Der Fall eines toten Asylbewerbers im Asylbewerberheim Torgauer Straße wird ein politisches Nachspiel haben. Nicht nur in Leipzig. Auch wenn Linke-Stadträtin Naomi-Pia Witte wohl zu Recht aufgebracht über die neuerliche mehr als zurückhaltende Informationspolitik der Stadtverwaltung. Der Sozialbürgermeister, so Thomas Fabian in einer Zeitungsmeldung, war schon am 14. Juni über den Vorfall informiert. Doch selbst der Sozialausschuss am 20. Juni bekam nur eine nichtssagende Auskunft.

Naomi-Pia Witte: “Wieder einmal müssen wir als Stadträte zur Kenntnis nehmen, dass wir im Sozialausschuss nur sehr unzureichend über einen Vorfall im Verantwortungsbereich des Sozialdezernates unterrichtet wurden. Zwar wurde der Sozialausschuss über einen Todesfall in einem Asylbewerberheim am 20. Juni 2013 informiert, jedoch dienten die im Sozialausschuss gegebenen Informationen, wie wir heute wissen, eher der Verschleierung der Umstände dieses tragischen Todesfalles als der sachgerechten Information der Ausschussmitglieder.”

Und dann das Übliche in der Leipziger Informationspolitik: “Über die unfassbaren Umstände des Todes des jungen Libanesen erfuhren die Mitglieder des Sozialausschusses auch erst durch die Berichterstattung aus den Medien. Wir fordern den Sozialbürgermeister Prof. Fabian deshalb auf, in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses erstens dem Ausschuss detailliert über den Fall zu berichten und zweitens zu erklären, warum der Sozialausschuss nicht sofort umfassend informiert wurde.”

Besonders tragisch war der Vorfall, weil die Leiche des verstorbenen Libanesen erst sechs Wochen nach seinem Tod gefunden wurde. Und das wird jetzt im Landtag zu Thema.

Die beiden Leipziger Landtagsabgeordneten der Linken, Dr. Volker Külow und Dr. Dietmar Pellmann, wollen dem Vorfall mit einem ganzen Fragenbündel auf den Grund gehen.
“Der Tod eines Menschen, der in unserem Land zu Gast ist, ist immer zu bedauern und sollte nicht Gegenstand vorschneller Schuldzuweisungen sein. Was allerdings die jetzt bekannt gewordenen Umstände um den tragischen Tod des libanesischen Asylbewerbers Hisham Yazbek betrifft, sind derartig viele Fragen derzeit unbeantwortet, dass wir uns veranlasst sehen, damit auch den Sächsischen Landtag in Form von zwei Kleinen Anfragen zu befassen”, erklären die beiden. “Immerhin handelt die Stadt Leipzig bei der Unterbringung und Betreuung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Auftrag des Freistaates Sachsen. Deshalb kann sich die Staatsregierung auch nicht ihrer Verantwortung entziehen. Wir wollen daher wissen, wer aus Sicht der Staatsregierung Verantwortung für den ungeheuerlichen Umstand trägt, dass ein Mensch sechs Wochen lang tot und angeblich unbemerkt im Asylbewerberheim liegt und welche Konsequenzen sich daraus für die Asylpolitik des Freistaates ergeben.”

Zugleich fordern sie die Staatsregierung dringend auf, den Kommunen endlich ausreichend finanzielle Mittel für die soziale Betreuung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bereit zu stellen.

“Denn wenn die Finanzmittel, die der Freistaat an die Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen zuweist, derart knapp bemessen sind, braucht man sich nicht wundern, wenn die Kommunen bei der Auswahl der Betreiber zuerst aufs Geld und erst in zweiter Linie auf die Qualität des Betreibers achten”, so Pellmann und Külow in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung. “Die Stadt Leipzig, deren Konzept zur dezentralen Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern wir grundsätzlich unterstützen, muss allerdings unverzüglich prüfen, ob der Vertrag mit dem privaten Betreiber des Heimes in der Torgauer Straße noch Bestand haben kann. Wenn ein Heimbetreiber offensichtlich entsprechenden Hinweisen über einen so langen Zeitraum nicht nachgeht, stellt sich die Frage, ob er überhaupt willens und in der Lage ist, ein Heim wie die Einrichtung in der Torgauer Straße sachgerecht zu führen.”

Völlig inakzeptabel finden auch sie in diesem Zusammenhang die Informationspolitik des Sozialdezernates gegenüber den gewählten Vertretern der Leipziger Bürgerschaft. “Wenn der Sozialausschuss als zuständiges Gremium des Stadtrates lediglich über die Tatsache eines Todesfalles informiert wird, man aber die skandalösen Umstände verschweigt, entsteht aus unserer Sicht die Frage, mit welcher Absicht der Ausschuss in diesem Fall getäuscht werden sollte.”

Bekannt wurde der Vorfall in der Torgauer Straße erst durch einen Bericht des MDR-Magazins “Exakt”. Gefunden wurde der im Mai verstorbene 34-Jährige in seiner Wohnung im Asylbewerberheim Torgauer Straße am 13. Juni von Mitarbeitern der Betreiberfirma A&S LAVAL GmbH gefunden. Die Stadt Leipzig wurde am gleichen Tag über den Todesfall informiert. In einer Mitteilung vom 14. August betont das Leipziger Sozialamt: “In der Torgauer Straße 290 leben derzeit 295 Asylbewerber und Geduldete. Betreiber der Einrichtung ist die A&S LAVAL GmbH. Die soziale Betreuung wird von RAA Leipzig e.V. mit 2,2 Stellen geleistet. Perspektivisch ist eine Schließung der Unterkunft vorgesehen. Derzeit fehlt es jedoch noch an alternativen Standorten.”
Die Kleine Anfrage zum Tod eines Asylbewerbers als PDF zum download.

Die Kleine Anfrage über soziale Betreuung von Asylbewerberinne als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar