Informationsstände mit politischem Inhalt sollen künftig in Leipzig generell kostenfrei sein. Diesen politischen Willen formulierte der Leipziger Stadtrat am Mittwoch fast einstimmig. Vor so viel parlamentarischer Geschlossenheit lenkte auch die Stadtverwaltung ein und schob formale Bedenken beiseite. Sie wird nun einen Satzungsvorschlag erarbeiten. Das Neue Rathaus erlebte am Mittwoch wohl so etwas wie ein Emanzipationsakt der Leipziger Stadträtinnen und Stadträte.
Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit gehören zum Kern der Grundrechte. Das nimmt man in Leipzig, der Stadt der friedlichen Revolution, quasi mit der Muttermilch auf.
“Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten”, steht dazu in Artikel 5 Grundgesetz. Und in Artikel 8 heißt es, sprachlich in Teilen antiquiert: “Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.”
Manchmal sind es aber auch kommunale Satzungen, die einschränkend wirken können. Wenn nämlich eine kommunale Behörde wie etwa das Leipziger Marktamt bei der Annahme von Wünschen auf Betreiben von Informationsständen mit politischem Inhalt ins Spiel kommt und den anmeldenden Orten und Zeiten zuweist, ist nun einmal eine deutsche Verwaltung in Bewegung gesetzt. Und dann gelten kommunale Gebührenordnungen. Genehmigung nur gegen Gebühr, so lautet der eherne deutsche Grundsatz.
“Eine Satzung ohne Gebühren kann ich nicht vorlegen”, argumentierte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) am Mittwochnachmittag noch einmal. Deshalb empfahl er den Stadträten die Ablehnung des Antrages von Linken und Grünen auf “Änderung der Satzung der Stadt Leipzig über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen (Sondernutzungssatzung)”.
Was die Antragssteller erboste: “Mit dem Verweis auf § 6 Abs. 6 der Sondernutzungssatzung wurden für politische Informationsstände Verwaltungsgebühren erhoben.” Und das gegen den mehrfach artikulierten Willen der Stadträte. Die die Verwaltung auch so verstanden hatten, dass sie dieses Anliegen aufnehmen würde.
Sören Pellmann (Linke) und Norman Volger (Grüne) warben noch einmal für Kostenfreiheit für politischen Informationsveranstaltungen unter freiem Himmel, letzterer auch unter Verweis auf den Herbst 1989. Für jedermann und alle Initiativen und zu jedem Zeitpunkt – und nicht nur für Parteien sechs Wochen vor Wahlen.
In der Debatte platzte dann CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski der Kragen. “Das, was ich jetzt erlebe, das stinkt zum Himmel”, echauffierte sich der Christdemokrat. Die Stadtverwaltung zeige sich zum wiederholten Mal genervt von Stadträten, Parteien und Bürgern. Es sei nicht Aufgabe, ehrenamtlicher Stadträte, juristisch ausgefeilte Anträge zu stellen. Sondern einen politischen Willen zu formulieren, den die Verwaltung dann umsetzt.
Für Maciejewskis Fraktionskollegen Uwe Rothkegel stellte sich zudem die grundsätzliche Frage, “warum muss man einen Verwaltungsvorgang eröffnen für etwas, was frei ist”.
Gegen zwei Neinstimmen und vier Enthaltungen folgte der Stadtrat dem dunkelrot-grünen Antrag. Und nun läuft es, wie es in der politischen Bildung immer gelehrt wird: Die Volksvertretung definiert ein Ziel, die Verwaltung liefert die Mittel zur Umsetzung desselben. Nach dem Willen der Stadträte werde eine Satzung erarbeitet, sagte das Stadtoberhaupt nach der Abstimmung zu.
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