Bis die Bundesfamilienministerin ihr Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) aus der Einkaufstasche zog, lief die Unterstützung sozial schwächerer Familien in Leipzig recht reibungslos. Und mit dem etablierten "Leipzig Pass" auch bürokratielos. Aber seit einige Leistungen, die zuvor mit "Leipzig Pass" ohne Umstände beantragt werden konnten, zum BuT gehören, ist der Wurm drin. Da bekommen jetzt vor allem die Schulkinder zu spüren.
“Jedes Jahr beginnt ein neues Schuljahr – der Termin ist vier Jahre im Voraus bekannt. Dennoch schafft es die Verwaltung in Leipzig nicht, Anträge auf den Zuschuss für ein warmes Mittagessen oder zur Schülerbeförderung zeitgerecht zu bearbeiten”, kommentieren nun die Grünen die Tatsache, dass immer noch viele Familien auf die Bearbeitung ihrer Anträge zum kostenlosen Mittagessen und für Schülerfahrkarten warten. “Die Folge: Eine Vielzahl Leipziger Kinder können in den Schulen und ebenso in den Kindertagesstätten nicht am warmen Mittagessen teilnehmen. Und: Eltern müssen für Wochen und Monate in Vorleistung gehen und die monatlichen Raten für die Schülerfahrkarten bis zu 6 Monate vorstrecken. Beides hängt zusammen!”
Auf Anfragen hin erfuhren nun die Stadträte der Grünen, dass die Anträge für den Zuschuss zum Essensgeld etwa 14 Wochen bearbeitet werden. “Da ist das erste Halbjahr gleich rum”, kommentiert Grüne-Stadträtin Katharina Krefft. Und: “Gleiches erlaubte sich die Stadtverwaltung mit dem Eilbeschluss zur Schülerbeförderung noch im Juli 2013. Konnten Eltern bis dahin unter Vorlage des Leipzig Passes die ermäßigte Schülerfahrkarte einfach und unbürokratisch bei den Verkehrsbetrieben kaufen, müssen sie seit dem neuen Schuljahr erst einen mehrseitigen Antrag beim Jobcenter stellen. Mit dem Bearbeitungsaufwand war die Stadtverwaltung sichtlich überrumpelt worden. Statt 282 Betroffene, wie in der Vorlage ausgeführt, gibt es nun 5.000 zusätzliche Anträge, die ihrer Bearbeitung harren. Bis zu einem halben Jahr werden sich Eltern auf die Auszahlung gedulden müssen.”
Eigentlich kennt die Stadtverwaltung die Zahlen der Kinder, die auf diese Unterstützung ein Anrecht haben. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Der andere ist die ausufernde Bürokratie. Bisher war mit der Beantragung und Genehmigung des “Leipzig Passes” das Wesentliche geschehen. Wer hier die Kriterien erfüllte, konnte die von der Stadt gewährten Vergünstigungen in Anspruch nehmen.
Mit dem BuT aber ist bundesdeutsche Bürokratie in das Verfahren eingezogen: Allein 20 Mitarbeiter der diversen Verwaltungen sind mit Bearbeitung der Anträge beschäftigt – nach einer Aufschlüsselung des Sozialdezernats: 6 im Sozialamt, 13 im Jobcenter und 1 im Amt für Jugend. Im Jobcenter, wo eigentlich die meisten Familien mit Bedürftigkeit betreut werden und sogar 13 Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter mit der Beantragung beschäftigt sind, tut man sich besonders schwer mit der Genehmigung: Zum Monatsbeginn waren erst 1 Prozent der Anträge bearbeitet, hat die SPD-Fraktion erfahren.
Und dazu kommt noch einer dieser bundesdeutschen Bürokratieeffekte: Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket sollten einkommensschwache Eltern zwar die Möglichkeit bekommen, Leistungen wie Schülerbeförderung oder Essenzuschüsse zu beantragen. Doch von Anfang an war der Bearbeitungsaufwand für die Betreffenden kritisiert worden. Die Hälfte des eingestellten Geldes geht allein schon für die Sachkosten für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes drauf. Entlastet werden sollten auch Städte und Gemeinden, die zuvor die Ermäßigungen aus sozialer Verantwortung für die Kinder aus ihren Haushalten gewährten.
Schülerbeförderung in Leipzig: Verwaltung stellt sich mit bürokratischem Kleingeist selbst ein Bein
Gute Noten bekommt die scheidende …
Dabei geht es aus Bundessicht eher um “Peanuts”. 2011 reichte Leipzig an Berechtigte zum Beispiel Vergünstigungen in Höhe von 2,665 Millionen Euro aus, 2012 waren es dann schon 3,53 Millionen. Die Summe steigt von Jahr zu Jahr. Eine Unterstützung durch den Bund, der damit auch ein wenig seine Unterfinanzierung beim ALG II ausgleicht, war also dringend angebracht. Aber wie so oft zeigte der Bund auch hier wieder ein allumfassendes Misstrauen gegen die Kommunen und eine ausufernde Kontrollsucht: Ohne Berge von Antragsbögen geht’s auch diesmal nicht. Aber es funktioniert auch diesmal nicht.
Aber es wirft natürlich ein Licht auf die übliche Genehmigungspraxis des Jobcenters, das auch acht Jahre nach Gründung aus dem Zwiespalt nicht herauskommt, eigentlich eine Sozialbehörde zu sein, die das Lebensnotwendigste gewähren muss, gleichzeitig aber ein zum Sanktionieren befugtes Straforgan, das jedes Mal aufs Neue die Anspruchsberechtigung klärt. Das kann nicht funktionieren.
“Gute Verwaltungspraxis sieht anders aus!”, ärgert sich denn auch Katharina Krefft. Und stellt fest: Weil die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Abarbeiten der Schülerbeförderungsanträge befasst sind, landen die Anträge auf Essenszuschuss auf dem großen Haufen. Die Eltern gehen derweilen in Vorleistung, und wo sie das nicht können, essen die Kinder kalt.
Katharina Krefft weiter: “Wir fordern Prof. Fabian auf, eine unkomplizierte Absprache mit den Essensfirmen zu vereinbaren: Um kurzfristig die Kindern die Teilnahme am Mittagessen zu ermöglichen.”
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