In der eigentlichen Wettbewerbsrunde wurden M+M aus München und ANNABAU aus Berlin noch deutlich zum Sieger ums Leipziger Freiheitsdenkmal gekürt. Von der Punktevergabe her war da eigentlich alles gelaufen. Doch mit der jetzt nachgeschalteten Runde, in der nun ein "Bewertungsgremium" zum Zuge kam, büßten sie diese Führung ein, landeten - wie die Stadtverwaltung meldete - irgendwie auf Augenhöhe mit den anderen beiden Preisträgern, aber auch wieder ein wenig hinter den vormals Drittplatzierten. Was haben sie nur angestellt?
Sie haben das beibehalten, was Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung vor einem Jahr so begeistert hat: die 70.000 bunten Aluminiumhocker, von denen einige im Platz verankert sind, andere mit nach Hause genommen werden können wie Lego-Bausteine. Doch alle Begeisterung des Oberbürgermeisters nutzte nichts. Verwaltungsintern wurde recht eingehend über die Pflegeleichtigkeit eines solchen Denkmals diskutiert: Das 6.670 Quadratmeter große Feld mit den 70.000 unterschiedlich eingefärbten Einzelfeldern ist vertieft – die Wegesicherheit ist also an einem zentralen Platz in Frage gestellt. 1.200 der 70.000 Aluminium-Teil sind noch dazu fest im Boden verankert, werden also für unaufmerksame Spaziergänger zur Stolperfalle. Was zwar ein schönes, ja geradezu liebenswertes Bild von Demokratie ist – aber wer bezahlt, wenn’s zum Unfall kommt?
Die Künstler betonen zwar, dass das Feld gut beräumt werden kann. Aber ist Leipzigs unterfinanzierte Stadtreinigung wirklich so flexibel? – “Durch Fußgängerrampen ist das vertiefte Farbfeld von allen Seiten barrierefrei zugänglich. Auf der Ostseite wird durch eine zusätzliche breite befahrbare Rampe eine problemlose Zufahrt für Fahrzeuge ermöglicht. Räumfahrzeuge sind so in der Lage, Laub oder Schnee auf herkömmliche Weise zu beseitigen und so die Wirkung und Nutzung des Denkmals auch im Winter zu gewährleisten.”
Auch die Sache mit der Entwässerung haben sie technisch geklärt. Und sie haben auf Wunsch der Stadtväter die bunte Fläche so gedreht, dass sie im Grunde den ursprünglichen Königsplatz einnimmt. Dadurch werden die nach wie vor noch in Privatbesitz befindlichen Grundstücke auf der Nordostecke des Platzes nicht mehr in Anspruch genommen. Was ja einen Lichtstrahl auf das nächste Problem bei dieser undurchdachten Platzgröße wirft: Die Stadt kann über mehrere Grundstücke auf dem Gelände noch nicht verfügen, müsste sie erst ankaufen. Ist das in der Summe von 6 Millionen Euro mitbedacht?Die verbleibenden Platzflächen zwischen dem alten Königsplatz und der Markthallenstraße haben die Berliner Künstler jetzt mit Rasen und Bäumen besetzt. Der Zugang zum City-Tunnel steht jetzt nicht mehr im bunten Feld, sondern auf einem dreieckigen Steinplatz. Dadurch, dass das bunte Feld jetzt parallel zum Peterssteinweg liegt, wirkt es auch deutlich größer und macht sogar sichtbar, dass die Münchner Künstler auf die 20-Zentimeter-Vertiefung und die ganze Spielerei mit den Metall-Hockern hätten verzichten können. Der Platz wirkt eigentlich durch seine sieben Farben, bekommt damit etwas Lebendiges, aber auch sehr Irdisches. Und wäre er ebenerdig, dann würden sich auch die farbigen Feinsteinzeugplatten leicht reinigen lassen.
Mit der jetzigen Gestaltung machen die Künstler aber auch sichtbar, dass es keine zusätzliche Platzaufweitung Richtung Osten braucht, um hier einen eindrucksvollen Stadtplatz zu schaffen. Man kann, “was übrig bleibt”, begrünen und bepflanzen, man kann es auch – wo nicht gerade die Tunnel-Station das verhindert – ansprechend neue Platzbebauung schaffen und diesen Ort tatsächlich wieder zu einem lebendigen Stadtplatz machen.
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Aber der ganze Wettbewerb wirkt mittlerweile so, als solle genau das verhindert werden. Der Bowling-Treff verschwindet übrigens auch bei M+M / ANNABAU hinter Bäumen. Sie haben die Architekturelemente, die eigentlich nicht zur Denkmalsidee gehören, konsequent ausgegrenzt. Ein Bild in der Ausstellung zeigt auch, wie weitläufig schon allein der farbig gestaltete Platz wirkt. Und so wird es auch in der Realität sein. Es ist ein wirklich großes Stück ungestalteter Stadtraum, der hier Konturen bekommen müsste. Und die Grundidee von M+M / ANNABAU, hier mit Farbe eine unverwechselbare Atmosphäre der wohltuenden Unruhe zu schaffen, spricht eigentlich an.
Es könnte der Leipziger Markusplatz werden, wenn nur die Leute, die immer in den diversen Gremien auftauchen, nur ein bisschen Courage und ein bisschen Kunstverstand hätten.
Die weiterentwickelten Entwürfe werden vom 4. bis 17. Juli in der Unteren Wandelhalle des Neuen Rathauses Leipzig öffentlich ausgestellt. Des Weiteren können die aktuellen Entwürfe auf der Internetseite der Stadt Leipzig ab 4. Juli unter www.leipzig.de/denkmal eingesehen werden.
Der Erläuterungstext zu “70.000” als PDF zum download.
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