"Ich sehe, sie schlagen fleißig in der Broschüre des BUND nach. Das ist gut, denn wir wollen unsere Positionen schließlich in die Bundespolitik tragen", freute sich Martin Hilbrecht, Vorsitzender des BUND in Leipzig. Heute, auf dem zweiten Teil des Forums zu Umwelt- und Naturschutz, dieses Mal im Werk II, waren die Direktkandidaten das Wahlkreises im Leipziger Süden zu Gast.

Auch hier stellten sich die Bewerber dem recht strengen Rede-Reglement: Pro Antwort zwei Minuten Redezeit – bei Überschreitung ertönte der Gong – dazu wurden die Fragen ausgelost. Von zehn Positionen des BUND wurden sechs diskutiert, die zuvor aus einer Mini-Lottotrommel ausgelost worden waren. Nicht anwesend war Holger Krahmer, der sich wegen Verpflichtungen im Europaparlament entschuldigen ließ.

Nach der obligatorischen Vorstellungsrunde äußerten sich die Kandidaten zu den BUND-Themen umweltfreundliche Verkehrspolitik, der Versiegelung von Bodenflächen, dem Atomausstieg, umweltfreundlichen Treibstoffen, dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und generationengerechter Umweltpolitik.

Thomas Feist von der CDU sagte zum Thema Verkehr, er freue sich, dass Leipzig zunächst nicht von der ICE-Verbindung abgekoppelt wurde. “Wir müssen einerseits die Elektromobilität fördern, aber auch den öffentlichen Nahverkehr. Und auch ich habe da an die Leipziger Verkehrsbetriebe eine Reihe von Fragen”, so Feist. Der promovierte Musikwissenschaftler plädierte für mehr Umweltbildung in Kitas und Schulen. “Das fängt damit an, dass viele Kinder heute keine zwei Apfelsorten mehr kennen.” Mehr Bewusstsein helfe, den Umweltschutz voranzubringen. Hinsichtlich des EEG plädiert Feist für eine Reform, denn “im Grunde ist es Planwirtschaft”, so Feist. “Das EEG darf nur noch dort vergüten, wo tatsächlich eingespeist wird”, sagte der Bundestagsabgeordnete. Einen Lösungsansatz für das Energie-Problem sieht er unter anderem darin, Ökostrom grundlastfähig zu machen, so dass er auch die Schwankungen im Tagesbedarf abfangen kann. Zudem votierte er dafür, weiter mehr Geld in Forschung zu investieren.
Wolfgang Tiefensee von der SPD ist ebenfalls für eine EEG-Reform. “Wir planen zudem, bereits zum 1. Januar kommenden Jahres, die Stromsteuer um eine Milliarde zu senken und die Heizkosten wieder in das Wohngeld hineinzurechnen”, so der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Dass täglich rund 100 Hektar Boden in Deutschland versiegelt werden, will Tiefensee auf 20 bis 30 Hektar reduziert sehen. Das tue auch dem Hochwasserschutz gut. “Das Wasser muss in der Natur bleiben, es darf nicht nur als Verkehrsweg genutzt werden”, so der ehemalige Bundesminister. In Sachen Atomausstieg habe die schwarz-gelbe Bundesregierung zwei Mal eine 180-Grad-Wende hingelegt. “Ich denke, wir brauchen da einen intelligenten Mix, dann schaffen wir, neben dem Atomausstieg auch den Verzicht auf die Braunkohle.” Als wichtigen Aspekt nannte er das Energie-Sparen, was nicht vergessen werden dürfe, zum Beispiel bei der Sanierung von Häusern. Tiefensee erntete einen seltenen Applaus an diesem Abend für seine Forderung, beim Weggang von den fossilen Brennstoffen dürften nicht Tank und Teller gegen einander ausgespielt werden. Generell müsse die Bildung, gerade an den Hochschulen wieder mehr in die Zuständigkeit des Bundes rücken, um mehr darin investieren zu können. “Wir haben keine nennenswerten anderen Rohstoffe als die, die zwischen unseren Ohren sitzen”, so der ehemalige Oberbürgermeister von Leipzig.

Mike Nagler, der parteilos ist aber sich für die Linke im Direkt-Wahlkampf hat aufstellen lassen, blätterte immer wieder in deren Parteiprogramm. In vielen Themen sind seine Positionen deckungsgleich mit denen der Linken, zum Beispiel wenn es um Verkehrspolitik geht. “Es geht um einen öffentliche Daseinsvorsorge. Ich bin für mehr Radverkehr und absolut gegen eine Privatisierung der Bahn”, so der diplomierte Bauingenieur. Nagler plädiert dafür, Wälder und Gewässer in öffentlicher Hand zu belassen. Dass EEG sei ein Stück Planwirtschaft, pflichtete er Thomas Feist bei, doch da die Ressourcen endlich sind, sei wirtschaften im Wortsinne wichtig, um nachhaltig arbeiten zu können. Dafür erntete er Applaus. Nagler stellt sich die Energieversorgung der Zukunft dezentral und kommunal organisiert vor. “Das Geld sollte in die Selbstversorgung fließen und nicht in die weitere Erforschung der Kernenergie.” Die Stromversorgung solle in staatlicher Hand bleiben und nicht in der der großen Konzerne.

Monika Lazar von den Grünen freute sich darüber, dass alle Podiumsteilnehmer für den Atomausstieg sind. “Da musste leider erst das Unglück in Fukushima passieren”, stellte sie fest. Lazar sagte, dass mittlerweile gut 25 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. “Als wir damit antraten, hat uns das keiner geglaubt”, so die Bundestagsabgeordnete. Dennoch sollte man die Energiewende endlich richtig machen. “Derzeit arbeiten der Umwelt- und der Wirtschaftsminister gegeneinander.” Die Lösung sehen die Grünen in der Schaffung eines Umwelt- und Energie-Ministeriums, das sich der Umsetzung der Energiewende annimmt. Lazar tritt für einen Ausstieg aus der Braunkohle ein, bis zum Jahr 2030, “das betrifft uns in Sachsen nicht wenig”, so die studierte Betriebswirtin. Zudem müssten die Privilegien der Großindustrie abgeschafft werden, wenn es um die Strompreise geht. Und hinsichtlich des Verkehrs müsse mehr für die Bahn getan werden, “die in Sachsen fast komplett ICE-frei ist”, wie sie feststellte, und das Carsharing müsse befördert werden.
Einen weitergehenden Vorschlag machte Sebastian Czich von der Piratenpartei. “Ich fahre gern Auto aber die Straßen sind mir zu voll. Die Lösung ist ein fahrscheinloser Nah- und Bahnverkehr, den alle nutzen können”, unterbreitete er die Pläne seiner Partei. Hinsichtlich des EEG müsse zuallererst Transparenz geschaffen werden. “Wer zahlt da weniger und warum?”, fragte er. Solche Informationen müssten zugänglich gemacht werden, auch um Lösungen zu finden. Eine davon könnte die Erforschung von Speichertechniken sein. “Da wird noch nicht genug getan, denn es stehen immer die wirtschaftlichen Interessen dahinter”, so Czich. Wenn die Speicherung möglich gemacht würde, könne sich Deutschland bald komplett aus erneuerbaren Energien versorgen. Czich erntete den einzigen heftigeren Applaus des Abends, als er ein bedingungsloses Grundeinkommen forderte, wie es seine Partei vorschlägt, auf die Frage nach der Sicherung des ehrenamtlichen Engagements, nicht nur in der Umweltschutzarbeit.

Diese Frage war eine der drei, die das Publikum stellen durfte. Während Wolfgang Tiefensee die Einführung von Volksentscheiden forderte, verwies Thomas Feist darauf, dass die Regierung jüngst die Haftungsfragen von Ehrenamtlichen vorteilhafter gemacht habe. “Ich setze mich für Ehrenamtliche ein und habe geholfen hier am Werk II eine Stelle zu schaffen”, so Feist. “So schön das alles ist”, warf Monika Lazar ein, “darf man auch nicht vergessen, dass solche Projekte Geld brauchen.” Lazar spendet, nach eigener Aussage, monatlich einen Teil ihrer Diäten an ehrenamtliche Projekte. Mike Nagler, der sich selbst seit Jahren ehrenamtlich engagiert, fügte ein, dass die Gesellschaft jedoch nicht alle wichtigen Aufgaben auf Engagierte abschieben dürfe. “Es braucht Strukturen, es braucht Hauptamtliche und es braucht Geld”, so Nagler. Sebastian Czich von den Piraten brachte das Thema ganz kurz hinter sich: “Wenn wir ein bedingungsloses Grundeinkommen haben, kann jeder tun, wofür er sich interessiert.”

Zum Schluss ließ Diskussionsleiter Hilbrecht das Publikum per Applaus abstimmen. Dieser verteilte sich recht gleichmäßig auf die Kandidaten, einen leichten Ausreißer nach oben machte dabei Mike Nagler. “Ich denke, dass es am Sonntag eine sehr spannende Wahl werden wird”, resümierte Hilbrecht.

Die Kandidaten haben bereits einen Fragenkatalog des BUND online ausgefüllt, bis auf Wolfgang Tiefensee, der versprach, seine Antworten zügig nachzuliefern. Ab Donnerstag steht auch beide Wahlforen als Video online, “sortiert nach unseren Fragen”, kündigte BUND-Vorsitzender Hilbrecht an.

Zu finden sein, wird es hier:
www.bund-leipzig.de

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