Das Ansinnen ist richtig: Die Leipziger CDU will sich nicht mit dem simplen Proporzdenken zufrieden geben, mit dem in Leipzig die Bürgermeisterposten besetzt werden. Ob die Strategie klug ist, ist dann schon eher eine Frage. Am Montag, 3. Juni, beschloss der CDU-Kreisvorstand, nicht nur Uwe Albrecht wieder um das Amt des Wirtschaftsbürgermeisters kandidieren zu lassen. Sie will mit Peggy Liebscher auch eine Kandidatin für das Sozialdezernat ins Rennen schicken.

“Damit beweist der CDU-Vorstand Klarheit und Mut”, erklärt jetzt Markus Walther von der Jungen Union dazu. “Klarheit, weil es nun keine CDU-Kandidaten erster und zweiter Klasse gibt – und Mut, weil sich der CDU-Vorstand nicht mit dem reinen Proporzanspruch zufrieden gibt, sondern offensiv um Unterstützung wirbt für eine junge, dynamische Bewerberin um das Sozialdezernat und für einen Wirtschaftsbürgermeister, der bereits seine fachliche Kompetenz unter Beweis gestellt hat.”

Der CDU-Kreisvorstand hatte der CDU-Ratsfraktion empfohlen, die Kandidaturen von Uwe Albrecht und von Peggy Liebscher für die Wahl dreier Leipziger Bürgermeister am 19. Juni im Leipziger Stadtrat zu unterstützen. Ob die Fraktion dem auch folgt, ist noch offen. Bislang hat sie sich – nach durchaus kontroverser Diskussion – erst für die Unterstützung von Uwe Albrecht entschieden.

“Der CDU-Kreisvorstand hat sich auf mein Drängen hin mit der neuen Kandidatenlage befasst, nachdem Peggy Liebscher ihre Kandidatur für das Amt der Sozialbürgermeisterin erklärt hatte”, erläutert Markus Walther, Kreisvorsitzender der Jungen Union (JU) Leipzig. “Nach einer breiten Diskussion hat der CDU-Kreisvorstand entschieden, der CDU-Ratsfraktion zu empfehlen, die Kandidaturen sowohl von Uwe Albrecht als auch von Peggy Liebscher zu unterstützen.”
Das Ganze bringt zumindest von CDU-Seite Bewegung in die Sache. Ob Peggy Liebscher Chancen gegen Amtsinhaber Thomas Fabian (SPD) hat, der sich wieder bewirbt, ist eher ungewiss. Denn in seinem Dezernat gibt es zwar nicht nur die meisten Baustellen. Doch sie haben aufs engste mit den Grundproblemen der Stadt zu tun – ihrer seit Jahren prekären Finanzlage und den daraus folgenden Engpässen etwa im Kita- und Schulbereich.

Drei Bürgermeisterposten stehen am 19. Juni zur Wahl. Neben denen des Sozial- und des Wirtschaftsbürgermeisters auch das des Umweltbürgermeisters. Letzteres bekleidet seit 2006 Heiko Rosenthal (Die Linke). Bislang ist für keines der drei Dezernate wirklich eine ernsthafte Gegenkandidatin oder ein ernsthafter Gegenkandidat aufgestellt worden. Was auch daran liegt, dass alle drei Amtsinhaber sich wieder bewerben. So stand es auch in den Ausschreibungen – entsprechend zurückhaltend waren dann auch mögliche kompetente Bewerber. Sie reagieren damit nicht nur auf den mehr als deutlichen Hinweis, dass sie gegen starke Amtsinhaber antreten müssten. Der Hinweis heißt auch, dass es von den Fraktionen im Stadtrat kaum Unterstützung geben wird – anders als im Mai, als die Grünen nicht nur auf das ihnen – proporzgemäß – zustehende Dezernat pochten, sondern der Berlinerin Dorothee Dubrau auch frühzeitig signalisierten, dass sie ihre Unterstützung bekäme.
Was in diesem Fall einen durchaus kompetenten Baubürgermeister Martin zur Nedden (SPD) das Amt kostete. Aber auf das Risiko, in der Juni-Ratsversammlung bei der Besetzung eines der drei anderen Dezernate ausgebootet zu werden, wollten sich die Grünen nicht einlassen. Auch weil keine der drei Fraktionen, die jetzt einen Bewerber im Rennen haben, signalisiert hat, dass es zu Absprachen kommen könnte. Denn dass in der Sächsischen Gemeindeordnung steht, dass die Bürgermeisterposten nach Proporz vergeben werden, hat auch mit dem Machtgleichgewicht im Kommunalparlament zu tun. Man will Fraktionsbildung vermeiden und eine möglichst breite Vertretung der Fraktionen in der Verwaltungsspitze gewährleisten.

Nur läuft das in Leipzig mittlerweile auf eine Art Mikado hinaus. Keine der Fraktionen ist groß genug, dass sie einen Bürgermeister aus eigener Mannschaftsstärke heraus wählen könnte. Sie braucht in der Regel immer zwei unterstützende Fraktionen, um die nötige Mehrheit zu bekommen. Und mit CDU, Linke und SPD sind jetzt die drei größten Fraktionen am Zug. Und man kann eigentlich Wetten darauf abschließen, dass sie am 19. Juni alle taktisch wählen werden. Denn wenn sie es dem ersten Kandidaten der anderen Fraktion schwer oder gar unmöglich machen – denn auch im zweiten Wahlgang ist die einfache Mehrheit im Stadtrat nötig, damit die Bewerber ihren Posten erringen – dann ist mit ziemlicher Sicherheit auch für die nächsten Kandidaten nichts mehr sicher.

Und die kleineren Fraktionen werden für taktische Spielchen kaum zur Verfügung stehen, denn ganz unumstritten sind die drei kandidierenden Bürgermeister nicht. Auch nicht Uwe Albrecht in seiner Position als Wirtschaftsbürgermeister.

Aber was passiert, wenn das bizarre Gleichgewicht ins Wanken gerät? – Eine mögliche Folge wäre: Für alle drei Posten müssten neue Kandidaten gefunden werden.

Oder die Abstimmungen werden zu einem echten Stimmungstest im Stadtrat und auch die Fraktionen selbst bekommen mit, wie viel Vertrauen sich ihre Kandidaten in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. Da kann es passieren, dass der mit den meisten Blessuren am Ende von der Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen bekommt – und ein anderer, der sich freundlich durchlaviert hat, die Rote Karte bekommt.

Was für den derzeitigen Stadtrat natürlich auch ein Beweis für eigenständige und kritische Beschlussfähigkeit wäre. Und was sich möglicherweise auch viele Bürger endlich einmal wünschen würden – und was selbst die CDU nun schon mehrfach angesprochen hat: Entscheidung nach Kompetenz und nicht nur nach Proporz.

Aber an der Stelle wird es ganz spannend und unberechenbar. Und wenn die CDU-Fraktion der Entscheidung des Stadtvorstandes folgt, wird genau das eintreten.

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