Stolz ist Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal auf den "Climate Star", den die Stadt Leipzig im April verliehen bekam. Stolz ist er auch auf den 2011 erlangten European Energy Award. Beides Anerkennungen für eine Arbeit, die in deutschen Rathäusern nicht immer eine dankbare ist: Wie bringt man schwerfällige Kommunen dazu, klimafreundlich und nachhaltig zu werden? Ohne emsige Bürger geht das natürlich nicht.
Deswegen freut er sich auch wie ein Schneekönig, dass eines der Schwerpunktthemen aus seinem Dezernat auch zu einem der vier Werkstattthemen im Mitmach-Projekt “Leipzig weiter denken” wurde. Auftaktveranstaltung war am 29. Mai in der Kongresshalle. Am 28. August geht es im Bayerischen Bahnhof um “Neue Energie für alte Häuser: Was bedeutet die Energiewende für unsere historische Bausubstanz?” Denn ein Leipziger Markenzeichen ist auch Leipzigs Problem: der große Bestand an Gründerzeithäusern, 12.000 Stück an der Zahl, die meisten denkmalgeschützt und eigentlich – nach allen derzeitigen Standards – nicht wirklich energetisch sanierbar. 85 Prozent sind zwar saniert. Aber wo an den Standardbauten des 20. Jahrhunderts eine ordentliche Dämmung der Außenhülle hilft, den Heizbedarf gründlich zu senken, ist das bei all den geschmückten Fassaden so nicht möglich.
Auch die diversen Förderprogramme sind dafür nicht ausgelegt. Aber Fakt ist auch: Ein Drittel, rund 2 Tonnen CO2-Ausstoß, die jeder Leipziger jedes Jahr verursacht, werden durch die im Haushalt verbrauchte Energie verursacht. Weitere 2 Tonnen gehen auf die Benutzung des Autos. Womit die zwei wichtigsten Posten des Energieverbrauchs benannt sind, wo eine CO2-Reduktion möglich und notwendig ist.
Denn Leipzig hat sich ja auch zu ehrgeizigen Zielen bekannt. Aller fünf Jahre will es seinen CO2-Ausstoß um 10 Prozent senken. Ziel ist, von derzeit 5,7 Tonnen CO2 pro Einwohner (Zahl von 2008) auf 2,5 Tonnen zu kommen.
Die Zahlen zeigen schon: Leipzig muss und wird sich auch gründlich ändern. Und wer immer diese Veränderung in irgendeine ferne Zukunft verschieben will, der macht etwas falsch. Oder er hat zu Haus keinen Überblick über seine Nebenkostenabrechnung. Denn die Energiepreise steigen auch unabhängig von allen deutschen Planspielen um Netzentgelte. Von der Werkstatt im August erhofft sich Rosenthal viele Ideen und Anregungen – von Bürgern, die sich mit dem Thema Energieeinsparung beschäftigen, von den Kammern und den qualifizierten Unternehmen. Denn da Leipzig – stärker noch als andere Kommunen – das Problem einer großflächigen (und bewohnten) Gründerzeitbebauung hat, braucht es im Grunde auch ein echtes Leipziger Konzept, wie man dafür trotzdem Lösungen findet. Lösungen auch, die die Kosten – so wie sich das eine verträumte Bundesregierung oft denkt – nicht einfach wieder auf den Mieter umlegt. Das noch relativ kulante Mietniveau in Leipzig entspricht eben auch dem nach wie vor niedrigen Einkommensniveau.
Was auch die Hausbesitzer wissen. “Deswegen werden wir auch unbedingt den Hausbesitzerverband Haus & Grund mit ins Boot holen”, so Rosenthal.
Dass aktuell einige politische Akteure wieder fordern, bei städtischen Neubauten – wie bei den so dringend gebrauchten Schulen – wieder vom Passivhausstandard abzuweichen, findet er eher kontraproduktiv. Denn wirklich Gelder spare man mit diesem Rückzieher aus Kostengründen nicht, die Dimensionierung der Schulen bleibe ja dieselbe. “Es ist ein kurzfristiges wirtschaftliches Denken”, so Rosenthal. “Aber mittelfristig kommt uns das teurer. Das muss man immer mitbedenken.”
Tatsächlich sei das Ziel für eine Stadt wie Leipzig längst, dass aus Gebäuden statt Energieverbraucher Energieproduzenten würden. Eine ganze Stadt könne zum Energieproduzenten werden.
Der Passivhausstandard sei für öffentliche Neubauten ab 2018/2019 sogar die Norm. Da sei es keineswegs zielführend, sogar hinter den eindeutigen Beschluss des Stadtrates zurückzufallen. Und der hat beschlossen, dass Leipziger Schulen im Passivhausstandard zu errichten sind. Weil es eben doch in der Mehrzahl der Fraktionen Stadträte gibt, die wissen, wie sich die Energiekosten entwickeln.
In der Stadtverwaltung, so Rosenthal, herrsche über dieses Thema im Grunde kein Dissens. Im Gegenteil. Im Zusammenhang mit der Bewerbung um den European Energy Award wurde eine dezernatübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die die Ziele des Klimaschutzes in alle Ämter hinein vermittle. Es gäbe zwar durchaus noch Zeitgenossen, die man immer wieder neu abholen müsse, so Rosenthal. Aber mit der Arbeitsgruppe sei das Thema Nachhaltigkeit in der Stadtverwaltung erstmals auf einem Niveau verankert, das es zuvor nicht gegeben hatte.
Und den Award bekommt eine Kommune auch nur, wenn es ihre Anstrengungen zum Klimaschutz verstärke. “Selbst wenn wir nur auf dem Stand blieben, mit dem wir 2011 den Energy Award bekommen haben, würden wir den Award rein theoretisch verlieren”, sagt Peter Heinz, Abteilungsleiter Umweltvorsorge im Umweltamt. “Werden wir natürlich nicht”, sagt er. “Ich sehe jetzt auf Jahre die Voraussetzungen, dass wir den Award ganz sicher bekommen.” 2012 will sich Leipzig sogar um den Energy Award in Gold bewerben.
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Teil der Anstrengungen ist dann auch ein Extra-Aktionspaket, mit dem in diesem Jahr mehr Leipziger für eine nachhaltige Stadtentwicklung mobilisiert werden sollen: die Klimaschutzkampagne 2012 unter dem Motto “Im Verbund stark – Umweltverbund stärken”. Es steht also das zweite große Thema beim Energieeinsparen im Mittelpunkt: der umweltfreundliche Verkehrsverbund. Von 60 auf 70 Prozent soll der Anteil der umweltfreundlichen Verkehrsarten am Leipziger Modal Split steigen. Und insbesondere der Radverkehr soll deutlich zunehmen, nicht der Autoverkehr, wie einige Zeitgenossen immer noch glauben.
Und eine wesentliche Aktion dazu ist seit 2009 Leipzigs Teilnahme am Stadtradeln. Mit 63 Teams war Leipzig 2011 dabei, landete wieder zwei Mal auf dem Podestplatz und begann im Grunde ein kleines aber sinnvolles Fernduell mit Dresden, das Leipzig bei den abgestrampelten Kilometern schlug und am Ende die fahrradaktivste Stadt wurde.
“Da sollen wir doch diesmal was draufpacken können”, sagt Heiko Rosenthal. Leipzig nimmt vom 4. bis 24. Juni am Stadtradeln teil. Am Donnerstagmittag hatten sich schon 70 Teams angemeldet.
Angeradelt wird am Montag, 4. Juni, mit großem Pressetermin um 16:30 Uhr vorm Bundesverwaltungsgericht auf dem Simsonplatz. Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung hat sich zum Start angemeldet, etliche Team-Kapitäne auch aus dem Stadtrat. Denn die zweite wichtige Kategorie beim Stadtradeln ist ja das “Fahrradaktivste Kommunalparlament”. Da landete Leipzig 2011 mit 1.323 Parlamentarier-Kilometern auf Rang 3.
Aber auch viele Verwaltungsangestellte haben sich, so Peter Heinz, schon angemeldet. Was vielleicht noch wichtiger ist. Denn wenn die Verantwortlichen in den Ämtern aus eigenem Erleben wissen, wo die Schwachstellen im Leipziger Radnetz sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich tatsächlich etwas ändert im Sinne einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik.
Anmelden zum Stadtradeln kann man sich unter:
www.stadtradeln.de
Das Bürger-Beteiligungs-Projekt “Leipzig weiter denken”:
www.leipzig.de/weiterdenken
Die Klimaschutzkampagne der Stadt:
www.leipzig.de/de/buerger/umwelt/klimaschutz
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