2027. Noch weitere 14 Jahre. So lange wollen sich die Sächsische Talsperrenverwaltung (LTV) und die Stadt Leipzig Zeit lassen, um die wichtigsten innerstädtische Entlastungsadern für Hochwasserfälle freizulegen. Im April 2012 haben Stadt und LTV endlich die dazu nötige Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Obwohl die Projekte seit 2004 auf der Agenda stehen. Aber Deichertüchtigungen gingen auch in Leipzig vor.

Das Beklemmende an der Kooperationsvereinbarung ist aber: Sie ist wieder nichts anderes als eine Absichtserklärung. Ziemlich deutlich steht drin: Wenn kein Geld da ist, wird nichts davon angepackt. Das Januarhochwasser von 2011 hatte beiden Parteien Dampf gemacht. Doch während die LTV 40 Millionen Euro in Deiche und Wehranlagen investierte und auf 22 Kilometer Länge im und am Leipziger Auwald Bäume fällte, konnte sich Leipzig 2012 nur dazu durchringen, ein weiteres 200 Meter langes Stück Elstermühlgraben zu öffnen. Mehr Geld war nicht zu finden im Haushalt. Damit wird der Elstermühlgraben, der ein Teil der Kooperationsvereinbarung war, noch immer nicht funktionsfähig. Es fehlt noch immer das Teilstück zwischen Elster- und Thomasiusstraße.

Ein anderes Projekt aus dem Papier hätte schon ab 2010 begonnen werden sollen: die Freilegung der “Alten Elster”, die bis in die 1920er Jahre hinterm Schreberbad nördlich abbog und westlich am Waldstraßenviertel vorbei Richtung Rosental floss. Was nördlich vom Waldstraßenviertel und vom Klärwerk Rosental heute als Elstermühlgraben fließt, ist eigentlich der Verlauf der Alten Elster, sogar der ganz alten Elster, denn auch die Alte Elster war ja schon eine Begradigung der Weißen Elster, die sich in Mäandern durch das Gebiet des heutigen Waldstraßenviertels schlängelte.Die 2004 kalkulierten Kosten für die Öffnung der Alten Elster – die heute durch eine Lindenallee östlich der Arena gekennzeichnet ist – betragen 24,8 Millionen Euro. Den Kostenblock hat mit der Kooperationsvereinbarung von 2012 die LTV durchaus als den ihren anerkannt. In der Vereinbarung dazu heißt es: “Planungen ab LP 3 HOAI, bauliche Investitionen und liegenschaftliche Klärung an Gewässern 1. Ordnung einschl. der Brücke Goyastraße entsprechend den in der Präambel genannten Zielsetzungen”. Gewässer 1. Ordnung sind die in Landeshoheit. Der Elstermühlgraben – auch in dem Stück zwischen Palmgartenwehr und Schreberbad – ist es derzeit nicht. Aber wenn die Alte Elster geöffnet wird, wird auch dieser Gewässerabschnitt wieder Fluss – also ganz offiziell Weiße Elster.

Die LTV hat hier auch schon entsprechende Gewässerprofilierung angekündigt.

Auch an der zweiten Brücke im Verlauf der Alten Elster will sie zumindest bis zu den Ufermauern mitbauen – der Brücke im Verlauf der Jahnallee. Den Brückenbau selbst will die Stadt Leipzig übernehmen.Und hinter dem Wiederanschluss der “Alten Elster” an ihr altes Flussbett im Rosental wird die LTV auch aufräumen, damit der Fluss wieder fließen kann. Mit dieser Öffnung der Alten Elster wird dieses Gewässer wieder der eigentliche Fluss. Das Elsterbecken zwischen Palmgartenwehr und Luppewehr wird zum “Gewässer im Nebenschluss” und kommt damit in Obhut der Stadt Leipzig, die hier durchaus Entwicklungspotenzial sieht für Wassersport. Wofür es ursprünglich ja mal gedacht war. Insbesondere Leipzigs Rudervereine würden hier geradezu olympische Trainingsbedingungen finden. Auch das Problem der fortwährenden Sedimentablagerung im Elsterbecken dürfte es dann nicht mehr geben. Derzeit muss die LTV aller paar Jahre mit einem Kostenaufwand von 1,5 Millionen Euro die Sedimente aus dem Becken baggern oder – wie zuletzt 2012 – absaugen lassen.

Die Wehre und das Elsterbecken bleiben aber trotzdem als Teil des Hochwasserschutzes erhalten. Das Palmgartenwehr wird auch künftig bei großen Hochwassern aufgezogen, damit das Wasser nicht in die Stadt drückt.

Aber auch der “Profilausbau” des jetzigen Elstermühlgrabens hat seinen Preis: 13,1 Millionen Euro wurden dafür 2004 kalkuliert.

Und noch ein wichtiges Projekt wurde 2012 vereinbart endlich umzusetzen: die Überleitung der Unteren Weißen Elster zur Neuen Luppe. Kostenpunkt mit zwei entsprechenden Wehren: 9,7 Millionen Euro. Denn wenn die Parthe Hochwasser führt (wie es in diesem Juni der Fall war) und auch die Weiße Elster Hochwasser hat, gibt es einen erhöhten Wasserdruck in Richtung Auensee. Was die Leipziger ja beim Juni-Hochwasser schon beobachten konnten. Das Gebiet um den Auensee stand noch Tage nach dem Hochwasser im Nassen.

Um den Wasserdruck aus der Parthe in die Luppe abzuleiten (und von da möglicherweise gleich in den Polder Burgaue) braucht man diese Überleitung. Sie soll vor allem auch den Rückstau der Parthe Richtung Rosental und Zoo verhindern, was auch das Klärwerk Rosental betriff.

Vielleicht kommt ja jetzt – mit den frischen Erfahrungen der neuen “Jahrhundertflut” – Bewegung in diese Pläne. In der Kooperationsvereinbarung kann man nachlesen, dass sich Stadt und LTV bis 2027 Zeit geben.

Die Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt und LTV findet man hier: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/094DDCC7769C3270C12579A3004002A6/$FILE/V-ds-2023-anlage-1.pdf

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