Wie groß ist das Finanzloch im Leipziger Haushalt? Und wie bekommt man es gestopft? 90 Millionen Euro sollen am Haushalt 2014 fehlen, meldete die LVZ am 24. Juli. Eine Haushaltsklausur im August solle Wege aus dem Dilemma finden. 10 Prozent sollen in allen Dezernaten gekürzt werden. Na hoppla? War Leipzig nicht ganz nonchalant dabei, seine Steuereinnahmen zu verdoppeln?

Augenscheinlich nicht. Nur ein halbes Jahr nach der OB-Wahl steht Leipzig wieder da, wo es auch vor einem Jahr stand – die Kosten steigen, die Einnahmen gehen sogar zurück, weil der “Zensus 2011” der Stadt eine Einbuße bei den Überweisungen durch den Bund von 18 Millionen Euro beschert. Schreibt die LVZ. Bevor Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) im Spätsommer nicht die konkreten Planungen für den Haushalt 2014 vorlegt, ist sowieso Vieles noch Gemunkel und Nebelstocherei. Natürlich wird OBM Burkhard Jung (SPD) versuchen, die Kosten zu drücken. Nicht nur der Finanzbürgermeister sitzt ihm im Nacken.

Jetzt muss er auch anpacken, was er vor der Wahl immer aufgeschoben hat.

Das war am 8. Juli Thema im Finanzausschuss. Da beschäftigte sich dieser nämlich mit den Auflagen, die die Dienstaufsichtsbehörde, die Landesdirektion Sachsen, zum Haushalt 2013 formuliert hat. Und die Auflagen sind Pflicht. Übrigens bei Ausgaben wie bei Einsparungen. Denn zwei der Auflagen beschäftigen sich nur mit dem immensen Investitionsstau der Stadt bei Schulen und Kindertagesstätten. Denn dass die Stadt Leipzig es bis zu 1. August schafft, die gesetzlichen Ansprüche auf einen Kita-Platz zu erfüllen, bezweifelt man auch in der Landesdirektion.

“Die Stadt Leipzig hat der Landesdirektion Sachsen bis zum 30. Juni 2013 zu berichten, welche finanzielle Vorsorge die Stadt hinsichtlich fehlender Kita-Betreuungsplätze und dem ab 1. August 2013 bestehenden Rechtsanspruch auf Betreuung zu möglichen Schadensersatzansprüchen getroffen hat”, heißt es drum im Auflagenbescheid. Klartext: Hat die Stadt Geld für eventuelle Schadensersatzansprüche zurückgelegt?

Das Finanzdezernat formuliert dazu: “In der Ratsversammlung vom 20.02.2013 erklärte der Beigeordnete für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule auf Anfrage der CDU-Fraktion, dass im Hinblick auf den Rechtsanspruch ab 1. August 2013 eine Schätzung zur Höhe eventueller finanzieller Forderungen gegenwärtig nicht möglich sei. Sollten Schadenersatzansprüche eintreten, erfolge die individuelle Prüfung durch das Fachamt gemeinsam mit dem Rechtsamt innerhalb der vorhandenen Strukturen. Anlauf- und Beratungsstelle sei die Abteilung Kindertagesstätten und Freizeiteinrichtungen des Fachamtes. Das Dezernat V prüft in Abstimmung mit dem Rechtsamt die weitere Vorgehensweise sowie das Verfahren zur Einzelfallprüfung (mit Kostenauswirkungen).”

So recht zufrieden ist die Landesdirektion auch nicht mit der Abarbeitung des Investitionsstaus bei Schulen und Kindertagesstätten. Sie will endlich einen belastbaren Fahrplan sehen, bis wann welches Schulbau- und Kita-Projekt fertig werden soll.

Ihre Forderung lautet: “Die Stadt Leipzig hat der Landesdirektion Sachsen zum Stichtag 30. September 2013 bis zum 31. Oktober 2013 zur Umsetzung bzw. Fortschreibung des Schulhausbauprogramms in 2013 zu berichten. Analog zum Schulhausprogramm ist bis zum 31. Oktober 2013 ein Maßnahmeplan im Kita-Bereich mindestens für den Finanzplanungszeitraum aufzustellen und der Landesdirektion Sachsen vorzulegen. Dabei sind in beiden Bereichen (Schulen/Kita) zum einem die geplanten Maßnahmen mit Plätzen, Kosten (aufgeteilt nach Jahren) und Fertigstellungstermin quartalsweise aufzulisten, zum anderen die Bedarfszahlen gegenüberzustellen. Beide Programme sind jährlich fortzuschreiben.”

Bis zum 30. September ist das Dezernat V (Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule) jetzt angewiesen, einen solchen Fertigstellungskalender zu erstellen – und künftig fortzuschreiben. Dann könnten vielleicht auch die Eltern in Leipzig endlich sehen, wann an welcher Stelle in den nächsten Jahren ein Engpass aufgelöst wird. Und wo es noch finanzielle Risiken gibt, denn manche Projekt taucht ja dann gern mit einem “Nachtrag” im Haushalt auf, wird teurer, weil irgendjemand die Kosten zu knapp kalkuliert hat.
Wenn Sozialbürgermeister Thomas Fabian pfiffig ist, schreibt er auch noch in dicken Zahlen drunter, wieviel Geld er dafür vom Land als Fördermittel braucht. Und wieviel ihm in den vergangenen sieben Jahren als Landesförderung gefehlt haben. Das dürften ein paar Millionen sein.

Denn die andere Seite der immer wieder neuen strengen Auflagen der Landesdirektion für Leipzig ist eben auch, dass die Kommunen in Deutschland allesamt künstlich knapp gehalten werden. Der Bund schafft es auch bei Rekordsteuereinnahmen nicht, sein Defizit zu beseitigen und wieder in die kommunalen Infrastrukturen genug Geld zu geben. Die gesamte Bundesrepublik fährt auf Verschleiß. Und Städte wie Leipzig können das bald nicht mehr abpuffern.

Die Landesdirektion erinnerte die Leipziger Stadtverwaltung im März auch daran, dass sie 2012 den Diskussionsprozess um das actori-Gutachten und die Eigenbetriebe der Kultur einfach vertagt hat. Gelöst ist nichts. Jetzt will die Landesdirektion aber Taten sehen.

“Die Stadt Leipzig hat bis zum 31. Oktober 2013 zum Stand der Umsetzung der im Gutachten der Firma actori aufgezeigten Optimierungspotentiale im Status Quo sowie der Einsparpotentiale durch die Kooperation der Haustechnik in Höhe von insgesamt 1,9 Mio. EUR bei den Eigenbetrieben Kultur (Oper Leipzig, Gewandhaus zu Leipzig, Schauspiel Leipzig, Theater der Jungen Welt Leipzig) zu berichten. Der bis zum Ende des IV. Quartals 2013 der Ratsversammlung vorzulegende Vorschlag des Oberbürgermeisters zur Neuausrichtung im Sinne einer gemeinsamen Verwaltungsstruktur für die Eigenbetriebe Kultur (RBV-1295/12 vom 18. Juli 2012 – Nr. 3) ist der Landesdirektion Sachsen zur Kenntnis zu geben. Der Prüfbericht einschließlich des Entscheidungsvorschlages zu finanziellen und technischen Voraussetzungen und zum möglichen Umfang der Überführung des Spielbetriebes der Musikalischen Komödie in das Opernhaus ab der Spielzeit 2014/2015 (RBV-1295/12 vom 18. Juli 2012 – Nr. 6) ist der Landesdirektion Sachsen zur Kenntnis zu geben.”

Heißt ja wohl im Klartext: Wenn weder die Leipziger Stadtspitze willens ist, einen Vorschlag aus dem actori-Gutachten umzusetzen, noch bereit ist, im Stadtrat eine Willensbildung herbeizuführen, dann entscheidet eben die Landesdirektion. Auch so kann man kommunale Entscheidungsspielräume preisgeben.

Und deshalb schlägt das Finanzdezernat jetzt vor, dem Ansinnen der Landesdirektion zu folgen. Bis zum 31. Oktober will es der Landesdirektion über einen “Entscheidungsvorschlag zur finanziellen und technischen Voraussetzung und zum möglichen Umfang der Überführung des Spielbetriebes der Musikalischen Komödie in das Opernhaus”, zu berichten. Was dann das Aus für die MuKo wäre. Sozusagen durch Aussitzen herbeigeführt. “Der vorzulegende Vorschlag zur Neuausrichtung der EB Kultur im Sinne einer gemeinsamen Verwaltungsstruktur soll bis zum Ende des IV. Quartals 2013 dem Stadtrat zur Beschlussfassung übergeben werden.”

Und dass mit den ganzen Verhandlungen der Leipziger Wasserwerke mit den Banken, die einst mit Geschäftsführer Klaus H. die CDO-Geschäfte eingerührt haben, ein richtig teures Damoklesschwert über Leipzig hängt, weiß man auch in der Landesdirektion. Die Londoner Prozesse mit UBS & Co. sind noch völlig offen. Der Leipziger Prozess mit der LBBW ging vorerst zum Nachteil der Wasserwerke aus. Die Wasserwerke gehen zwar in Berufung. Aber das Risiko ist da. Also heißt die Auflage 3.6: “”Die Stadt Leipzig hat der Landesdirektion Sachsen bis zum 31. Oktober 2013 zu berichten, in welcher Höhe die Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH und die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (LVV) im Falle der Verurteilung der Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH auf Zahlung an die Landesbank Baden-Württemberg wegen der CDO-Verträge aus dem Jahr 2006 durch das Landgericht Leipzig einen Eigenbeitrag leisten wird. Die Höhe des Eigenbeitrags ist durch die Darstellung konkreter Maßnahmen innerhalb des LVV-Konzerns zu plausibilisieren.”

Das ist ja bekanntlich mittlerweile passiert. Die LVV haben statt einem erwirtschafteten Plus ein durch die Rücklagen sichtbare Minus für 2012 ausgewiesen.

Aber Mehrkosten der Stadt selbst gibt es auch im am 18. Juli 2012 beschlossenen Konzeptes zur dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern. “Hierbei sind – neben den Kosten, verursacht durch das Konzept der dezentralen Unterbringung – auch die finanziellen Auswirkungen des Urteils des BVerfG vom 18.07.2012 unter Berücksichtigung der aktuellen Kostenerstattungen des Freistaates Sachsen für die Stadt Leipzig darzulegen”, betont die Landesdirektion. Noch so ein Punkt, wo die höheren Instanzen nur einen Teil der Kosten finanzieren, die in den Kommunen entstehen.

Bislang ist Leipzig all den Nöten noch elegant ausgewichen. Aber die Kürzung der Bundeszuweisungen ist auch schon ein Menetekel. Bislang konnten über diese Zuweisungen viele Dinge noch abgefedert werden. Da aber gerade die teuren Sozialausgaben Pflichtaufgaben sind, kommt Leipzig in eine Klemme, die mit Ausweichen nicht mehr aufzulösen ist. Sie kann nur noch – wie es Burkhard Jung scheinbar versuchen will – radikal beim Personal sparen und Neueinstellungen vermeiden. Allein durch Tarifsteigerungen kommen 2014 rund 25 Millionen Euro Zusatzkosten. Oder es kommt, was die Antiprivatisierungsinitiative Leipzig befürchtet: Es wird wieder Kommunaleigentum zu Markte getragen.

So ist zumindest zu bemerken, dass die Landesdirektion in ihren Auflagen für 2013 den Verkauf der Wasserwerke Canitz nicht noch einmal extra genannt hat. Der stand in den Auflagen für 2012.

Wie die Stadt mit den Auflagen der Landesdirektion für 2013 umgeht, soll dann Thema in der Ratsversammlung am 18. September werden.

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