Ruhe bei den kulturellen Eigenbetrieben scheint des Wahlkämpfers höchste Pflicht. Erst im vierten Quartal 2013 muss das Leipziger Stadtoberhaupt dem Stadtrat Vorschläge für eine gemeinsame Verwaltungsstruktur der kulturellen Eigenbetriebe unterbreiten. So beschloss es der Stadtrat am 18. Juli 2012. In der Haushaltsdebatte drängten nun einige Fraktionen aufs Tempo. Grünen-Fraktionschef Wolfram Leuze sorgt sich um die Zukunft der Kultur in Leipzig. Nicht nur, weil er zugleich Vorsitzender des städtischen Kulturausschusses ist.
“Das musikalische und kulturelle Angebot Leipzigs ist ein Stück meines Lebensinhaltes in Leipzig geworden”, bekannte Leuze in der Haushaltsdebatte des Stadtrates am Donnerstag. “Und deshalb ist es mir wichtig”, so Leuze weiter, “Probleme, die sich auch aus finanziellen Gründen für die Leipziger Kultur ergeben, einer Lösung zuzuführen.”
Einen nachhaltigen finanziellen Stabilisierungseffekt lässt sich “letztendlich nur durch Strukturveränderungen erreichen”, ist sich der grüne Vormann sicher. An dieser Stelle werde Burkhard Jung, in Personalunion Oberbürgermeister und zuständig für die großen Häuser, seiner “Verantwortung in keiner Weise gerecht”, kritisierte Leuze weiter.
Stattdessen glänze das Stadtoberhaupt “immer wieder mit wohlfeilen, voreiligen Zusagen an die Eigenbetriebe Kultur, bei Vernachlässigung des Kulturangebotes der Freien Szene”, so Leuzes Einschätzung. “Wenn es nicht die Initiativen aus dem Stadtrat gegeben hätte, das Gutachten der Firma actori läge längst verstaubt im OBM Bereich”, befand der Kultur- und Finanzexperte.
Durchaus ähnlich sehen es die Liberalen. Deren Fraktionschef Reik Hesselbarth forderte in seiner Haushaltsrede “die weitere Auseinandersetzung mit den Strukturen der Eigenbetriebe”. Mit seinem Beschluss vom 18. Juli 2012 habe eine Stadtratsmehrheit “erneut dem verwalteten Mangel den Vorzug vor einer strategisch weitsichtigen aber eben Mut verlangenden Entscheidung gegeben”, bemängelte der Liberale.
“Diese Entscheidung wird der Leipziger Kultur nachhaltig schaden”, ist sich Hesselbarth sicher, “denn den Häusern wird weniger Geld gegeben, als sie benötigen – nur um das bestehende Leistungsangebot zu halten.” Weitere Kürzungen bei Premieren und Aufführungen seien deshalb nach Ansicht von Hesselbarth in allen drei großen Eigenbetrieben wahrscheinlich.
Auch die Linken sehen in der Strukturreform der künstlerischen Eigenbetriebe “die größte kulturpolitische Herausforderung der nächsten beiden Jahre”, wie ihr Fraktionschef Sören Pellmann ausführte.
100 Jahre Haus Dreilinden: Die Musikalische Komödie als ein Haus mit Seele im Langzeitexperiment
Als ein “offenkundig unverrottbares Theater mit Seele …
“Fahrlässig” sie es gewesen, dass der Stadtrat mit seinem Beschluss vom 18. Juli, die Häuser in einen Mehrspartenbetrieb zu überführen, das Ende der Debatte schon zu Beginn festgelegt hebe, wiederhole Pellmann die linke Position. “Hier haben Sie sich, Herr Jung, Ihre Mehrheiten zu teuer erkauft”, sagte Pellmann in Richtung des Stadtoberhaupts.
“Strukturveränderungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie zum Ziel haben, die Häuser in die Lage zu setzen, sich selbst, ausgehend von ihrem jeweiligen künstlerischen Konzept, strukturell zu reformieren”, führte Pellmann als das entscheidende Bewertungskriterium an. Man solle auch damit aufhören, “den Bürgern zu suggerieren, Zuschüsse in Kultur wären Investitionen, die finanzielle Rendite erwirtschaften”, forderte der Fraktionsvorsitzende der Linken. “Kulturelle und soziale Rendite ist nicht marktfähig”, so Pellmann.
Stichwort Stadtratsbeschluss vom 18. Juli 2012. Dieser enthält den Auftrag zu prüfen, “in welchem Umfang ab der Spielzeit 2014/15 der Spielbetrieb der Musikalischen Komödie in das Opernhaus überführt werden kann.” Oberbürgermeister Burkhard Jung hat diese Prüfung für sich schon beendet. Das Haus Dreilinden bleibt Spielstätte des Ensembles, erklärte er bei der Gala zum 100-jährigen Jubiläum des Hauses am 10. November 2012.
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