Deutschland streitet über den von den Grünen geforderten Veggieday - einmal in der Woche nur Vegetarisches in den Kantinen. Aber ist das wirklich Deutschland, das da diskutiert? Oder tun wieder einige Akteure nur so, als sprächen sie mal wieder für alle? - "Dem Kantinenbesucher an ausgewählten Tagen das Fleisch vorzuenthalten, ist garantiert der falsche Weg, um ein Bewusstsein für gesunde Ernährung zu fördern", erklärte Sebastian Fischer, verbraucherpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion im sächsischen Landtag, am 5. August.

Aber es scheint beim vegetarischen Essen genauso zu sein wie beim Autofahren, Kohleverheizen, Flugzeugfliegen, Rauchen, Kondombenutzen. Der Mensch ist kein vernünftiges Wesen. Von allein ändert er seine Gewohnheiten nicht. Auch wenn man ihm alles plausibel begründet. Nichts ist so stark wie die Gewohnheit. Die Grünen wissen das ja aus eigener Erfahrungen. Sie beschäftigen sich auch mit den Folgen der Massentierhaltung seit über 30 Jahren auch politisch. Wer will, kann sich die Statistiken anschauen – die Veränderungen im Viehbestand und in den Essgewohnheiten der Deutschen ändern sich trotzdem nur sehr, sehr langsam.

Da Tragische dabei: Sie ändern sich langsamer als das Klima.

Manchmal braucht es da auch eine deutliche politische Botschaft. Für die Grünen ist das ein fleischloser Tag in den öffentlichen Kantinen. Jede Woche. Auch im Leipziger Stadtrat haben sie so etwas beantragt.

Grünen-Stadträtin Katharina Krefft: “Vegetarische Ernährung ist eine bewusste Entscheidung. Unser Antrag wirbt für die vegetarische Alternativen, lecker und frisch! Weitgehend unentdeckt und doch bestens geeignet für die Kantine oder die Mensa. Diese Entscheidung ist keine die per Verordnung kommen wird, die Entscheidung was man isst, trifft weiterhin trifft jeder für sich. ‘Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht’ heißt es umgangssprachlich und den Kern des Themas treffend. Etwas Neues auszuprobieren ist sicher am ehesten eine Lust von jungen Leuten. Daher kann es nicht verwundern, dass die Uni-Mensa den Vegetarischen Donnerstag im Monat schon einführen konnte. An den Aktionen von ‘Donnerstag ist Veggietag’ – eingerührt von Bündnis 90/Die Grünen – beteiligten sich in diesem dritten Jahr, 2013, in Leipzig inzwischen elf Lokalitäten. (z. B. Macis, Kesselhaus, Telegraph, Süß und Salzig, Cantona…).”

Die aktuelle Diskussion betrifft natürlich jeden, denn der teilweise Verzicht auf Fleisch und Fleischprodukte ist aus unterschiedlichen Gründen ein bewusster Bruch mit Angewohnheiten und Geschmack. “Essen ist Kultur. Wie wir uns für dies oder das auf dem Teller oder auf die Hand entscheiden, steht im Zusammenhang mit Essgewohnheiten, natürlich mit unserem Hunger und Appetit, aber auch mit Ritualen und Erwartungen an Feiertage und besondere Festlichkeiten. Denken wir nur daran, wie lange es galt: Iss deinen Teller leer…”, benennt Krefft die Gründe für das Beharrungsvermögen beim Essen.

“Zweifelsohne ist der Verbraucher gut beraten, seinen Fleischkonsum zu reduzieren. Wer sich gut und ausgewogen ernähren möchte, muss nicht täglich Fleisch essen”, meint Sebastian Fischer und sieht dennoch keinen Anlass dafür, den Verbraucher durch staatlichen Zwang zu einer gesunden Lebensweise zu nötigen, auch wenn er die Forderung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, den Fleischkonsum mindestens zu halbieren, befürwortet. “Dies muss aber der Verbraucher für sich selbst erkennen.”

Aber der Verbraucher ist – so hat es auch die Verbraucherzentrale immer wieder festgestellt – nicht mündig. Selbst die immer neuen Fleischskandale haben die meisten Verbraucher nicht davon abgebracht, sich das teilweise bis zur Unkenntlichkeit verarbeitete Fleischprodukt zu kaufen.

“Unser Essen und unsere Speiseauswahl hat einfach auch etwas mit unserer Verbraucher-Verantwortung für die Produktionsbedingungen und die Auswirkungen auf unsere Umwelt hier und weltweit zu tun”, benennt Krefft die so wichtigen Hintergründe. “Die weltweite Fleischproduktion geht einher mit einem stetig steigenden Flächenbedarf für den Anbau von Futtermitteln. Während der letzten 40 Jahre wurde fast ein Fünftel des Amazonasregenwaldes brandgerodet, um Flächen für den Futtermittelanbau zu schaffen. Insgesamt sind 18 Prozent der Emissionen, die für den Klimawandel verantwortlich sind, auf die Produktion tierischer Produkte zurückzuführen. Dieser Anteil ist sogar höher als der des Verkehrssektors (13 Prozent). Die Produktion von tierischen Lebensmittel kostet 10 Mal mehr Aufwand und natürliche Ressourcen wie für pflanzliche Lebensmittel.”
Darum geht’s eben auch.

Sowohl der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU 2012) als auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung “Globale Umweltveränderungen (WBGU 2011)” empfehlen die Einführung mindestens eines vegetarischen Tages pro Woche als Maßnahme zur Reduktion von Treibhausgasen. Dabei wird ausdrücklich auf die Bedeutung des Essens in öffentlichen Mensen und Kantinen hingewiesen.

“Aus diesen Gründen ist die Einführung eines vegetarischen Tages pro Woche in Leipzigs öffentlichen Kantinen und Mensen sinnvoll und zeitnah in Zusammenarbeit mit Dehoga, Umwelt- und Tierschutzinitiativen und Klimabeauftragten umzusetzen aus unserer Sicht folgerichtig”, sagt Katharina Krefft.

An der “Veggietag – Kampagne” nehmen bislang schon 30 Städte in Deutschland teil: Hannover, Bremen, Magdeburg, Köln, Karlsruhe, Bonn, Bamberg, Mannheim, Göttingen etc. Leipzig als Preisträger “Nachhaltige Stadt” fehlt hier aber. Dabei scheint der “Veggietag” durchaus geeignet, den Zusammenhang von Ernährung, Klimaschutz und Flächenverbrauch erfahrbar zu machen und er ist eine einfache Maßnahme, um das eigene Verhalten klimagerechter zu gestalten – an einem Tag in der Woche.

Mehr zum Thema:

Mal wieder fleischlos: Grüne backen weißes Brot zum 3. Leipziger Veggieday
In der Backstube treffen sich am Dienstag …

“Hin und wieder auf Fleisch und Fleischprodukte zu verzichten, hat nichts mit Entsagung zu tun”, sagt die Grünen-Stadträtin. “Dass die althergebrachten, überlieferten, gutbürgerlichen Essgewohnheiten die Gesundheit und Fitness auch nicht allein erhalten können, das weiß insbesondere die Ernährungsforschung und die Medizin. Hochkalorische Speisen sind für uns, die wir mehr sitzen wie jemals zuvor, ungesund.”

Beantragt haben die Grünen im Leipziger Stadtrat:

– Leipzig tritt dem Bündnis “Donnerstag – Veggietag” bei.

– Den Schulen und Kindertagesstätten wird die regelmäßige Teilnahme am Veggietag offeriert und inhaltlich begleitet.

– Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit initiiert und unterstützt die Stadt die Erarbeitung von Informationsmaterial zur Bewerbung des Veggietages und zur breiten Teilnahme gastronomischer Einrichtungen in der Stadt.

www.donnerstag-veggietag.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar