Vielleicht hat die CDU-Fraktion ja recht. Vor der Sommerpause noch stellte sie ihren Antrag zur "Modernisierung der rechtlichen Grundlagen zur Werbung in Leipzigs Innenstadt". Wer auf der Website der Stadt Leipzig sucht, findet keine Werbesatzung. Was er findet, sind lauter Gestaltungssatzungen. Auch eine zur City. Sie stammt, wie die CDU-Fraktion richtig feststellt, aus dem Jahr 1991.
Doch geht es der CDU-Fraktion um eine moderne Werbesatzung für Leipzig? – Der Aufhänger, der die Fraktion am 16. Juli dazu gebracht hat, ihren Antrag ins Verfahren zu geben, spricht jedenfalls dagegen. Denn der Beschlussvorschlag enthält zwei Punkte, die scheinbar wie siamesische Zwillinge aneinander kleben:
1. Die ganzjährige Nutzung der geplanten Screen-Werbeanlage “Höfe am Brühl”/Am Hallischen Tor wird zugelassen.
2. Die Verwaltung erarbeitet eine Werbesatzung für die Leipziger Innenstadt. Diese ersetzt die §§ 10 und 11 der seit 1991 geltenden Gestaltungssatzung für die Innenstadt.
Die Reihenfolge spricht für sich. Tatsächlich kämpft man hier für eine ganz bestimmte Werbeanlage, von der in den Wettbewerbsentscheidungen rund um die “Höfe am Brühl” nie die Rede war. Mitten im Prozess aber tauchte sie auf: Eine überdimensionale Bildschirmwerbeanlage am Hallischen Tor. Und das Verblüffende: Die Verwaltung hat der Leuchtwerbung augenscheinlich sogar zugestimmt, obwohl Werbung in dieser Dimension nach der seit 1991 geltenden Satzung in der City nicht gestattet ist.
Man hat sich wieder auf Verhandlungen mit der mfi eingelassen und die beabsichtigte Werbefläche auf 48 Quadratmeter reduziert. Gleichzeitig reduziert hat man die Nutzung dieser Riesenwerbung – auf zwölf Wochen pro Jahr. Ist zwar wirtschaftlicher Unfug, da wäre ein klares “Nein” der Stadtverwaltung ehrlicher gewesen. Aber wo findet man im Kampf um den öffentlichen Raum in Leipzig noch eine klare Sprache der Stadtverwaltung?
Das Herumdrucksen hat System. Aber wäre mfi allein auf die Idee gekommen, nun auch noch am Hallischen Tor Bilderwerbung zu installieren, dann wäre die Sache wohl schon geklärt. mfi aber hat einen stillen, zähen und druckvollen Partner. Früh schon ins Boot geholt. Die LVZ.
Die will die Anlage künftig auch betreiben, was natürlich heißt: Man will hier nicht nur die Läden und Sonderaktionen in den “Höfen am Brühl” bewerben, sondern die LVZ will hier auch ihre eigenen Meldungen platzieren und so im öffentlichen Raum um die Aufmerksamkeit buhlen, die ihr fürs gedruckte Produkt so nach und nach abhanden kommt.”Es ist von öffentlichem Belang, wenn durch die Betreibung einer solchen Anlage die Möglichkeit eingeräumt wird, umfänglich für die Attraktionen der Stadt Leipzig aktuell zu werben”, erläutert die CDU-Fraktion ihren Vorstoß für die LVZ-Reklame. “Die Abweichung ist städtebaulich vertretbar, da sonst in den 40 Wochen, in denen die Screen-Werbeanlage nicht genutzt werden darf, eine ungestaltete Fläche das Erscheinungsbild der Fassade schmälern würde. Darüber hinaus müsste mfi sonst zu einer finanziell günstigeren Variante der Werbung, wie Banner o.ä. greifen, die den Charakter des Temporären hat und ebenfalls das Erscheinungsbild der Fassade deutlich schmälern würde.”
Der normale, sowieso schon mit Flickern und Flackern überschwemmte Passant würde sich wahrscheinlich freuen, wenn mfi konsequent von Anfang an auf zurückhaltendere Werbung setzen würde. Wobei an dieser Stelle wohl eher nicht der Fußgänger als Zielpublikum gemeint ist, sondern der Autofahrer und der Fahrgast in der Straßenbahn. Aber warum ihm nicht auch noch von außen was überhelfen?
Fast vergisst man, dass es um öffentlichen Raum geht und eines jener Probleme, die heutige Großstädte vermüllen. In diesem Fall Werbung, die den Bürger verfolgt, wo immer er sich aufhält.
“Die Errichtung und Betreibung einer solchen Anlage macht die ganzjährige Nutzung auch aus wirtschaftlichen Gründen absolut erforderlich”, schreibt die CDU, als müsse sie sich um die Finanzen der mfi oder gar der LVZ ganz im Besonderen kümmern. “Sollte die Befreiung vom B-Plan objektiv nicht möglich sein, dann ist umgehend die entsprechende Änderung des B-Planes einzuleiten, so dass dieser seine Wirkung spätestens nach Ablauf der ersten 12 Wochen der Nutzung der Screen-Werbeanlage entfaltet.”
Eine Abweichung vom B-Plan wäre nach § 31 Abs. 2 BauGB möglich, wenn “1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Abweichung erfordern oder 2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 3. die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist”, erläutert die Fraktion in ihrem Antrag.
Den Hinkefuß kennt die Fraktion selbst, sonst würde sie jetzt nicht auf die Erarbeitung einer neuen Werbesatzung drängen. Zitat: “Die Verwaltung sieht bei dem unter 1. beschriebenen Vorgehen folgende Gefahr: Es entstünde im städtebaurechtlichen Sinne eine Vorbildwirkung, die bei vergleichbaren Anträgen insbesondere im Ringbereich dazu führen würde, dass auch diese nicht versagt werden könnten. Es ist sicher auch nicht im Sinne der Leipzigerinnen und Leipziger sowie ihrer Gäste, dass an beliebiger Stelle ähnliche Anlagen errichtet werden.”Das sieht die Verwaltung dann wohl richtig. Es erstaunt nur, dass sie trotzdem immer wieder Sondergenehmigungen erteilt.
Für die CDU hat die Aussage freilich nicht die Konsequenz, die großen Werbeteile in der City endgültig zu untersagen. Sie sieht es genau andersherum: “Aus diesem Grunde ist ergänzend zur Gestaltungssatzung, Örtliche Bauvorschrift für das Leipziger Stadtzentrum (historische Altstadt), Beschluss Nr. 381/91 in der Ratsversammlung vom 18.12.1991 (veröffentlicht im Leipziger Amts-Blatt Nr. 1 vom 11.01.1993) eine den aktuellen Erfordernissen dienende Werbesatzung zu erlassen. Auf diese Weise wird eine verlässliche und grundsätzliche Klärung für Investoren und Bürger herbeigeführt.”
Die Klarheit besteht eigentlich. Alles, was größer als 8 Quadratmeter ist, ist eigentlich untersagt. Doch mit ihren schwammigen Verhandlungen mit Antragstellern öffnet die Verwaltung immer wieder Raum für Begehrlichkeiten.
Für die CDU-Fraktion würde damit eine bereits zwölf Jahre alte Beschlusslage des Rates umgesetzt: Auch der Ratsbeschluss RB 283/00 vom 17. Mai 2000 geht auf einen Antrag der CDU (A 37/00) zurück. Danach sollte der OBM bis Oktober 2000 einen mit den zuständigen Kammern (IHK, Handwerkskammer, Architektenkammer) abgestimmten Entwurf einer Werbesatzung für das Stadtzentrum vorlegen.
“Intention dessen war schon damals: die Gestaltungssatzung Innenstadt von 1991 ist in den §§ 10 und 11 zu Werbung veraltet (u.a. wegen inzwischen novellierter SächsBO). Diese §§ sind herauslösen und in einer Werbesatzung neu fassen”, so die CDU-Fraktion.
Neue Leipziger Studie: Wie emotionale Bilder sich ins Gehirn drängen
Man kann ihnen nicht entkommen …
Es wäre freilich keineswegs modern, nur die drei Kammern mit ins Boot zu holen bei der Erarbeitung einer modernen Werbesatzung für die Leipziger Innenstadt. Dazu ist Leipzig längst zu sehr mit Werbung in allen möglichen Größen und Aufdringlichkeiten zugepflastert. Tatsächlich ist es an der Zeit, den öffentlichen Raum auch wieder von der Allgegenwart überflüssiger Bilder und Botschaften, zu denen Werbeclips gehören, zu befreien.
Die Gestaltungssatzung für die Leipziger Innenstadt: www.leipzig.de/de/buerger/satzungen/6_06_1.pdf
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