ein Anliegen, das auch immer wieder aus der Bevölkerung kommt”, so Dubrau. “Welche wir demnächst einrichten, das prüfen wir jetzt.” Aber ein altes Lieblingsthema der Leipziger Verkehrsteilnehmer taucht auch wieder auf: die Koordinierung der Lichtsignalanlagen. Was nicht unbedingt dasselbe ist wie eine Verbesserung des Verkehrsflusses, der auch im LAP steht. Und der eben nicht nur die Autofahrer betrifft – denn unter dem stockenden Verkehrsfluss leiden in Leipzig auch Nutzer des ÖPNV, Radfahrer und Fußgänger.

Zum Thema Verkehrsfluss gehören auch elektronische Geschwindigkeitsanzeiger an Leipziger Straßen – auch an Hauptstraßen könnten welche aufgestellt werden. Sie zeigen den Autofahrern die optimale Geschwindigkeit an, die es zu halten gilt, damit der Fluss nicht stockt. “Das können 30 km/h sein oder 50, je nachdem”, betont Peter Heinz aus dem Umweltamt. Es ginge dabei weniger um eine Geschwindigkeitsreduzierung, sondern um einen gleichmäßigen Verkehrsfluss. Den nicht nur Bummler sorgen für Staus und Stockungen – auch Raser. Sie merken es nur nicht. Und es sind die Raser, die nicht unwesentlich zum Verkehrslärm in Leipzig beitragen.

Wahrscheinlich viel mehr als die noch verbliebenen Lkw, die die Leipziger Innenstadt für die Durchfahrt nutzen. Die Freigabe der A 38 hat den Lkw-Durchfahrtsverkehr in Leipzig schon um rund 70 Prozent gesenkt. Für den Rest – so überlegt jetzt die Verwaltungsspitze – könnte ein Durchfahrtsverbot verhängt werden, das an den Zufahrten zur Stadt auch ausgeschildert wird.

Aber der LAP vereint natürlich auch reihenweise Maßnahmen, die schon in anderen Plänen der Stadt auftauchen. Das reicht von einem Ausbau des ÖPNV, des Rad- und Fußverkehrs bis zu Jobtickets, E-Mobilität und grünen Gleisen für die Straßenbahn.

“Aber wir verstehen den Lärmaktionsplan natürlich auch als Appell an die Bevölkerung”, sagt Dubtrau. Denn da ein Hauptteil des Lärm durch privaten Kfz-Verkehr erzeugt wird, müsse auch dort ein Umdenken stattfinden. Auch im täglichen Verkehrsverhalten”, sagt sie.

Und da die Lärmkarten im Internet bis aufs Haus genau anzeigen, wie hoch die Lärmbelastung vor Ort ist, hätte das möglicherweise auch Folgen für die Immobilienpreise. “Denn wer will denn nicht ruhig wohnen”, fragt die Baubürgermeisterin. Eine berechtigte Frage, die mit der Fortschreibung des LAP (die vielleicht 2015 diskutiert wird) noch interessanter wird, denn dann ist auch der Fluglärm mit drin (der jetzt im LAP noch fehlt). Und dann rückt das Thema Gesundheit noch stärker in den Fokus, denn die Kommunen haben ja die “Hausaufgabe” mit den Lärmaktionsplänen bekommen, weil man selbst auf EU-Ebene nicht mehr bestreitet, dass Lärm krank macht.

Die Lärmkarten: http://www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/luft-und-laerm/laermschutz/

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