Dem Beschluss folgte die Unterschrift: Am Montag, 2. Juli, unterzeichnete Oberbürgermeister Burkhard Jung die Europäische Charta für Gleichstellung von Mann und Frau. Leipzig tritt damit als eine der ersten deutschen Großstädte der Europäischen Charta für Gleichstellung von Mann und Frau bei. "Sie sehen, wir leben das schon", sagte er am Montag.

Denn ganz auf unfruchtbaren Boden fiel ja der Beschluss des Stadtrates vom 29. Februar nicht. Das Thema Gleichstellung wird in Leipzig seit Jahren diskutiert. Genka Lapön als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt weiß es am Besten. Es gibt Leute, die das Thema vorantreiben in Stadt und Stadtverwaltung – und es gibt Leute, die bleiben auch im 21. Jahrhundert lieber im alten Trott.

Dass knapp 70 Prozent der Angestellten in der Stadtverwaltung weiblichen Geschlechts sind, hat damit eher weniger zu tun. Das sind traditionell eher von Frauen bevorzugte Arbeitsfelder. Spannend sind die Leitungsfunktionen. “Und da sind wir in den letzten Jahren schon ein ganzes Stück vorangekommen”, sagte Burkhard Jung am Montag.”Mittlerweile sind 40 Prozent der Amtsleiterpositionen mit Frauen besetzt. Vor wenigen Jahren waren das noch 30 Prozent. Aber auf Dezernentenebene wird es schon kompliziert. Sie wissen ja – in der Dezernentenrunde bin ich von lauter Männern umgeben.”

Gehört haben es vier Stadträtinnen, ein Fraktionsgeschäftsführer und gut zwei Dutzend Frauen und ein paar Männer aus dem Beirat für Gleichstellung, der am gleichen Nachmittag zwei Zimmer weiter tagte. Genka Lapön wird in den nächsten zwei Jahren den Hut dafür aufhaben, den Gleichstellungs-Aktionsplan für die Stadt Leipzig zu entwickeln. Denn dazu hat sich Leipzig mit der Unterschrift des OBM jetzt verpflichtet.
Der Gleichstellungs-Aktionsplan, den Genka Lapön mit Partnern aus der Verwaltung und aus dem öffentlichen Leben erarbeitet, soll konkrete Maßnahmen und Kriterien festlegen, die es erlauben, die Entwicklung Leipzigs zu einer geschlechtergerechten Kommune zu bewerten.

Die Linksfraktion war es, die den Antrag ins Verfahren gebracht hatte. Auch mit der Forderung, die zu leistende Arbeit mit entsprechenden Stellen im Referat Gleichstellung zu untersetzen. Das ist im Februar so noch nicht gelungen. Aber die Botschaft ist bei Burkhard Jung durchaus angekommen. “Wir werden das im Haushalt entsprechend untersetzen müssen”, sagte er, wandte sich dabei auch gleich wieder an die vier Stadträtinnen von CDU, Linken, Bürgerfraktion und Grünen, die es geschafft hatten, am Termin für die Unterschriftsleistung teilzunehmen. Die FDP hatte ihren Geschäftsstellenleiter geschickt.Der Aktionsplan kann zwar abbilden, wie weit die Gleichberechtigung in Leipzig schon gediehen ist. Er kann auch einzelne Maßnahmen darstellen. Aber nicht ohne Grund wies Burkhard Jung darauf hin, dass auch der Stadtrat noch kein Vorbild ist: Nur 27 Prozent der gewählten Stadträte sind weiblichen Geschlechts. Die Entscheidung dafür treffen einerseits natürlich die Parteien bei der Aufstellung ihrer Wahllisten – aber auch die Wählerinnen und Wähler mit ihrem Kreuz.

Und die Dezernenten schlägt auch nicht der Oberbürgermeister vor. Das Vorschlagsrecht liegt in erster Linie bei den Fraktionen. Erst in der Abstimmungsrunde, wenn es darum geht, dem Stadtrat tatsächlich einen Kandidaten oder eine Kandidatin vorzuschlagen, versuchen OBM und Fraktionsspitzen sich auf die Person zu einigen, die dann auch eine Chance auf eine Mehrheit hat. Ein Prozedere, das zuweilen ein bisschen von persönlichen Eitelkeiten und Machtspielchen überschattet ist. Denn normalerweise sollte sich die Zusammensetzung des Stadtrats auch in der Besetzung der Bürgermeisterposten widerspiegeln. Das tut sie nicht wirklich, aber auch das erzählt so einiges über die durchaus von Männern beeinflussten Verteilungskämpfe in der Leipziger Politik.

Mit der Wahl von drei Rektorinnen an Leipziger Hochschulen ist in der letzten Zeit schon einiges in Bewegung gekommen, was zuvor unerschütterlich schien. Aber auch das Thema Ehrenamt sprach Burkhard Jung ganz beiläufig an. Und er meinte damit nicht nur den Vorsitz in gemeinnützigen Vereinen und sozialen Initiativen. Denn der gesellschaftliche Einfluss liegt auch in Leipzig in Vereinigungen, die bislang noch Männerdomänen sind – das reicht von Wirtschaftsinitiativen über die Kammern und den Marketingclub bis hin zu den einzelnen Clustervereinigungen.

Man darf gespannt sein, welche Bereiche der Aktionsplan alles abdeckt, wenn er fertig ist. Denn natürlich geht es dabei auch um Chancen und Teilhabe. Beginnend mit der Kita und nicht endend mit den Zugängen zu einer Professur an Leipzigs Hochschulen.

Wirklich entspannt und selbstverständlich ist das alles nicht. Leipzig hat noch einen weiten Weg vor sich, bis Gleichberechtigung ein alltäglicher Zustand ist.

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