Das ging diesmal ganz flott: Nur zwei Monate brauchte das Umweltdezernat, um den 48-seitigen "Jahresbericht 2011" zum Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig auszuarbeiten. Anlass war ein Brief der Europäischen Kommission an die Bundesregierung vom 26. April. Mehrere deutsche Großstädte hatten auch 2011 die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung gerissen. Darunter auch Leipzig.
Leipzig hatte bis 2011 noch einmal eine Fristverlängerung zur Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte PM10 bekommen. 2009 hatte die Stadt ihren Luftreinhalteplan nach einem Warnschuss aus dem Dresdner Umweltministerium noch einmal aufgeschnürt und kurzfristig noch eine Umweltzone hineingepackt, die die Stadtverwaltung eigentlich genauso wenig wollte wie die Leipziger Wirtschaft. Aber die über 40 gesammelten Maßnahmen – vom Besprengen der Straßen über die Erneuerung des LVB-Fuhrparks bis zum Pflanzen von Stadtwäldern allein hätten nicht genügt, die Grenzwerte in kürzerer Frist zu erreichen. Aber welche Kommune hat die Kraft, nun ausgerechnet die mächtige EU-Bürokratie zu belehren, dass manche Dinge ihre Zeit brauchen? Erst recht, wenn sie Geld kosten und keins da ist?
Denn dass Leipzigs Luftreinhalteplan so zähflüssig umgesetzt wird, liegt ja an den mehr als knappen Budgets. Das Umweltamt kann nur drängen, wie Angelika von Fritsch, Leiterin des Umweltamts, betont.
Aber auch die im März 2010 eingeführte Umweltzone hat die Feinstaubwerte nicht unter die EU-Grenzwerte gedrückt. Im Gegenteil: 2011 und 2012 waren Jahre, in denen die Feinstaubbelastung sogar stieg. In beiden Jahren hatte Leipzig mit zum Teil monatelangen stabilen Wetterlagen zu tun, in denen sich die dicke Luft regelrecht ballte über der Stadt. Nicht jeder Feinstaub wird in Leipzig selbst erzeugt. Und nicht jeder ist gleich schädlich. Das belegt mittlerweile ein Forschungsprojekt von Alfred Wiedensohler, Leiter der Forschungsgruppe “Troposphärisches Aerosol” am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V., sehr deutlich.
Seit 2010 begleitet das Troposphäreninstitut die Leipziger Umweltzone mit eigenen Messreihen und ermittelt vor allem die wirklich toxischen Anteile des Feinstaubs – die Verbrennungsrückstände aus dem Kraftverkehr und den thermischen Verbrennungsanlagen. Und im März schon konnte Wiedensohler die Forschungsergebnisse aus den ersten beiden Jahren vorlegen und zeigen, dass gerade diese giftigen Ruß-Anteile durch die Umweltzone durchschnittlich um 30 Prozent gesenkt werden konnten.
Und auch der Vergleich mit Dresden zeigt, dass Leipzig mit der Umweltzone diese toxischen Bestandteile deutlich stärker senken konnte, auch wenn Dresden insgesamt beim Senken der Feinstaubbelastung etwas mehr Erfolg hat.
Aber wie lange wird es dauern, dass die EU-Kommission die Messergebnisse aus dem Troposphäreninstitut wahrnimmt und akzeptiert? Und entsprechend reagiert? – Denn jetzt hängen über allen Ländern und Kommunen, die von der EU-Kommission abgemahnt wurden, drohende Bußgeldverfahren. Jeder Tag Grenzwertüberschreitung zu viel wird mit Strafzahlungen sanktioniert. “Wobei wir mit unserem Bericht zum Luftreinhalteplan eigentlich recht gute Karten haben”, betonte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am Donnerstag, 4. Juli, bei der Vorstellung des “Jahresberichts 2011”. Denn Leipzig hat nicht nur einen Großteil der geplanten 48 Maßnahmen im Luftreinhalteplan auch umgesetzt oder angepackt – es hat auch gegen starken inneren Widerstand die Umweltzone eingeführt.
Die natürlich auch noch einen zweiten Effekt hat: Sie zwingt zu einer schnelleren Erneuerung des Dieselfahrzeugparks. Die Ausnahmeregelungen für Dieselfahrzeuge, die nicht die “Grüne Plakette” haben, sind befristet. Die letzten laufen zum 31. Dezember 2014 aus. Ausnahme in der Ausnahme: Für Betreiber von Linienbusflotten gibt es auch danach noch langsam abschmelzende Kontingente. Der Grund ist der selbe wie für alle anderen Löcher im Luftreinhalteplan: das Geld.
“Gerade 2009”, so betont Rosenthal, “sind die Fördermittel für Neuanschaffungen im ÖPNV – ja, wie soll ich sagen – deutlich nach unten gegangen.” Der sächsische Wirtschaftsminister hat die Schere angesetzt. Die Erneuerungszyklen im sächsischen ÖPNV wurden drastisch gedrosselt.
Der Stadtrat sollte den “Jahresbericht 2011” zwar schon in der Juni-Sitzung zur Kenntnis nehmen. Aber die Stadträte haben sich dafür eine Verschiebung auf die Juli-Sitzung am 10. Juli ausbedungen. “Sie wollten dazu mit der Stadtverwaltung noch einmal ausführlich ins Gespräch kommen”, sagt Rosenthal.
Denn jeder einzelne Punkt aus dem Luftreinhalteplan muss in jedem neuen Haushalt mit Geld untersetzt werden. Manchmal taucht das als Einzelantrag aus verschiedenen Fraktionen wieder auf – zum Beispiel wenn es um Geld für mehr Straßenbäume geht, um bessere Radwege oder die “autoarme Innenstadt”. Oder, wie von vielen Bürgern gefordert: Tempo 30 in Wohngebieten.
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Erst wenn alle Maßnahmen zusammenkommen, wird die Eigenbelastung der Stadt Leipzig mit Feinstaub und den ebenso gesundheitsschädlichen Stickoxiden deutlich sinken. Bei Feinstaub ist der Spielraum zwar gering – 7 Prozent etwa trägt die Umweltzone zur Senkung der Feinstaubbelastung in Leipzig bei. Gleichzeitig beträgt die Spreizung der Hintergrundbelastung mit Feinstaub 16 Prozent. Ein paar ungünstige Wetterlagen können Leipzigs Grenzwerte schon reißen lassen. Manchmal sind es aber auch große Baustellen an den verkehrsreichen Straßen – wie 2011 mit den “Höfen am Brühl” -, die für zusätzliche Spitzen sorgen.
Und fast immer ist es das Geld, das fehlt. Im “Jahresbericht 2011” sind die 48 Einzelmaßnahmen alle mit Punkten versehen – ein schwarzer Punkt steht für “überwiegende” Umsetzung, ein halbierter für “teilweise”, ein weißer für “Ist nicht passiert”.
Wie schwer es ist, einzelne Maßnahmen durchzusetzen, zeigt etwa der weiße Punkt bei “Prüfung der Wirksamkeit von Geschwindigkeitsreduzierungen auf hoch belasteten Straßen”. So eine Maßnahme würde vielleicht nicht unbedingt lange Staus verursachen – aber einen geharnischten Bürgerprotest. Wahrscheinlich mit Hupkonzert.
Eine andere wichtige Rußquelle sind Lkw. 2010 traute sich die Stadtverwaltung noch nicht an ein Lkw-Durchfahrtsverbot durch Leipzig, seit 2011 gibt es dazu ein paar erste Ansätze. Die “Aktion Klettermax”, mit der Fassaden in Leipzig begrünt werden können, fand 2010 und 2011 einfach nicht statt, weil die nötigen 10.000 Euro im Haushalt nicht eingestellt wurden. Die Ertüchtigung der Gasturbinen im Kraftwerk an der Eutritzscher Straße wurde zwar 2010 und 2011 nicht umgesetzt – dafür 2012. Aber das wird dann erst im nächsten Jahresbericht stehen. “An dem arbeiten wir parallel”, sagt Rosenthal. Und verspricht, dass der Bericht im Herbst vorliegen wird.
Ob der Brief der EU-Kommission aus dem April jetzt Folgen haben wird, kann er nicht sagen. Denn anders als andere Großstädte kontrolliert Leipzig ja auch den ruhenden Verkehr in der Umweltzone. 2011 wurden 7.309 Mal Knöllchen verteilt an Halter von Fahrzeugen ohne grüne Plakette, 2012 waren es 4.499 Bußgeldbescheide. “Und auch dieses Jahr sind wir schon über 1.000”, sagt der Umweltbürgermeister, der auch Ordnungsbürgermeister ist.
Im Mai hat die Stadt Leipzig einen Bericht zur Umsetzung des Luftreinhalteplanes an das Sächsische Umweltministerium geschickt. “Wir werden jedenfalls alles zur Vermeidung einer Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission vorm Europäische Gerichtshof tun”, sagt Rosenthal. Verständlich, dass Leipzigs Stadträtinnen und Stadträte nun gern wissen wollen, wo es in der Umsetzung des Luftreinhalteplans noch hängt – und wo sie die nötigen Gelder im Haushalt finden müssen.
Der Luftreinhalteplan von 2009 und den “Jahresbericht 2011” dazu findet man auch im Internet unter:
www.leipzig.de/de/buerger/umwelt/luft/luftreinhalteplan_leipzig.shtml
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