Dass er sich des Problems bewusst war, machte OBM Burkhard Jung (SPD) schon bei der Vorstellung des Lichtfest-Programms am 9. Juli deutlich. Er habe mit dem Botschafter über die Vorgänge in Ungarn gesprochen und sei auch recht deutlich geworden. Trotzdem steht nun der ungarische Minister Zoltan Balog im Programm des Leipziger Lichtfestes am 9. Oktober, mit dem die wichtige Rolle Ungarns bei der Öffnung der Grenzen 1989 gewürdigt wird. Der Protest mehrt sich.
Am 31. August hatte die Gruppe Gedenkmarsch Leipzig sich deutlich gegen die (Selbst-)Einladung des ungarischen Ministers ausgesprochen. Nun reden auch zwei Leipziger Bundestagsabgeordnete Oberbürgermeister Burkhard Jung ins Gewissen, es eben nicht bei schönen Worten hinter den Kulissen zu belassen. Denn was bedeutet es, wenn neben dem Oberbürgermeister Leipzigs auch Zoltan Balog, Repräsentant der Regierung Ungarns, dort ein Grußwort hält?
“Vor dem Hintergrund der Ereignisse im Herbst `89 und des mutigen Eintretens für die freiheitlich-demokratischen Grundrechte damals, ist diese Auswahl ein Hohn. In Ungarn existiert eine Regierung, die zwar im demokratischen Rahmen agiert, aber von ihrem Selbstverständnis her sich wie die Führungsoligarchie einer Einparteienherrschaft generiert”, kritisiert Monika Lazar, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90 / Die Grünen, den Vorgang. “Seit dem Regierungsantritt der Fidesz wurde eine Vielzahl institutioneller Machtbeschränkungen geschleift, wie etwa die Kompetenzen des Verfassungsgerichts. Die Meinungsfreiheit wurde deutlich eingeschränkt und in die Unabhängigkeit des Kulturbetriebes eingegriffen, was die Entlassung von über 900 Journalisten belegt.”
Hinzu käme ein gefährlicher Rechtsruck im Land. Lazar: “Am Budapester Theater wurde ein Rechtsradikaler zum Intendanten und ein Antisemit zum Direktor ernannt. Die demokratischen Institutionen werden ausgehöhlt. Schutz für Minderheiten, wie etwa die Sinti und Roma gibt es in Ungarn nicht. Übergriffe werden vom Staat geduldet, die paramilitärische und faschistische ‘Magyar Garda’ ist zwar seit 2009 verboten, agiert aber dennoch unter anderen Namen weiter, mit Billigung der Regierung.”
Demokratie sei ein lebendiges, das heißt ein alltäglich gelebtes und immer wieder neu zu justierendes System von checks and balances, erklärt die Abgeordnete. “Ein System, in dem durch Diskurs und Einfluss aller auf die Entscheidungen am Ende ein Ausgleich bzw. eine politische Mehrheit gesucht wird. Was in Ungarn stattdessen passiert, ist, dass all diese Verfahren entweder umgangen oder nur noch formal praktiziert werden und eine Partei sich den Staat und seine Institutionen zur Beute macht.”
Aufgrund der immer weitergehenden Einschränkungen in Ungarn war auch ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig, welches die Europäische Kommission eröffnet hat.
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“Mit der Einladung an einen hochrangigen Vertreter der Regierung Orban wird dieser die Gelegenheit gegeben, sich im Rahmen eines Ereignisses, das ein Wahrzeichen der Demokratie ist, zu präsentieren”, stellt Lazar fest. “Dies ist ein Unding. Es reicht nicht aus, dass der Oberbürgermeister gegenüber dem Botschafter sein Unbehagen über die derzeitige Entwicklung ausdrückt. An dieser Stelle muss der Repräsentant eines Staates, der auf direktem Weg dazu ist, die Demokratie zu schädigen, ausgeschlossen werden. Sollte Zoltan Balog tatsächlich auf dem Lichterfest sprechen, wird dieses Ereignis, das gerade für Leipzig so bedeutsam ist, zur Farce.”
Und sie fügt hinzu: “Mit meiner Anwesenheit wird dann nicht zu rechnen sein.”
Und Dr. Barbara Höll, Bundestagsabgeordnete der Linken, zur Einladung des ungarischen Ministers Zoltán Balog: “Die Bedeutung Ungarns für den Systemumbruch 1989 im Osten Deutschlands gilt es zweifelsohne zu würdigen. Das Lichtfest darf jedoch nicht zum Podium für Repräsentanten neuerlicher Unterdrückung, Zensur und Demokratiefeindlichkeit werden. Die Stadt würde ein solidarisches Signal auch in Richtung der Bevölkerung Ungarns senden, würde sie einen Vertreter der demokratischen Opposition und Bürgerrechtler von damals einladen, die tatsächlich bereit sind, etwas für die Demokratie zu riskieren. Das Vermächtnis der Geschichte, so auch des Umbruchs von 1989, erweist sich immer erst in der Aufrichtigkeit der Gegenwart.”
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