Sie standen auf der Straße, protestierten, die CDU nahm ihre Ängste sehr ernst, mehr Dialog seitens der Stadt wurde gefordert. Eine erregte Zeit für die oft älteren Bürger, man engagierte sich, fand Zeit in Meldungen und gegenüber dem angereisten MDR-Team seinen Standpunkt öffentlich zu formulieren. Man war sich einig in diesen Tagen in Wahren. Eine Unterbringung von bis zu 70 Asylbewerbern wollte man nicht. Ein Idyll sollte geschützt werden.
Ein Hauch von Heimatverteidigung umweht bis heute auch die Selbstdarstellung, welche die Bürgerinitiative (BI) im Namen der Wahrener postuliert: “Das tausendjährige Wahren besitzt noch heute einen malerischen alten Ortskern mit dörflichen Siedlungsstrukturen. Die Bürgerinitiative Wahren setzt sich für den Erhalt Wahrens und umliegender Ortsteile als historisch gewachsenes Wohngebiet mit homogener sozio-kultureller Bevölkerungsstruktur ein.” heißt es seitens der BI.
Klingt ein wenig nach tausend Jahren ohne Zuwanderung, hunderte von Stammbäumen in blätternden Farben an Wände gemalt und ein wenig nach der Außenwelt, die bitte draußen bleiben soll. Bleibt sie nun wohl nicht, erst kamen die Pläne der Stadt Leipzig in der Pittlerstraße eine Asylunterkunft einrichten zu wollen und nun die NPD, welche sich mit einer Demonstration gegen Überfremdung und Asylmissbrauch angekündigt. Und die Wahrener Bürgerinitiative sieht sich missbraucht. Erst Opfer der schlechten Kommunikation der Stadt Leipzig zum Thema Unterbringung von Asylsuchenden, nun auch Opfer der Vereinnahmung durch die NPD.
Und so schrieb heute die Bürgerinitiative Wahren an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig Burkhard Jung: ” …mit großer Sorge haben wir der Presse entnommen, dass die NPD Kundgebungen in Leipzig gegen Asylmissbrauch abhalten will, u. a. in der Pittlerstraße in Leipzig Wahren. Gleichzeitig kündigen Leipziger linksextreme Kräfte Gegendemonstrationen an, da die Nazis denken, mit ihren Aktionen an Ressentiments gegen Flüchtlinge und Muslime anknüpfen zu können.”
Mit der NPD werden die Wahrener wohl Recht behalten. Diese hat eine Demonstration angekündigt. Doch von Seiten der “linksextremen Kräfte”, welche im offenen Brief der BI eher nebulös benannt werden, scheint es diesmal so etwas wie ein “dass hättet Ihr wohl gern” zu geben. Denn wen auch immer die BI damit meint – sie scheinen die Wahrener und die NPD an dieser Station allein zu lassen.
Die Route der Demonstration “Rassimus tötet!” führt nicht nach Wahren und heute teilte das zivile Bündnis “Leipzig nimmt Platz” mit: “Da die Wahrener BürgerInneninitiative scheinbar kein Interesse an einem gemeinsamen und solidarischen Vorgehen gegen die rassistische Aktion der Nazis hat, sehen wir zunächst davon ab am 1.11. in Wahren Protest zu organisieren.”
Weiter teilt das Bündnis mit: “In einer Beratung am Dienstagabend vereinbarte das Aktionsnetzwerk sich am 1.11. auf den Protest gegen die geplante NPD-Kundgebung vor dem Moschee-Verein in der Roscherstraße, die für 17 bis 19 Uhr angemeldet ist, zu konzentrieren. Im Laufe des heutigen Tages werden durch das Aktionsnetzwerk zwei Kundgebungen im Umkreis der Roscherstraße angemeldet. Die genauen Anlaufpunkte und Zeiten werden nach Abstimmung mit dem Ordnungsamt bekannt gegeben.”
Unterdessen sucht die Bürgerinitiative den Dialog mit der Stadt Leipzig, während diese nach dem Stadtratsbeschluss vom 18.07.12 die Pläne auch zur Unterbringung von Asylsuchenden in Wahren derzeit immer noch überarbeitet. Während dessen formulieren die Wahrener an OB Jung: “Rechtsextreme vereinnahmen die Bedenken der Anwohner für ihre Zwecke. Leipzig bekommt in Wahren einen neuen sozialen Brennpunkt mit offener Konfrontation von Rechts- und Linksextremen. Das eher bürgerlich geprägte Wahren wird eine zweifelhafte Aufwertung erfahren, bundesweit.”
Dem könnten die Wahrener leicht entgehen, wenn sich sie sich bei der aufmarschierenden NPD zu bürgerlichem Protest in ähnlicher Geschlossenheit und Menge zusammenfänden. Wie neulich, als es um die Asylsuchenden ging.
Zum Aufruf des Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz”
www.leipzig-nimmt-platz.de
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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
mit großer Sorge haben wir der Presse entnommen, dass die NPD Kundgebungen in Leipzig gegen Asylmissbrauch abhalten will, u. a. in der Pittlerstraße in Leipzig-Wahren. Gleichzeitig kündigen Leipziger linksextreme Kräfte Gegendemonstrationen an, da die Nazis denken, mit ihren Aktionen an Ressentiments gegen Flüchtlinge und Muslime anknüpfen zu können.
Dazu sei zum wiederholten Male festzustellen: Es gibt in Wahren keine “rassistische Mobilisierung des Leipziger Nordens” (Originalzitat Juliane Nagel, LINKE Stadträtin). Es gibt allerdings in Wahren eine engagierte Bürgerschaft, die der Meinung ist, dass die von der Stadtverwaltung 10 Jahre lang geduldeten Missstände bei der Unterbringung von Asylbewerbern in der Torgauer Straße schleunigst geändert werden müssen. Dies allerdings nicht im Handstreich und schon gar nicht über die Köpfe der Bürger hinweg.
Ja, es ist richtig, die Wahrener (- und Portitzer) Bürger sind der Meinung, eine historisch gewachsene Eigenheimsiedlung mit dörflichem Charakter ist kein idealer Standort für eine wie groß auch immer angedachte Massenunterkunft von Asylbewerbern.
Weder für die Asylbewerber noch für die dort ansässigen Leipziger Bürger ist dies eine glückliche Lösung. Diese Meinung wurde auch öffentlich von einer maßgeblichen Vertreterin des Leipziger Flüchtlingsrates geäußert. Einer Persönlichkeit also, die nun wahrlich frei des Verdachts steht, rassistisches Gedankengut zu verbreiten. Auch die Stadtbezirksbeiräte Nordost und Nordwest votierten gegen diese Standorte. Leider wurde diese demokratische Abstimmung vollkommen ignoriert.
Die Wahrener Bürgerinitiative hatte Sie und Ihre Vertreter zu einem Runden Tisch eingeladen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Leider wurde auch dieses Dialogangebot abgelehnt.
Das Ergebnis sehen wir jetzt. Rechtsextreme vereinnahmen die Bedenken der Anwohner für ihre Zwecke. Leipzig bekommt in Wahren einen neuen sozialen Brennpunkt mit offener Konfrontation von Rechts- und Linksextremen. Das eher bürgerlich geprägte Wahren wird eine zweifelhafte Aufwertung erfahren, bundesweit. Das wollen wir nicht! Wir glauben fest an bürgerliche Werte, bürgerliches Engagement sowie Rechtsstaatlichkeit und stehen damit fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes.
Wir wiederholen unser Angebot eines Runden Tisches zum echten Dialog. Bilden wir in dieser gewiss nicht einfachen Frage eine Koalition Leipziger engagierter Bürger, die gemeinsam mit der Stadtverwaltung nach Alternativen sucht, diese aufzeigt und verwirklicht – ohne Schaffung neuer sozialer Spannungen, im Interesse der Leipziger Bürger und Asylbewerber. Bilden Sie mit uns über die Parteigrenzen hinweg eine Koalition von Demokraten, und lassen Sie nicht die Asylbewerber zum Spielball rechts- und linksextremer Kräfte werden.
Gemeinsam müssen wir jetzt handeln.
In Verantwortung für unser Leipzig
Thomas Hoffmann – Ortsverbandsvorsitzender Nordwest
(CDU)
Jörg Kühne – Stadtbezirksbeirat
Leipzig – Mitte (CDU)
Uwe Rothkegel – Stadtrat Leipzig (CDU)
Matthias Zimmermann – Bürgerinitiative Leipzig – Wahren
(parteilos)
Hans – Georg Uhlmann – Bürgerinitiative Leipzig – Wahren,
Initiator “Runder Tisch” zur Leipziger Asyldebatte (parteilos)
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