Viele Leipziger wissen die Arbeit von Horst Wawrzynski zu schätzen. Seit dem 1. Mai 2008 ist er Polizeipräsident in Leipzig und ihm ist es gelungen, die Polizeiarbeit in Leipzig in ein ruhigeres und professionelleres Fahrwasser zu bringen. Fast hätte man schon gedacht: Das ist jetzt ein Polizeibeamter mit Leib und Seele. Der vermengt seine Arbeit mal nicht mit der Politik. Doch jetzt will der 59jährige Oberbürgermeister von Leipzig werden.

Das ist – im Gegensatz zur Funktion eines Polizeipräsidenten, auf die ein Beamter vom zuständigen Innenminister berufen wird, – ein politisches und kein staatliches Amt. Ein Oberbürgermeister muss Richtlinien geben, nicht nur Entscheidungen fällen. Das auch. Aber – und da begann vor einem Jahr eine ganz besondere Diskussion – beim Großteil aller Entscheidungen sind ihm die Hände gebunden. Denn der Oberbürgermeister ist in deutschen Landen nicht der Souverän. Der Souverän ist das Volk. Das wählt ihn zwar – wählt aber auch sein Korrektiv: den Stadtrat.

Dessen Zustimmung braucht er im Grunde für alle Entscheidungen, die durch vorherige Beschlüsse – etwa den zum Haushalt der Stadt – nicht gedeckt sind.

Vor einem Jahr – genauer: Am 14. Mai meldete sich ein anderer Polizeipräsident zu Wort, der damals als möglicher OBM-Kanditat für Leipzig gemunkelt wurde – Bernd Merbitz. In einem Großinterview der LVZ polterte er gegen die Ordnungs- und Drogenpolitik der Stadt Leipzig. Spätestens nach der seltsamen Dienstwagen-Affäre im Spätsommer, von der man bis heute noch nicht weiß, ob Bernd Merbitz dabei tatsächlich Absprachen und Dienstvorschriften missachtete, war die Diskussion um Merbitz als OBM-Kandidat vorbei.

Die Diskussion um Leipzigs Ordnungs- und Drogenpolitik flaute hingegen nicht ab. Denn sie hatte mit der Realität wenig zu tun. Mit Polizeiarbeit und ihren Rahmenbedingungen schon eher. Doch statt das Thema des zunehmenden Personalmangels anzugehen, widmete sich nun der Leipziger Polizeipräsident den von Merbitz aufgeworfenen Themen, kritisierte nun seinerseits die Stadt und schaffte es am Ende auch, in den Drogenbeirat der Stadt Leipzig aufgenommen zu werden.

Seitdem flauen seine Wortmeldungen zu verschiedenen Themen der Leipziger Stadtpolitik nicht ab – von den (fehlenden) Verkehrskonzepten bis hin zur aktuell diskutierten Unterbringung von Asylsuchenden hat er eine Meinung. Das ist sein gutes Recht. Auch als Beamter hört man ja nicht auf, ein politisch denkender Mensch zu sein.

Oft wirken seine Wortmeldungen aber auch wie Ablenkungsmanöver. Auch von der Tatsache, dass die Kriminalitätszahlen in Leipzig steigen, obwohl Wawrzynski sich fest vorgenommen hatte, sie dauerhaft unter die 60.000er-Marke zu drücken. Mittlerweile hat er mit einem halben Dutzend so genannter “Komplexkontrollen” das gezeigt, was er nun den CDU-Mitgliedern als seine Stärke anbietet: “Ich stehe für eine klare Sprache und für klare Entscheidungen. Ich sage: Ein Oberbürgermeister ist kein Schönwetterkapitän – ein Oberbürgermeister muss Entscheidungen fällen und Verantwortungen übernehmen.”

Wir können auf oben Gesagtes verweisen. Demokratie hat manchmal gewisse Spielregeln, die auch ein tatkräftiger Oberbürgermeister respektieren muss. Sonst wird er gar nichts mehr entscheiden können. Denn Rechenschritt Nummer 2 sagt: Für ein Okay des Stadtrates braucht man dort eine Mehrheit. Man muss die Mehrheit der Fraktionen und Abgeordneten überzeugen. Oder Kompromisse aushandeln. Böses Wort. Aber Grundlage jeden demokratischen Zusammenlebens.Nachdem die Findungskommission der CDU Horst Wawrzynski am Montag, 20. Juni, quasi nachnominiert hat als Bewerber um die CDU-Kandidatur um das OBM-Amt in Leipzig, hat Horst Wawrzynski ein Schreiben in eigener Sache an die Mitglieder des CDU-Kreisverbandes geschrieben, aus dem die zitierten Sätze stammen. Darin dementiert er so nebenbei auch die Verlautbarung der Leipziger “Bild”, Wawrzynski würde auch in den OB-Wahlkampf ziehen, wenn ihn die CDU nicht zu ihrem Kandidaten macht.

“Sollten Sie sich für einen anderen Bewerber entscheiden, werde ich den Wahlkampf der Union selbstverständlich ebenso aktiv unterstützen”, schreibt er an die CDU-Mitglieder. Das ist weit, sehr weit aus dem Fenster gelehnt als sächsischer Polizeibeamter. Denn kurz vorher schreibt er auch, der “Dienstleistungsgedanke für den Bürger” läge ihm als Leiter einer großen Behörde wirklich am Herzen.

Die große Behörde ist die Leipziger Polizeidirektion, die normalerweise mit über 1.700 Polizistinnen und Polizisten besetzt sein müsste. Das ist ihre Sollstärke.

Sollstärken sind in Deutschland kein Wunschprodukt, sondern ergeben sich aus jahrzehntelanger Erfahrung in der notwendigen Besetzungsstärke von Polizeidienststellen. Das ist in Sachsen etwas anders, seit der verantwortliche Innenminister Markus Ulbig (CDU) die “Polizeireform 2020” als Sau durchs Land treibt. Das war auch schon vorher etwas anders, weil der Freistaat schon seit Jahren nicht genug junge Polizisten ausbildet, um auch nur die Mannschaftsstärke zu halten. In Leipzig sind schon seit Jahren deutlich unter 1.600 Polizisten eingesetzt. Die Ist-Stärke differierte schon 2010 um 160 Mann und Frau von der Sollstärke. Obwohl die Bevölkerungszahl wuchs und damit die Verantwortung der Polizei.

Klartext: Die Leipziger Polizei ist heute schon unterbesetzt.

Und wenn Markus Ulbig sein blindes Kürzungsprojekt durchsetzen wollte, wird sich die Lage mit jedem Jahr verschärfen. Im ersten Schritt werden die Polizeidirektionen von Leipzig und Westsachsen miteinander verschmolzen. Im zweiten wird die augenblickliche Ist-Stärke der beiden Direktionen von 3.100 auf 2.440 Polizisten reduziert. Was selbst nach Adam Ries heißt: Die Einsatzstärke der westsächsischen Polizei wird erst recht nicht mehr ausreichen, um ihre Aufgaben zu erfüllen.

Kein Wort dazu vom Polizeipräsidenten. Nicht vom Leipziger und nicht vom sächsischen.

Dabei ist genau das der Punkt, an dem die Ordnungs- und Sicherheitspolitik einer Stadt ansetzt. Nicht bei der Drogenprävention der Stadt.

Warum ein Polizeipräsident in so einer Situation auf den OBM-Stuhl wechseln will, darf sich jeder Leipziger für sich denken.

Und damit das auch freundlich und volkstümlich rüberkommt, hat er seine Kampagne schon mal “Wawa 2013” genannt. Wenn er Pech hat, wird er gewählt. Und muss dann eine Stadt durch die Finsternis fahren, in der die Kriminalität wächst und die einsatzfähigen Polizisten Mangelware werden.

Das Schreiben von Horst Wawrzynski an die Mitglieder der Leipziger Union als PDF zum download.

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