Der Leipziger OBM-Wahlkampf kommt so langsam ins Rollen. Am Montag, 12. November, hatte die Regionalgruppe Leipzig des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) ins Werk 2 zur Podiumsdiskussion mit den aufgestellten Kandidaten eingeladen. Zwei Kandidaten freilich bekamen den Termin nicht mehr in ihrem Kalender unter.
Amtsinhaber Burkhard Jung (SPD) nahm zur gleichen Zeit an der Verleihung der Lutherrose teil und Horst Wawrzynski, der für die CDU antritt, hatte augenscheinlich einen Termin in einer CDU-Ortsgruppe gebucht. Da auch der Termin im Werk 2 lange Zeit unsicher war, gab’s nun einen Podiumsauftakt mit einer Kandidatin (Barbara Höll, Die Linke), drei Kandidaten (Felix Ekardt, Grüne, René Hobusch, FDP, Dirk Feiertag, unabhängig) und zwei Vertretern, die die Position ihrer jeweiligen Kandidaten darstellten – was Sabine Heymann für die CDU und Holger Mann für die SPD recht überzeugend taten.
Auch wenn zu Beginn der Veranstaltung kurzzeitig der Dissens im Raum stand – dürfen auch Stellvertreter in dieser Runde dabei sein oder nicht? – Dirk Feiertag, unabhängiger Kandidat, brachte die Sache zur Sprache. Die Gäste des Abends – über 200 Leipziger hatten den Weg ins abendliche Werk 2 gefunden – durften per Akklamation abstimmen. Den größeren Beifall gab es fürs Bleiben der beiden Stellvertreter. Was auch nicht zum Problem wurde. Denn die Veranstaltung des BUND war vorbereitet. Alle Kandidaten hatten die mehr als zehn Fragen des Vereins zu Umweltschutz und Umweltpolitik in Leipzig vorab zugesandt bekommen. Die Antworten wird man ab Donnerstag, 14. November, auf der Website des BUND Leipzig nachlesen können. Auch die Antworten von Horst Wawrzynski und Burkhard Jung.
Es war auch keine Podiumsdiskussion, wie man sie in den nächsten Wochen mehrfach wird erleben können, wo es auch wirklich um persönliche Überzeugungskraft und Argumentation in heißen Debatten geht. Die Fragen waren vorgegeben. Fünf Fragen des BUND wurden ausgelost, auch die Saalgäste durften vorab Fragen abgeben. Am Ende wurden neun Fragen von allen Podiumsteilnehmern beantwortet. So weit das innerhalb von 2 Minuten machbar war.
Das mache man mal. Kurzfassen ist eine Kunst. Und mancher wurde natürlich nicht fertig. Der Gong erwischte ihn mitten im Argument.
Die meisten Fragen aus dem Publikum gingen zwar am Thema vorbei, denn der BUND wollte ja in eigener Sache vorfühlen. Was schon eine Menge ist, auch wenn man das Thema auf “Natur- und Umweltschutz” eingrenzt. Wer das Wörtchen “nachhaltig” gezählt hatte an diesem Abend, hätte ein paar Dutzend Striche machen können. Denn mittlerweile ist es eben doch mehr als nur eine politische Floskel: Es ist in den letzten Jahren politisch in vielen Bereichen Konsens geworden, dass man Politik nicht mehr in Schubladen denken kann und dass die Sorge um den Erhalt unserer Welt und die Zukunft für nachfolgende Generationen Priorität haben muss im täglichen politischen Handeln. Und wer beginnt, den Schutz der Umwelt in Zusammenhängen zu denken, der kommt schnell zum Verkehr, zur Bildung, zur sozialen Teilhabe.
Oder – wie es dann die Fragen aus dem Publikum zeigten – zum Parkplatzproblem in Leipzig, zum Wahlalter ab 16, zur Unterbringung von Asylsuchenden oder zur Verbesserung der Bedingungen für Bürgerentscheide. Was sofort Worte wie Transparenz und Teilhabe nach sich zieht, Menschenwürde und Integration.
Und das Erstaunliche ist: Das alles ist nicht mehr erstaunlich. Noch vor wenigen Jahren hätte ein Kandidat, der so argumentiert hätte, sehr einsam auf der Bühne gesessen und hätte sich von etablierten Parteien und Kandidaten eine Menge über Sachzwänge, Handlungsspielräume, Rahmenbedingungen und Mehrheiten anhören müssen. Die Worte fielen auch. Ist ja nicht so, dass die Welt gleich besser geworden wäre, bloß weil viele selbstverständliche Dinge mittlerweile auch in die Wahrnehmung der institutionalisierten Politik gerückt sind.Deswegen knisterte ein anderer Streit, zuweilen auch scharf argumentiert: der um Verantwortung. Denn “ich als OBM” kann mir natürlich gewaltig viel vornehmen und den Wählern alles Mögliche versprechen – doch die Verbindlichkeiten Leipzigs betragen “wenn man alles zusammenrechnet so um die 3 Milliarden Euro”, wie es FDP-Kandidat René Hobusch ausdrückte. Und diese Verbindlichkeiten haben Ursachen – in einer fehlenden wirtschaftlichen Basis, verbunden mit viel zu geringer Steuerkraft, jahrzehntelangem Investitionsstau und Förderbedingungen, die eben nicht in Leipzig gemacht werden, sondern auf der Ebene von Land, Bund und EU. In dieser Reihenfolge.
Das geht bis hin zur Vorgabe “Umweltzone ja oder nein?”. Eine der Fragen des BUND. Eine Frage, bei der man sich schon heillos verheddern kann. Wer hat sie eigentlich gewollt? – Dass es der Leipziger OBM nicht war, dürfte sich eigentlich herumgesprochen haben. Nicht ohne Grund verwies die Mehrzahl der Sprecher auf die anderen 48 Maßnahmen, die Leipzig 2009 im Luftreinhalteplan festgeschrieben hatte. Das Problem ist nicht so sehr, dass die Umweltzone auf Druck aus dem Dresdner Umweltministerium hin in Leipzig eingeführt wurde. Das Problem ist eher, dass für die restlichen 48 Maßnahmen kaum Geld zur Verfügung steht. Exemplarisch durchexerziert mit dem gerade von Sabine Heymann forcierten Vorstoß, auch endlich einmal genug Geld für Baumneupflanzungen in den Haushalt einzustellen.
Der Widerspruch tauchte immer wieder auf: Leipzig hat eine Menge guter und kluger Pläne und Programme – doch sie bleiben Makulatur, wenn sie nicht jedes Jahr im Haushalt mit entsprechenden Finanzposten untersetzt werden. Das betrifft selbst die Arbeitsweisen in der Stadtverwaltung, wenn es um eine nachhaltige Stadtpolitik geht. Mit dem integrierten Stadtentwicklungskonzept (SEKO) hat Leipzig zwar so ein ressortübergreifendes Arbeitsinstrument, stellt Holger Mann fest, der in der Runde mehrfach darauf verwies, dass die Amtszeit von Burkhard Jung tatsächlich einige wichtige Weichenstellungen gebracht hat.
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Fast wäre auch das Thema Kita-Plätze noch richtig hoch gekocht – eines der zentralen Themen von Dirk Feiertag, der sich hier seit zwei Jahren intensiv eingebracht hat. Immerhin hat sich die Magnetwirkung Leipzigs für junge Familien in den vergangenen sieben Jahren noch weiter verstärkt. Nur hat die Zuwanderung und die deutlich steigende Geburtenzahl die finanzielle Kraft der Stadt mittlerweile völlig überfordert. Die Investitionen in Kitas und Schulen kamen viel zu spät in Gang, lange ausgebremst durch Haushalte, die noch viel knapper bemessen waren als die von 2012 und 2013, und selbst jetzt noch steht der Haushalt unter strenger Kontrolle des Landes und seiner Landesdirektion. Hätte man also auch über nachhaltige Finanzpolitik debattieren können.
Alles liegt dicht beieinander. Umwelt – auch das ist ein positives Signal – wird auch von Vertretern klassischer Parteien nicht mehr als idyllische, separate Spielwiese begriffen, sondern als elementares Richtmaß für Politik.
Trotzdem hängt’s und lärmt es in der Luft und auf der Straße. Fluglärm war – die Lostrommel wollte es so – sogar die Frage Nr. 1. Dazu mehr im zweiten Teil auf L-IZ.de
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