Es ist viel Häme in der Diskussion um Feinstaubbelastungen und Umweltzonen. In Dresden freut sich selbst der Erste Bürgermeister über einen speziellen "Dresdner Weg". In NRW und Thüringen reißen Kommunen trotz Umweltzone die Grenzwerte. Leipzigs Umweltzone ist jetzt zwei Jahre alt. Und sie hält, was versprochen war, sagt Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. Und wird von Prof. Alfred Wiedensohler bestätigt.

Alfred Wiedensohler muss es wissen. Er ist Leiter der Forschungsgruppe “Troposphärisches Aerosol” am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V., das Institut begleitet die Leipziger Umweltzone von Anfang an. Es wertet nicht nur die Messergebnisse der drei innerstädtischen Messstationen des Freistaates Sachsen aus, sondern auch die eigene in Heiterblick und eine – 10 Kilometer weit ab von der motorisierten Großstadt. Es geht natürlich um die Frage: Was kann eine Umweltzone tatsächlich bewirken? Welche Luftbelastungen entstehen direkt in der Stadt, wie hoch ist die so genannte Hintergrundbelastung – das also, was oft über tausende Kilometer ins Stadtgebiet hereingetragen wird?

Stichwort: Inversionswetterlagen. 2011 zwei Mal in großem Maßstab erlebt. In diesem Jahr wurden in ganz Sachsen die Grenzwerte überschritten. Hauptgrund: Die aus Osteuropa hereingetragenen Luftmassen, die sowieso schon mit Feinstaub angereichert sind. Schon im benachbarten Polen sorgen Ofenheizungen in kalten Tagen dafür, dass alle europäischen Grenzwerte überschritten werden.
Aber es gehe gar nicht so sehr um die Höhe der Feinstaubbelastung, so Wiedensohler. 80 Prozent der Feinstaubbelastung sind nicht toxisch. Tatsächlich geht es um die 20 Prozent Anteile am Feinstaub, die hochgradig toxisch sind und wahrscheinlich direkt verantwortlich sind für eine höhere Sterblichkeitsrate zum Beispiel an Hauptverkehrsstraßen. Im Wesentlichen sind es Verbrennungsaerosole aus Hausbrand, Industrie und vor allem Verkehr. Landläufig das, was man Ruß nennt. Und Hauptquelle für diese Rußpartikel ist der Verkehr.

Die fünf Messstellen, auf die Wiedensohler zurückgreifen kann, bilden wohl derzeit europaweit ein einmaliges Messnetz. Die Messungen weitab vom Stadtgebiet ermöglichen Wiedensohler einen Vergleich, der genau den Kern der Frage trifft, der in Sachsen so hypernervös diskutiert wird. Dresden behauptete ja am Montag, 4. März, gleich mal: “‘Dresdner Weg’ effizienter als Umweltzone”. Man lebt dort wirklich noch in dem Glauben, man könne das Problem punktuell lösen. Aber über 60 Prozent der Feinstaubbelastung sind punktuell nicht beeinflussbar.

Was Wiedensohler zu dem schönen Bild verdichtet: “Hätten wir immer nur Windströmungen aus West und Nordwest, wir hätten in Leipzig kein Problem mit den Grenzwerten, wir wären nicht mal in Gefahr, so ein Problem zu bekommen.”

Ist aber leider nicht so. Die häufigste Windrichtung für Leipzig ist Südwest, so dass auch die Feinstaubbelastung aus Afrika, Südeuropa und Süddeutschland eingetragen wird. Und wenn östliche Winde vorherrschen, hilft sowieso nichts mehr. Dann sorgt allein schon die “Hintergrundbelastung” dafür, dass in Leipzig die Grenzwerte gerissen werden.
Beeinflussbar aber ist der Rußanteil an der Feinstaubbelastung. Und da ist Wiesensohler deutlich: “Bei krebsauslösenden Partikeln haben wir in Leipzig durch die Umweltzone einen drei Mal höheren Effekt als in Dresden.” Was nicht daran liegt, dass die Rußpartikel nun an der Zonengrenze Halt machen. Aber die Umweltzone hat mit ihrer Einführung auch einen Lenkeffekt. Sie hat schon im Jahr der Einführung 2011 den Anteil von Lkw, die ins Stadtgebiet fahren, um 28 Prozent gesenkt. Die Kraftfahrer wichen auf den Autobahnring aus und umfahren seitdem das Stadtgebiet. Übrigens ein Effekt, den Dresden mit einem Durchfahrverbot für Lastkraftwagen schwerer als 3,5 Tonnen erreicht hat. Und da gerade ältere Diesellastkraftwagen die Hauptemittenten für Ruß sind, ist der Effekt hier wie dort vergleichbar.

Nur wird in Dresden eben nicht über eine “Umweltzone” diskutiert. Man schafft zwar eine “Umweltzone”, nennt sie aber nicht so. Psychologie ist manchmal etwas Feines. In Leipzig kommt dazu, dass auch der Durchfahrverkehr von Pkw um 11 Prozent zurückging. Es hat durchaus eine abschreckende Wirkung, wenn das Nichtvorhandensein einer “Grünen Plakette” mit drei Punkten in Flensburg und 40 Euro sanktioniert werden kann.

Und in Leipzig selbst hat die Einführung der Umweltzone zu einem schnelleren Umbau des Fahrzeugparks geführt. Die sachsenweite Erneuerungsquote der Fahrzeugflotten hin zur “grünen Plakette” lag bei 8 Prozent, in Leipzig lag sie bei 20 Prozent. Heißt für die in Leipzig gemeldeten Nutzfahrzeuge nach Angaben von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal: Hatten 2010 erst 40 Prozent der Nutzfahrzeuge die “Grüne Plakette”, waren es 2012 schon 63 Prozent. Der Rest fährt in der Regel noch mit Ausnahmegenehmigung.

Aber die Zahl der Ausnahmegenehmigungen wird bis 2015 drastisch sinken. “2014 ist für uns der Knackpunkt”, sagt Rosenthal. “Dann wollen wir eigentlich die Umstellung komplett geschafft haben.” Für einige Fahrzeuge, für die ein Ersatz bis 2014 partout nicht zu realisieren ist, gibt es auch jetzt noch Anträge auf Ausnahmeregelungen bis 2016. Und sie werden wohl auch weiter gewährt werden. Etwa für über 70 Busse.

Aber schon 2012 gab es nur noch 5.285 Ausnahmegenehmigungen (nach 6.856 im ersten Jahr der “Umweltzone”), 2013 wurden bislang nur 4.530 Genehmigungen ausgereicht. Ab 2014 soll die Zahl unter 1.000 fallen. Vom Fahrverbot bis 2014 ausgenommen sind auch noch jene Fahrzeuge mit “Gelber Plakette”, die nicht auf “Grün” umgerüstet werden können.

Die Messungen an den beiden innerstädtischen Messstationen Lützner Straße und Am Halleschen Tor haben – so Wiedensohler – auch gezeigt, dass insbesondere der Rußanteil dort um 30 Prozent zurückging. Was er dadurch nachweisen kann, dass er die Messergebnisse aus der Umweltzone mit denen außerhalb der Stadt vergleicht. Wenn er die “Hintergrundbelastung” herausrechnet, bleibt im Grunde die direkte Schadstoffemission vor Ort übrig.

Und insbesondere der Rußanteil ist mit Einführung der “Umweltzone” genauso stark gefallen wie prognostiziert. Und das, obwohl der innerstädtische Verkehr auf den ersten Blick nur für 18 Prozent (Leipzig-Mitte) bzw. 24 Prozent (Lützner Straße) der gemessenen Feinstaubbelastung der Verursacher ist.Aber der Verkehr ist eben auch das einzige Element, auf das Kommunen einen direkten Einfluss haben.

Das wird auch beim zweiten wichtigen Schadstoff von Bedeutung, beim Stickstoffdioxid, für den ab 2015 die Grenzwerte EU-weit verbindlich sind. Diese Grenze reißt Leipzig ebenfalls. Und bei den Stickoxiden ist der Verkehr für 80 Prozent der Emissionen der Verursacher. Und 2015 sieht Heiko Rosenthal die Stadt Leipzig noch nicht in der Lage, die vorgegebenen Grenzwerte einzuhalten. Aber es gibt ja nicht nur die “Umweltzone”, auch wenn Rosenthal sie mittlerweile als zentrales Element des Leipziger Luftreinhalteplans betrachtet. Da stehen noch 48 weitere Maßnahmen drin, die so auch vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie abgenickt sind. Unter anderem auch ein weiterer Ausbau der umweltfreundlichen Verkehrsarten – ÖPNV, Rad- und Fußverkehr. Denn gerade bei der Stickstoffproblematik liegt die Chance darin, den rollenden Verkehr in der Stadt insgesamt zu verringern.

Zur Leipziger Umweltzone
www.leipzig.de/umweltzone

Zur Dresdener Umweltzone. Äh, Entschuldigung. Zum Dresdener Luftreinhalteplan www.dresden.de/de/02/035/01/2013/03/pm_010.php

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