Nun ja, man kann die Ergebnisse des "Zensus 2011", wie sie Ende Mai veröffentlicht wurden, hinnehmen, seufzen und einfach weiter machen. Aber das ist ein riskantes Spiel. Darauf weist Frank Franke, der Stadtvorsitzende der Leipziger Jusos, hin. Die Jusos Leipzig erwarten vom Bund und dem Freistaat Übergangsunterstützung für die sächsischen Kommunen, damit diese die Anpassung der Fördermittelrückgänge durch die neuen Zensuszahlen kompensieren können.

Denn statt gegen das Zensus-Ergebnis in Widerspruch zu gehen und gar den Klageweg in Aussicht zu stellen, hat OBM Burkhard Jung (SPD) eine Haushaltsklausur anberaumt, bei der es um ein wirklich heftiges Defizit von 90 Millionen Euro im Haushalt 2014 geht. 25 Millionen Euro sind dabei Resultat der Tarifsteigerungen, die aber keine entsprechenden Haushaltsmehreinnahmen auf der Gegenrechnung haben. Sie müssen also “irgendwo” eingespart werden. Und 18 Millionen Euro beträgt dann der Rückgang der Bundeszuweisungen, die an die amtliche Einwohnerzahl gekoppelt sind. Und das Zensus-Ergebnis ist nun die amtliche Einwohnerzahl: 510.043 Einwohner zum Stichtag 31. Dezember 2011 statt der bis dato hochgerechneten 531.809.

Das Problem an den Bundeszuweisungen aber ist: Sie haben auch in der Vergangenheit nie alle den Kommunen gesetzlich auferlegten Kosten abgedeckt. Da geht es den Kommunen in NRW genauso wie denen in Sachsen: Sie bezahlen wichtige soziale Aufwendungen direkt aus jenen Einnahmen, die normalerweise für Investitionen, Verwaltungsaufgaben usw. zur Verfügung stehen müssten. Und nicht nur Leipzig läuft jetzt sehenden Auges in eine Finanzierungslücke, obwohl die Bundeszuweisungen auch in der Vergangenheit nur mit Ach und Krach dazu ausgereicht haben, irgendwie über die Runden zu kommen. Der Zensus erweist sich auf den zweiten Blick als ein weiterer Schritt zur Unterfinanzierung der Kommunen.”Die Bundesregierung hat den Zensus 2011 beschlossen und durchgeführt. Jetzt diese Korrektur den Kommunen alleine zu überlassen bei gleichzeitiger Fortführung der Aufgabenübertragung, ist keine vernünftige Politik von Bund und Land”, kritisiert der Stadtvorsitzende der Jusos Leipzig, Frank Franke. Und betont: Die Jusos Leipzig fordern seit Jahren, die Finanzstruktur zwischen Bund, Ländern und Kommunen so aufzustellen, dass letztere nicht unter wachsenden Aufgaben bei gleichzeitiger Ausdünnung der Einnahmebasis handlungsunfähig werden.

Denn das hat natürlich weitere Konsequenzen. Die Leipziger haben es ja die letzten Jahre immer wieder beobachten können: Wenn es eng wird bei der Haushaltsaufstellung, kommt jedes Mal aus durchaus unterschiedlichen Richtungen der Vorschlag auf den Tisch, irgendeinen Teil des kommunalen Eigentums zu verkaufen. Stillschweigend trugen in der Vergangenheit die Verkäufe von städtischen Grundstücken und Immobilien zum Ausgleich der Haushalte bei – Grundstücke, die nunmehr fehlen und bei der Planung von Kindertagesstätten und Schulen händeringend gesucht werden. Mit dem Teilverkauf der Stadtwerke Leipzig sollte 2008 die LVV entschuldet werden – was nur durch das deutliche Votum der Leipziger verhindert wurde. Also kam vier Jahre später der Verkauf der Stadtwerketöchter HL komm und Perdata auf den Tisch. Vom Verkauf des Wassergutes Canitz wird zwar gerade nicht mehr gesprochen, eine endgültige Stellungnahme dazu hat der Oberbürgermeister aber auch noch nicht vorgelegt.

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Und mit jeder Kürzung der Zuweisungen – die Gelder aus dem Solidarpakt werden ja schon bis 2019 abgeschmolzen – erhöht sich der Druck auf die Kommunen, ihre Besitztümer für den kurzfristigen Kassenausgleich zu verkaufen. Mit seinem Vorstoß zum Länderfinanzausgleich ist Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer gerade dabei, den wirtschaftlich schlechter ausgestatteten Bundesländern und damit ihren Kommunen weitere Gelder zu entziehen. Das ganze labile Finanzierungssystem der deutschen Kommunen droht zusammenzustürzen.

Aber da das Thema der nachhaltigen Kommunalfinanzierung von der Bundespolitik schon seit Jahren ausgesessen wird, auch die Alarmmeldungen aus den Kommunen NRWs nicht zur Kenntnis genommen wurden, droht natürlich, was Franke befürchtet: dass Städte wie Leipzig wieder aus aller Not Eigentum verscherbeln müssen.

Er betont: “Wir werden uns dafür einsetzen, dass jetzt nicht die Kurzfristlösung heißt, städtisches Vermögen zu verscherbeln, nur um einen ausgeglichenen Haushalt zu garantieren. Diese Position haben wir auch noch einmal mit unserer Unterstützung der Initiative für ein Bürgerbegehren zur Einführung einer Privatisierungsbremse in Leipzig zum Ausdruck gebracht. Wer heute blind kommunales Eigentum der Daseinsvorsorge verkauft, wird morgen mehrfach draufzahlen.”

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