Leipzig hat in der kommenden Bundestagswahl wieder zwei Direktmandate zu vergeben: eines im Norden (Wahlkreis 152) und eines im Süden (Wahlkreis 153). Um diese bewerben sich zwölf Kandidaten der etablierten Parteien. Im Interview erzählen diese, warum sie gewählt werden möchten, wie sie die Stadt sehen und was sie im Falle eines Wahlsiegs in Angriff nehmen wollen. In der sechsten Folge äußert sich Monika Lazar, die bereits für die Grünen im Bundestag sitzt und für das Direktmandat im Leipziger Süden kandidiert. Lazar ist auch Spitzenkandidatin ihrer Partei in Sachsen.
Wie viel haben Sie zuletzt für eine Fahrt mit der Straßenbahn bezahlt?
Das normale Ticket kostet ja 2,30 Euro, die Kurzstrecke 1,60 Euro. Ich nutze längere Strecken mit der Straßenbahn, da ich sonst eher mit dem Fahrrad unterwegs bin. Oder im Winter, als Schnee lag, bin ich auch auf die Straßenbahn umgestiegen. Und durch die ganzen Baustellen zur Zeit ist man doch froh, sich mit dem Rad irgendwie durchschlängeln zu können.
Was hat Sie in der vergangenen Legislaturperiode am meisten geärgert?
Hach, geärgert hat einen vieles. Ein Beispiel aus meinem Zuständigkeitsbereich: die Extremismusklausel. Die zuständige Ministerin Kristina Schröder hat es eingerichtet, dass jene, die Geld über das Bundesprogramm haben wollen, seit knapp zwei Jahren unterschreiben müssen, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Ziemlich abartig, denn das sind Leute, die Demokratiearbeit im Alltag leisten, oft ehrenamtlich. Warum sollen sie das unterschreiben? Da gab es auch in Leipzig einige Initiativen, die gesagt haben, sie unterschreiben das nicht. Für Sachsen kommt verschärfend hinzu, dass es auch hier eine Extremismusklausel gibt. Das heißt wenn Projekte das nicht unterschreiben, bekommen sie gar kein staatliches Geld. Das war das ärgerlichste, weil es die Arbeit der Initiativen ungeheuer erschwert.
Worüber haben Sie sich am meisten gefreut?
Erst vor kurzem, dass wir beim Thema Gleichstellung von Homosexuellen endlich weiter gekommen sind. Das lag nicht daran, weil die Bundesregierung so gut war, sondern weil das Bundesverfassungsgericht in den letzten Monaten Urteile gefällt hat, bei denen die Bundesregierung quasi gezwungen war, das umzusetzen: Einmal zum Thema Adoption, wo es nun ganz klare Beschlüsse gibt. Es muss egal sein, in welchem familiären Zusammenhängen die Kinder aufwachsen. Und es ist nachgewiesen, dass es Kindern in Regenbogenfamilien genauso gut geht.
Und dann hatten wir in der letzten Sitzungswoche im Bundestag, dass jetzt auch eingetragene Lebenspartnerschaften das Ehegattensplitting beantragen können. In Klammern gesprochen: Wir Grüne wollen das Ehegattensplitting generell dann wieder abschaffen aber wir haben immer gesagt, solange es das gibt, soll es da keinen Unterschied geben. Außerdem wollen wir die Lebenspartnerschaften künftig in Richtung Ehe öffnen, so dass sie auch für Homosexuelle möglich ist. Von daher sind unsere Forderungen weitergehend, doch durch die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes konnte man in den letzten Jahren wenigstens einige Schritte in die richtige Richtung machen.
Welche Projekte werden sie für Leipzig in Angriff nehmen, wenn sie gewählt werden?
Projekte für Leipzig – das ist schwierig – man sitzt nicht als Lobbyist seiner Stadt im Bundestag, sondern muss ein ganzes Spektrum bearbeiten. Man hat das eigene Fachgebiet, dann ist man für die grüne Partei mit drin aber man vertritt auch seine jeweilige Region. Man kann das gar nicht so sagen: Genau das will ich für Leipzig erreichen. Man hat den Hintergrund, lebt hier nach wie vor und hat die Kontakte hier. Auf verschiedenen Terminen nimmt man auf, was die Menschen hier bewegt und versucht, das in die eigene Politik einzuspeisen. Das würde ich nicht auf Leipzig eingrenzen, eher auf Sachsen. Hier ist die Arbeitslosigkeit immer noch höher und das Lohn- und Gehaltsniveau niedriger. Und da muss man Leipzig explizit raus nehmen, weil es hier immer noch schwieriger ist als im sächsischen Durchschnitt. Manchmal versucht man auch konkrete Dinge, mit Berliner Gewicht, hier zu bewirken.
In der letzten Wahlperiode gab es zwei Anlässe, bei denen alle Leipziger Bundestagsabgeordneten an einem Strang gezogen haben. Zum einen als im Gespräch war, die ICE-Anbindung von Leipzig an Berlin nicht mehr stündlich anzubinden. Und in jüngerer Zeit, als es darum ging die Öffnungszeiten Deutsche Nationalbibliothek zu kürzen. Da macht man als Leipziger Bundestagsabgeordnete auch mal gemeinsam Druck.
Solche konkreten Sachen sind meist nicht langfristig vorhersehbar. Das ergibt sich, so wie die Probleme liegen. Zum Beispiel habe ich mich in Leipzig auch für die Petition gegen Fluglärm eingesetzt. Ich habe die Bürgerinitiativen über mehrere Jahre begleitet und Position dazu bezogen, insbesondere bei der Südabkurvung.
Warum sollten die Leipziger Sie wählen?
(Lacht) Ja, dass kann man mit verschiedenen Argumenten begründen. Einmal insgesamt für grüne Politik. Wir haben ein sehr gutes Wahlprogramm und wer mehr Grün in Berlin haben will, von Leipzig aus, von Sachsen aus, der kann mich mit beiden Stimmen wählen. Einmal als Abgeordnete im Wahlkreis Leipzig zwei und auch bei der Parteistimme, also auf der rechten Seite des Wahlzettels, da ich Spitzenkandidatin bin und wir uns anstrengen – bisher haben wir zwei Bundestagsabgeordnete aus Sachsen – dass wir auch mal ein Mandat mehr bekommen.
Zum anderen ist es wichtig, dass wir uns als Abgeordnete aus dem Wahlkreis, in Leipzig, in Sachsen bewegen. Ich bin immer ansprechbar für die Leipziger, entweder mit expliziten Anliegen oder dass ich jene Dinge, welche die Leute hier bewegen, nach Berlin trage. Manchmal gibt es Einzelanliegen, wo ich dann mal versuche, Ministerien anzuschreiben oder das Jobcenter. Auch das ist selbstverständlich, das ist normale Wahlkreisarbeit. Häufig sind es persönliche Beschwerden rund um Arbeitslosigkeit, Jobsuche oder Renten, also der ganze Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Bereich.
Was machen Sie denn, wenn Sie nicht wiedergewählt werden?
(Lacht) Also einen Plan B habe ich nicht, denn die Grünen müssten ganz rausfallen, so dass ich nicht gewählt werde. Aber davon gehe ich erst mal nicht aus.
Was sind denn Leipzigs drängendste drei Probleme?
Zum einen die relativ hohe Arbeitslosigkeit. Dann das sehr geringe Lohn- und Gehaltsniveau. In Leipzig gibt es immer noch sehr viele befristete Arbeitsverträge. Der unbefristete, dauerhafte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz ist hier noch nicht ganz angekommen. Und drittens die fehlenden Kitaplätze. Wir wissen, dass man im Osten von einem höheren Niveau gestartet ist aber wir merken das jeden Tag in Leipzig. Es ist schön, dass mehr Kinder geboren werden aber Kinderbetreuung ist eben noch ausbaufähig. Das sind die drei wichtigsten Themen.
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Auf den Problemfeldern, die ich gerade angesprochen habe, wünsche ich, dass es weniger Arbeitslose gibt, dass die Arbeitsplätze sicherer sind, dass das Lohn- und Gehaltsniveau steigt, dass es ausreichend Kinderbetreuung gibt. Dann, dass auch das Mietpreisniveau hier nicht zu stark steigt, denn in einigen Stadtteilen geht es schon in eine Richtung, die uns nicht zufriedenstellen kann. Dann hoffe ich, dass die Stadtteile weiterhin so gemischt sind. Ich fände es nicht gut, wenn in einem Stadtteil die sozial Benachteiligten wohnen und in dem anderen die Begüterten.
Ich wohne in Connewitz und dort macht es den Stadtteil aus, dass man eine vielfältige Einwohnerschaft hat. In Berlin bekomme ich mit, wie sich die Stadtteile auseinander entwickeln. Von daher hoffe ich, dass in Leipzig die Durchmischung der Stadt nach wie vor gut ist, das macht ja auch den Charme von Leipzig aus. Es ist eine lebendige Stadt und da muss nicht alles schick saniert sein. Unfertiges, das belebt die Stadt und macht sie weiterhin attraktiv für kreative Köpfe. Ich lebe wirklich gerne hier und es wäre schön, wenn die Stimmung weiter so abwechslungsreich und kreativ bleibt, wie sie ist.
Wie stehen Sie zum Vorschlag ein Großbundesland Mitteldeutschland zu schaffen?
(Lacht) Da bin ich kein unbedingter Freund davon, zum einen weil ich den Begriff Mitteldeutschland nicht so optimal finde und zum anderen, weil ich den Eindruck habe, dass die drei Bundesländer ihre eigene Identität entwickelt haben. Man ist hier eben Sachse und nicht Mitteldeutscher. Und die Thüringer und Sachsen-Anhaltiner sehen das ähnlich. Im Detail würde eine Zusammenlegung sehr schwierig, weil die Sachsen beispielsweise sehr stolz darauf sind, wenig Schulden gemacht zu haben. Zudem würde es der Demokratie schaden, weil es darauf hinaus laufen würde, dass die Wege trotzdem weiter werden, es etwa nur noch eine Landeshauptstadt gibt. Und wenn ich mir überlege, der Abstand zwischen dem Norden von Sachsen-Anhalt bis nach Sonneberg oder Zittau, das finde ich zu groß. Und es gäbe weniger Abgeordnete, auch Landtagsabgeordnete, und ich bin immer dafür, dass es viele gibt, weil die Menschen jene Leute kennen sollen, die sie in den Landtag entsenden. Also, ich wäre da skeptisch. Und selbst wenn es den Vorstoß geben sollte, wird es ein paar Jahre dauern.
Würden Sie Ihren Kindern den Job als Bundestagsabgeordnete empfehlen?
(Lacht) Ich habe keine Kinder aber selbst wenn ich welche hätte, könnte ich mit mir als Beispiel dienen. Hätte mir jemand vor 20 oder 25 Jahren gesagt, dass ich mal im Bundestag sitzen würde – das hätte ich mir gar nicht vorstellen können. Ich hatte es nicht von langer Hand geplant. Als ostdeutsche Grüne wäre das eine sehr gewagte Rechnung, denn wir haben seit 1990 immer nur zwei Bundestagsabgeordnete in Sachsen und so ist die Wahrscheinlichkeit nicht groß. Aber ich empfinde die Zeit im Bundestag als ein großes Geschenk, als eine Bereicherung, gerade weil ich mir es mir früher gar nicht hätte vorstellen könne.
Es ist zwar stressig aber auch vielseitig. Man kann in viele Themengebiete reinschnuppern, das erweitert den Horizont. Man kriegt mit, was gut läuft, was schlecht läuft. Man kann an Projekten mitarbeiten und die Positionen der Fraktion beeinflussen, man muss auf der anderen Seite aber auch deren Positionen, in Leipzig, in Sachsen, erklären und, ich sage das mal so, verkaufen können. In der Öffentlichkeit werden Politiker eher negativ beurteilt, doch die überwiegende Zahl derer, die professionell Politik machen, sind emsig und haben doch großen Freiraum etwas zu gestalten. Von daher kann ich es nur empfehlen. Man sollte sein Leben nicht darauf ausrichten, so nach dem Motto, mit achtzehn Jahren: Ich studiere jetzt Politikwissenschaften, weil ich mal in den Bundestag will.
Jedem sollte bewusst sein, es ist immer ein befristeter Arbeitsvertrag, wir sind für vier Jahre gewählt und dann muss die eigene Partei einen wieder neu aufstellen. Es ist ganz gut, vorher einen Beruf gelernt zu haben, auch ein bisschen Lebenserfahrung zu haben, so dass man nicht sagt: Ich muss jetzt 40 Jahre im Bundestag sitzen. Die meisten machen das auch nicht. Der Durchschnitt liegt bei drei Wahlperioden. Es gibt manche, die sind aus unterschiedlichen Gründen schnell wieder draußen und es gibt manche, die sind ganz lange dabei. Politik lebt von den unterschiedlichsten Leuten, die dann ins Parlament kommen. Es ist eine interessante Perspektive, die kann ich empfehlen aber es ist ganz gut, wenn man nicht sein gesamtes Berufsleben darauf ausrichtet.
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