Kaum hatten die mutmaßlichen Betreiber des Leipziger Neonazi-Zentrums seine Schließung bekanntgegeben, dementiert die NPD. "Ich kann Ihnen versichern, daß die Leipziger NPD das Bürgerzentrum, in das viel Geld und Idealismus investiert wurde, weiterhin voll nutzen wird, um im roten Leipzig einen Freiraum für nationaldenkende und heimattreue Bürger zu erhalten", verkündete NPD-Sprecher Jürgen Gansel gegenüber L-IZ.de.
In einer Webcommunity war am Sonntag ein Beitrag aufgetaucht, in welchem die Betreiber “einige Veränderungen” ankündigten. So sollen Konzerte, Vorträge und Kneipenabende der Vergangenheit angehören. In den vergangenen Monaten war der Treffpunkt vornehmlich von der Leipziger Parteibasis genutzt worden. Die Leipziger NPD-Stadträte Klaus Ufer und Rudi Gerhardt teilten zu Jahresbeginn mit, in dem Flachbau ihr “Stadtverordnetenbüro” eröffnet zu haben. Regelmäßige Öffnungszeiten waren indes Fehlanzeige. Wer mit den Kommunalpolitikern sprechen wollte, hatte sich vorab per Brief oder unter einer gebührenpflichtigen Nummer anzumelden. Gerhardt hat der Partei mittlerweile den Rücken zugekehrt.
“Es ist schon außerordentlich unseriös, die Facebook-Bemerkung eines Anonymus zum Anlaß für wilde Spekulationen zu nehmen”, meint Gansel. “Wir haben nicht einmal eine Ahnung, wer der Facebook-Schreiberling ist, der von einem Veranstaltungs-Aus in der Odermannstraße unkt.” Dies darf zumindest angezweifelt werden. Auf der Seite tauchte im Zusammenhang mit Veranstaltungen wiederholt eine Handynummer auf. Der Kontakt gehört nach Informationen von L-IZ.de einem Mitarbeiter der Landtagsfraktion. Auch die Kommentare unter der fraglichen Ankündigung gelten als authentisch. Die Verfasserin Claudia G. verkehrte nicht nur in dem Treffpunkt. Als das Bauordnungsamt im Dezember 2011 eine Ortsbegehung durchführte, nahm sie die Mitarbeiter in Empfang.
Gansels Reaktion klingt beinahe nach einem Versuch, den nächsten Rückschlag zu vermeiden. Die Bedeutung der NPD innerhalb der rechten Szene ist seit Übernahme des Bundesvorsitzes durch Holger Apfel teils massiv zurückgegangen. Parteilose Neonazis stören sich an seinem Weichspül-Kurs, den er medial als “seriöse Radikalität” zu verkaufen sucht. Laut Gansel möchte die Partei in der Odermannstraße 8 weiterhin “einen Freiraum für nationaldenkende und heimattreue Bürger” anbieten. Stellt sich bloß die Frage, welchen Personenkreis sie mit dem Szene-Treff überhaupt erreichen möchte? Und wer ihn künftig betreiben soll?
Zuletzt geriet die Anlaufstelle vor allem im Zusammenhang mit Straftaten in die Medien. Womöglich warfen deshalb die bisherigen Betreiber, allesamt aus der subkulturell geprägten Szene stammend, die Flinte ins Korn. Sie sprechen in ihrem Statement verklausuliert von “vielen Vorfällen”, die die Entscheidung herbei geführt hätten. Zumindest der braune Freizeittreff scheint also vorerst Geschichte zu sein.
Aus für das Leipziger NPD-Zentrum in der Odermannstraße?
Das Leipziger NPD-Zentrum ist offenbar …
Gansels Mitteilung könnte also reinen Propagandazwecken dienen. Zumindest bei der Online-Ausgabe der “Leipziger Volkszeitung” ging die Rechnung vollends auf. Das Medium stempelte den Rückzug der Neonazis voreilig als “Ente” ab – ohne die Äußerungen des NPD-Mannes kritisch zu beäugen oder gar in einen Gesamtkontext einzuordnen.
Wie die Zukunft der Odermannstraße 8 ausschaut, bleibt dennoch ungewiss. Der Eigentümer ist mit dem verstorbenen NPD-Abgeordneten Winfried Petzold verwandt und war über dessen Tod im Dezember 2011 hinaus bereit, an die Partei zu vermieten. Straftaten und medialer Druck hin oder her. Ein Neustart des Projekts “Nationales Zentrum” ist unter diesen Voraussetzungen jederzeit denkbar. Als gesichert gilt zudem, dass die Partei das Gebäude weiterhin für interne Zusammenkünfte nutzt. Am Montag soll dort der Landesvorstand getagt haben. Vermutlich wird es im Umfeld des Treffs künftig gesitteter zugehen. Das NPD-Zentrum mit braunem Freizeitangebot scheint über Nacht zu einem schnöden Parteibüro umfunktioniert worden zu sein. Dass sich dort keine Rechten mehr zum Trinkgelage einfinden, könnte eine entschärfte Sicherheitslage für Passanten und Anwohner bedeuten. Das Rechtsaußenproblem ist in Lindenau dennoch weiter präsent.
Nicht zuletzt deswegen möchten NPD-Gegner weiterhin gegen das Zentrum protestieren. Das nächste Mal am 27. Oktober. Die Kampagne “Rassismus tötet” plant eine Demo vom Südplatz zur Odermannstraße. “Spätestens mit der Debatte um die Errichtung von neuen Unterkünften für Asylsuchende in Wohngebieten dürfte klar geworden sein, dass Leipzig nicht so weltoffen ist, wie gemeinhin behauptet wird”, meint Anmelderin Juliane Nagel. “Auch in dieser Stadt ziehen sich rassistische Denkweisen durch die Stadtgesellschaft. Das wollen wir mit der Demonstration thematisieren.”
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