Wenn Politiker nicht mehr weiter wissen, dann greifen sie zur Schere. Oder zum Rasenmäher. Ein städtischer Haushalt ist zwar eine relativ überschaubare Sache. Aber wenn man die Grundprobleme dieses Haushalts nicht löst, landet man immer wieder vor dem alten Problem: Die kleinste Kostensteigerung macht all bisherigen Sparanstrengungen zunichte. Wenn überhaupt gespart wurde. Thomas Feist und Reik Hesselbarth bezweifeln das.

Der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung (SPD), und der Finanzdezernent Torsten Bonew (CDU) haben für die Haushaltsplanung 2014 alle Dezernate angewiesen, ihre Budgetansätze um 10 Prozent zu kürzen. Davon ausgenommen sind offensichtlich die Eigenbetriebe für Kultur. Nur durch diese drastische Maßnahme könne der städtische Haushaltsentwurf für 2014 ausgeglichen werden. Allein die zu erwartenden Tarifsteigerungen der städtischen Angestellten belasten den Etat mit 25 Millionen Euro. 18 Millionen scheinen zu fehlen, weil Leipzig beim “Zensus 2011” recht unerwartet rund 20.000 Einwohner “verloren” hat.

Doch mit strengen Sparauflagen versehen wird der Leipziger Haushalt ja nicht erst 2014. Seit über 10 Jahren steckt Leipzig in der Konsolidierungsphase, hat die Verschuldung des Kernhaushalts um rund 200 Millionen Euro gedrückt, hat sich bei Personaleinstellungen zurückgehalten und einen 1,2 Milliarden Euro hohen Investitionsstau aufgehäuft.

Eine Situation eigentlich, in der auch bei “kleineren Posten” auf jeden Euro geschaut werden muss. Aber so recht im Gleichgewicht ist das in Leipzigs Verwaltung nicht.

Das kritisiert jetzt der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Feist, der Burkhard Jung aus gegebenen Anlass an sein eigenes Versprechen erinnert, sämtliche Vorschläge mit Spar-Potenzial über 100.000 Euro prüfen zu wollen.

“Mein Vorschlag lautet, die städtische Praxis zu hinterfragen, in etlichen stadteigenen oder Beteiligungsfirmen mehr als einen Geschäftsführer zu beschäftigen, während Firmen der freien Wirtschaft ihre Belange mit möglichst schlanker Personalstruktur bewältigen. Besonders brisant ist dabei, dass nicht einmal die gewählte Bürgervertretung im Leipziger Stadtrat über die genauen Bezüge der leitenden Angestellten Bescheid weiß, da es bisher nicht zur Umsetzung einer Transparenzrichtlinie kam”, stellt er fest. “Ohne die Arbeit der betreffenden Personen diskreditieren zu wollen, muss hier versucht werden, unnötiger Verschwendung von städtischem Kapital und damit des Geldes unserer Bürger entgegenzuwirken. Ich schätze, dass bei ca. 170 Eigenbetrieben eine stattliche Summe zusammenkommen wird, die an anderer Stelle besser angelegt wäre.”

Aber nicht nur bei den Managern der kommunalen Unternehmen gibt es dieses unverständliche Schweigen über die Gehälter. Auch bei den Eigenbetrieben Kultur wird bei einigen Personen mit Summen hantiert, die der landläufige Leipziger mit seinem Monatseinkommen von durchschnittlich 1.135 Euro (“Bürgerumfrage 2012”) wohl eher als utopisch verbuchen würde.Und just da soll jetzt nicht gekürzt werden, kritisiert der Fraktionsvorsitzende der FDP im Leipziger Stadtrat, Reik Hesselbarth. Der Liberale zeigte sich überrascht, dass offensichtlich die Eigenbetriebe für Kultur von dem Rasenmäher ausgenommen wurden: “Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Es zeigt sich, dass wir wohl viel früher als gedacht erneut in eine Strukturdiskussion kommen werden. – Bürgermeister zu sein, bedeutet nicht nur als Wohltäter der Hochkultur aufzutreten, sondern auch – wenn nicht sogar vor allem – unangenehme Entscheidungen zu treffen, damit es der Stadt langfristig gut geht! Und die Rasenmähermethode ist eine einfache Methode, die aber viele Falsche trifft.”

Denn nach all den Sparrunden der letzten Jahre würde Jung jetzt mit der Rasenmähermethode zwei Ziele erreichen: einen kurzfristigen Haushaltsausgleich und die langfristige Handlungsunfähigkeit der Stadt.

“Es wird der Stadt immer schwerer fallen, die mittelfristig nicht mehr fließenden Gelder aus dem Solidarpakt auszugleichen und eine zukunftsorientierte Politik für Leipzig zu gestalten”, sagt Hesselbarth. Er befürchtet durch diese Politik eine fortschreitende Erosion der kommunalen Infrastruktur, weil keine Mittel übrig bleiben, um die dringend notwendigen Investitionen in Kindergärten und Schulen, aber auch Straßen und Brücken zu finanzieren. Das werde sich durchschlagen bis zu Schienen, ÖPNV und das Ver- und Entsorgungsnetz der Wasserwerke. Hesselbarth wirft dem Oberbürgermeister vor, Probleme auszusitzen und mögliche strukturelle Lösungsansätze – wie zum Beispiel eine Konsolidierung der Kultur oder eine zügige Reform der Verwaltung unter dem Stichwort “EDV-gestützte Abläufe” – nicht anzugehen.

“Sei es aus Angst vor Widerstand in der ihm unterstehenden Stadtverwaltung oder aus politischem Unvermögen werden hier Handlungsspielräume aufs Spiel gesetzt”, benennt Hesselbarth das Problem. “Der Oberbürgermeister wird sich zu Prioritäten – im positiven wie im negativen – bekennen müssen, wenn er weiterhin das Heft des Handelns in der Hand behalten will.”

Reik Hesselbarth kündigt deshalb einen Vorstoß seiner Fraktion an, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zu bilden, um über die Schwerpunkte der städtischen Haushaltspolitik für die nächsten Jahre zu diskutieren: “Wenn die Verwaltung sich scheut, müssen wir ehrenamtlichen Stadträte die Verantwortung übernehmen und den Oberbürgermeister auf einen klaren Weg zwingen. Aber Rasenmähermethoden sind angesichts der auslaufenden Mittel aus dem Soli und den rapide steigenden Aufwendungen für die Betreuung unserer Kinder keine Alternative!”

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