Mal ja, mal jein. Auch die Stadt Leipzig tut sich schwer, wenn es um die Sicherung von Mindestlöhnen in städtischen Tochterunternehmen geht. Das findet auch die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD Leipzig nicht wirklich gut. Sie fordert - nachdem die niedrigen Vergütungen für Aushilfskräfte im Zoo Leipzig bekannt geworden sind - die Verantwortlichen der Stadt auf, einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde in allen Unternehmen mit kommunaler Beteiligung in Leipzig durchzusetzen.

Die von den Grünen angeregte Debatte zu den Löhnen für Minijobber im Zoo Leipzig und die folgenden Rechtfertigungen des Zoo-Chefs sollten ein Anstoß für ein radikales Umdenken aller Verantwortlichen in den Unternehmen mit kommunaler Beteiligung und im Stadtrat sein. “Teilzeitbeschäftigte müssen in der Lage sein, mit den Einkünften dieser Beschäftigungen anteilig ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und auch eine Altersvorsorge finanzieren zu können”, fordert Ingo Hanemann, Vorsitzender der Leipziger AfA.

“Nur so können wir für die Zukunft Altersarmut eindämmen und schon heute die Notwendigkeit zur Aufstockung begrenzen. Den in diesem Zusammenhang viel zitierten Studierenden und Rentnern steht ein Mindestlohn ebenfalls zu. Es ist schon sehr erstaunlich, dass man niedrige Löhne mit flexiblen Arbeitszeitmodellen begründet”, kritisiert Ingo Hanemann.

Die im Zoo Leipzig gezahlten 6,50 Euro pro Stunde seien für die AfA Leipzig nicht hinnehmbar. Dieser Betrag liege 23,5 Prozent unter dem von den Gewerkschaften und der SPD geforderten Mindestlohn. Die Unternehmen in kommunaler Verantwortung, auch die von der Stadt Leipzig gezielt zur Verschleierung der Zuständigkeit ausgelagerten, gehörten daher auf den Prüfstand zum Abstellen solcher Umstände.

Glaubwürdigkeit hänge nun einmal signifikant mit der Übereinstimmung von Wort und Tat zusammen. Bei einem zentralen innenpolitischen Thema wie der Mindestentlohnung von abhängiger Beschäftigung müsse eine SPD-geführte Kommune Vorbild sein, schreibt die AfA Oberbürgermeister Burkhard Jung ins Stammbuch.

Am 6. März hatte die Grünen-Fraktion die Sache zum Thema einer Anfrage gemacht. Im Zusammenhang mit der Stadtratssitzung gab das Verwaltungsdezernat dazu auch die Antworten heraus. Und das Erhellende daran – das Ganze betrifft nicht nur Saisonarbeitskräfte im Zoo. Klar: Ein ganzes Land ist im Sparwahn. Wo sich Lücken auftun, geht auch eine Stadt wie Leipzig unter den Eichstrich. Der Eichstrich heißt Tarifvertrag. Wo es keinen gibt, gibt’s auch im Verwaltungsbereich der Stadt weniger Geld.

“Bei tariflicher Eingruppierung wird der geplante gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde in keinem Fall unterschritten. Dies gilt einheitlich für den allgemeinen Verwaltungsbereich und den Sozial- und Erziehungsdienst (TVöD) sowie die nach NV Bühne engagierten Solisten, Tänzer, Assistenten etc. in Kultureigenbetrieben”, beteuert das Verwaltungsdezernat. “Bei den außertariflich Beschäftigten ist das Vergütungsniveau ohnehin höher, so dass die Einführung dieses Mindestlohnes keine Auswirkungen in der Stadtverwaltung und den Eigenbetrieben hätte.”

Aber die kleine Ausnahme: “Im Eigenbetrieb Schauspiel Leipzig werden im Bereich Öffentlichkeitsarbeit gelegentlich Aushilfen tätig, die keinem Tarifvertrag unterliegen. Sie erhalten für den Verkauf von Werbematerial und Büchern während der Abendveranstaltungen einen Stundensatz von 7,00 Euro.”

Andererseits schaue die Stadt bei der Vergabe von Bauleistungen darauf, dass die Mindestlöhne nach Arbeitnehmer-Entsendegesetz in allen Bereichen bereits seit einigen Jahren über 8,50 Euro liegen. “Da die Firmen verpflichtet sind, dies einzuhalten, sind im Baubereich keine Auswirkungen durch einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro zu erwarten”, betont das Verwaltungsdezernat. Aber wer hätte da nicht ein kleines Aber erwartet?

“Anders verhält es sich im Bereich der Gebäudedienstleistungen, zu denen u. a. Gebäudereinigung und Wachschutzleistungen gehören. Hier gibt es gemäß Arbeitnehmer-Entsendegesetz in Verbindung mit der dazu erlassenen Rechtsverordnung branchenbezogen zu beachtende allgemeinverbindliche Entgeltsätze, die unter 8,50 Euro liegen”, so die Auskunft der Verwaltung. Da Arbeitnehmer-Entsendegesetz wurde ursprünglich geschaffen, um bestimmte Branchen gegen noch billigere Arbeitskräfte vor allem aus Osteuropa zu schützen. Mittlerweile hat es sich aber als Instrument erwiesen, in bestimmten von Niedriglöhnen dominierten Branchen über die Bundesebene Mindeststandards durchzusetzen, wenn belastbare Tarifstandards nicht existieren.

Diese Sätze treffen dann auch zu, wenn Leipzig entsprechende Dienstleister beauftragt: “Gebäudereinigung LG 1 – derzeit 7,56 Euro, Separatwachdienst – derzeit 7,50 Euro, Revierdienst – derzeit 7,60 Euro. – Bei diesen Verträgen muss davon ausgegangen werden, dass bei Festlegung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro Preisanpassungen unumgänglich werden”, betont das Verwaltungsdezernat. “Die bei den Vergaben vorzulegende Kalkulation der angebotenen Preise zeigt, dass die Unternehmen überwiegend nur mit diesen Mindestsätzen kalkulieren. Eine Erhöhung des Mindestlohnes würde schätzungsweise eine Steigerung bis 12,5% bezogen auf den im Stundenverrechnungssatz enthaltenen Lohnanteil bedeuten. Da diese Position den größten Anteil (teilweise bis zu 80%) innerhalb der Preiskalkulation einnimmt, wäre eine entsprechende Erhöhung der Auftragssummen und somit nicht unerhebliche Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt der Stadt Leipzig zu erwarten. Dies betrifft sowohl die Stadtverwaltung als auch die Eigenbetriebe.”Was aber im Umkehrschluss auch bedeutet: Die Leipziger Stadtverwaltung kalkuliert die niedrigen Lohnsätze dieser Branchen so schon mit ein.

Wie viele Bezahlungen unter dem Niveau von 8,50 Euro in den Leipziger kommunalen Unternehmen und in welchem Umfang sie vergeben werden, konnte das Verwaltungsdezernat noch nicht sagen, gab den Grünen aber eine kleine Auflistung dessen, was innerhalb kurzer Zeit ermittelbar war. Eine kleine Auswahl:

“Im Bereich der sogenannten Aushilfsvergütung (Aushilfskräfte, Schüler, Studenten, Praktikanten) wird meist unter 8,50 Euro entlohnt. Dabei handelt es sich jedoch um keine dauerhaft Vollbeschäftigten, sondern um befristete Tätigkeiten für saisonale und/oder projektbezogene Arbeiten.”

“Bei der Vergabe von Aufträgen an Dritte wird in nahezu allen Fällen explizit die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der jeweils gültigen (Branchen-)Tarifverträge vertraglich vereinbart. Der Branchenmindestlohn differiert jedoch noch von Branche zu Branche und liegt z. B. beim Gebäudereinigungsdienst sowie Wach- und Sicherheitsgewerbe gegenwärtig auch in der Region Leipzig unter 8,50 Euro. Käme es in den Bereichen zu entsprechenden Anpassungen, dann wären davon nahezu alle kommunalen Unternehmen direkt bzw. indirekt finanziell betroffen.”

“Zu folgenden einzelnen Unternehmen kann – außerhalb etwaiger Aushilfsvergütungstatbestände (d. h. ohne Saisonkräfte) – Folgendes beispielhaft konstatiert werden: Die Leipziger Service Betriebe (LSB) GmbH zahlt im Rahmen eines mit der Gewerkschaft ver.di vereinbarten Haustarifvertrages derzeit einen Mindestlohn von 7,50 Euro in den untersten Vergütungsgruppen für eine wechselnde Zahl von Beschäftigten (150-200). Eine Erhöhung dieses Betrages hätte damit eine – jedoch nicht näher qualifizierbare – Ergebnisrelevanz für die LVB.”

“Bei der Sachsen Wasser GmbH, einer Tochter der KWL, würden voraussichtlich jährliche Mehrkosten von rund 4.000 Euro (inkl. AG-Anteile) entstehen.”

“Bei der Zoo Leipzig GmbH hätte eine Anpassung der Vergütung bei Zooservicemitarbeitern – derzeit Anlehnung an Tarifvertrag Bewachungsgewerbe – Mehrkosten von rund 70.000 Euro (inkl. AG-Anteile) zur Folge.”

“St. Georg Wirtschafts- und Logistik GmbH sowie St. Georg Faciltity GmbH Bzgl. erster Gesellschaft wird mit ver.di ein HTV verhandelt, der für die untersten Lohngruppen ab 01.07.2013 einen Mindestlohn von 8,50 Euro vorsieht. Bei der Facility GmbH erfolgt die Entlohnung auf Grundlage des Branchentarifes, der rund 1 Euro unter einem Mindestlohn von 8,50 Euro liegt. Hier wäre nach Angaben der Klinikumsleitung mit Mehrkosten von rund 200.000 Euro p.a. zu rechnen.”

Aber wenn man beim Lohn der Beschäftigten spart, verschwinden ihre Bedürfnisse ja nicht einfach aus der Welt. Viele landen dann trotz Voll-, Teil- oder Nebenbeschäftigung in der herzlichen Umarmung des Jobcenters Leipzig, das ja zur Hälfte wieder von der Stadt Leipzig finanziert wird. Irgendeiner bezahlt immer, auch wenn das so genannte “Wirtschaftsweise” wie Christoph Schmidt irgendwie nicht so sehen. Siehe den Link zum Beitrag in der “Süddeutschen”.

Mehr zum Thema:

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Also fragten die Grünen nach: Welche Einsparungen sind durch das ggf. steigende Lohnniveau im Bereich der Sozialleistungen zu erwarten?

Und das Verwaltungsdezernat bestätigte: “Im Bereich der Sozialleistungen sind bei einem steigenden Lohnniveau Einsparungen bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II zu erwarten. Denn diese Leistungen erhalten aufstockend auch Erwerbstätige, die mit ihrem Erwerbseinkommen den Lebensunterhalt für sich selbst und/oder die Mitglieder in der Bedarfsgemeinschaft nicht in vollem Umfang bestreiten können.”

Das Jobcenter Leipzig erfasse zwar die für die Höhe der Grundsicherungsleistungen maßgeblichen Angaben wie die Höhe des Erwerbseinkommens von Leistungsberechtigten und Daten, die für die Einkommensbereinigung erheblich sind. Aber da man dort wirklich Genaues nicht wissen will, weiß man es auch nicht. Das Verwaltungsdezernat zu dieser Unklarheit: “Ob ein Einkommen durch Teil- oder Vollzeitarbeit erzielt wird oder welches Einkommen pro Stunde dem zu Grunde liegt, wird nicht erfasst. Eine Aussage, welche erwerbstätigen Leistungsberechtigten bei Geltung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro in welchem Umfang höheres Einkommen erzielen würden, kann nicht getroffen werden. Die Höhe zu erwartender Einsparungen ist daher nicht darstellbar.”

Die vollständige Antwort des Dezernats Allgemeine Verwaltung: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/6E0DEB6F518469C8C1257B3A004EA44F/$FILE/V-f-808-antwort.pdf

Der “Wirtschaftsweise” Christoph Schmidt warnt vor Mindestlohn: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/medienbericht-wirtschaftsweiser-schmidt-warnt-vor-gesetzlichem-mindestlohn-1.1636584

Die AfA Leipzig: www.afa-sachsen.de

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